Cordon Bleu
Nein, nicht das zum Essen. Das «Blaue Band» gabs mal für die schnellste Atlantiküberquerung. Und, könnte der Renault Megane R.S. 275 Air14 schwimmen, er wäre ein ganz heisser Anwärter darauf. 275 PS, 367 Nm, Leergewicht 1451 kg. Ja, das liest sich gut. Und es fährt auch gut. Saugut sogar. Bereits an der letzten R.-S.-Version mit 265 PS hatten wir grosse Freude, nun hat Renault noch 10 PS drauf gepackt. Doch mit den 10 zusätzlichen PS und der in unserem Fall auffälligen Kriegsbemalung (oder ist das jetzt politisch inkorrekt wenn es ums Sondermodell zu einer militärischen Flugshow geht?) ist es natürlich nicht gemacht. Renault hat den scharfen Mégane noch eine Spur kompromissloser gemacht. Und vor allem: er hat einen besseren Sound. Nein, der Vierzylinder-Turbomotor ist nicht wirklich ein Quell der geilen Akustik, die Akrapovic-Abgasanlage hingegen schon. Nicht enorm laut, aber präsent. Ohne das heute so angesagte «controlled missfire». Sondern ehrlich, kehlig, gut eben. Und ja, er ist nicht nur sauschnell auf der Geraden (0-100 km/h in 6 Sekunden), er geht auch sehr flott ums Eck. Und ja, natürlich gibt es Traktionsprobleme beim Fronttriebler. Einen guten Teil davon schieben wir aber – nach den Erfahrungen mit dem 265-PS-Modell – auf die Winterreifen ab. Die waren mit der Power des Renaults zuweilen einfach überfordert.
Und, wir merken dass wir alt werden. Der Renault verfügt über eine Federung. Steht im Prospekt. Wir haben keine gefunden. Selten hatten wir in letzter Zeit ein so bretthart abgestimmtes Auto in Händen. Klar, man ist verwöhnt, wie beim neusten Polo GTI zum Beispiel. Dort kann man, wie bei vielen anderen Sportwagen auch, die Dämpferkennlinie elektronisch verstellen. Und so im Alltag einigermassen bequem untwerwegs sein und wenn man dann will, die Federung auf straff stellen. Dem Renault sind solche Gimmicks fremd. Nur die Harten kommen in den Garten – viele werden die kompromisslose Abstimmung mögen.
Und ja, wie hässlich war einst die Mégane-Lenkung. Bei den ersten Versionen dieses Modells war mit dem Dreh am Lenkrad eher eine ungefähre Richtungsangabe verbunden. Die Zeiten sind schon länger vorbei, und beim Renault Megane R.S. 275 Air14 ist sie sogar richtig scharf. Einlenken, Scheitelpunkt abwarten, satt auf Gas, Lenkung öffnen, die scharrenden Vorderräder ignorieren und weiter zum nächsten Eck. Der kann was der Renault. Und, das hat uns eigentlich am meisten erstaunt. Er verbraucht wenig. Also, zumindest für diese Leistungsklasse. Von einem hochgezüchteten Zweiliter-Turbo hätten wir einen gewaltigen Durst erwartet. Renault redet von 7,5 Liter pro 100 Kilometer. Und nein, diesen Wert haben wir nicht erreicht. Aber, dass wir Mühe hätten, die 10-L-Marke zu knacken hat uns dann doch erstaunt. Genauso wie die Zahl die nach dem Ausrechnen der Verbräuche auf dem Taschenrechner stand. 8,5 Liter hat der schnelle Franzose im Schnitt verbraucht. Das ist gemessen an der Leistung: gut.
Und sonst? Sonst ist es ein typischer Renault. Schlichtes aber funktionales Innenleben, etwas gar viel Plastik (immerhin ein sehr feines Lenkrad mit Alcantara-Bezug) und ansonsten alles, was man zum Leben so braucht (Navi, Tempomat, Bordcomputer mit Sport-Spezialanzeigen, Bluetooth usw). Und, sehr, sehr gut Sitze. Die Sport-Schalen sind selbst auf langen Etappen von 500 km sehr bequem und bieten trotzdem hervorragenden Seitenhalt. Halt! Sind wir wirklich nur voll des Lobes? Für einen Renault? In diesem Fall ja. Auch, weil der Mégane R.S. einfach ein ehrliches Autos ist. Und mit Preise ab 44’500 Franke für das Air14-Sondermodell auch bezahlbar bleibt. Und, wer auf den ganzen Optik-Firlefanz verzichten mag, bekommt den R.S. mit 275 PS sogar schon ab 42’900 Franken. Zum Vergleich. Der etwas altbackene VW Scirocco R mit 280 PS kostet in der Basisversion auch «nur» 45’200 Franken. Unser Testwagen schlug aber mit 57’400 Stutz zu Buche.
[…] Doch das für die Schweiz wohl interessanteste Modell ist der GT, der aus 1,6 Liter Hubraum beachtliche 205 PS schöpft und über ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe geschaltet wird. So ausgerüstet rennt der Mégane in 7,1 Sekunden auf 100 km/h und maximal auf 230 km/h; der Verbrauch nach Norm liegt bei 6 Litern. Abgesehen vom ausgesprochen souveränen Antrieb glänzt der GT auch mit seiner 4-Rad-Lenkung, die ihm auf der Landstrasse ein wieselflinkes Fahrverhalten beschert – und auf der Autobahn für grosse Stabilität sorgt. Dass die Franzosen dieses Top-Modell zu einem Preis ab 31’500 Franken anbieten, ist eine klare Kampfansage an die Konkurrenz wie etwa den Golf GTI, der fast 5000 Franken mehr kostet. Und dass er nicht knüppeldick und knochentrocken auf Sportlichkeit macht, passt bestens zum Charakter des Franzosen. Ein wenig mehr Sound würden wir uns zwar wünschen, doch diese Zeiten sind halt wohl leider vorbei. Aber man darf davon ausgehen, dass es sicher wieder eine R.S.-Variante geben wird – das aktuelle Sport-Modell wird 2016 weiterhin angeboten und ist sowieso etwas vom Besten, was es in diesem Segment gibt (siehe: hier). […]