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Porsche 911 Cabrio 4S

Schöne neue Welt?

Selten war ich beim Schreiben von Zeilen für «radical» so gespalten wie bei diesem Text. Ich soll meine Eindrücke vom neuen Elfer-Cabrio beschreiben – dem ersten Turbo-Elfer im Test. Und dann noch als Cabrio, sowieso nicht mein Lieblingsaufbau. Aber erst mal zur Erklärung. Natürlich sind die neuen Carrera und Carrera-S-Modelle nicht die ersten Modelle mit Turbolader beim 911. Aber, der Zusatz «Turbo» bleibt dem stärksten Elfer vorbehalten, der mittlerweile als Turbo S 580 PS leistet. Die kleinen Dreiliter-Turbos – wie im Testwagen verbaut – heissen weiterhin nur Carrera und Carrera S. Ansonsten hat sich beim Facelift des Elfers nicht sehr viel getan – zum Glück. Einzig das Entertainment- und Navigationssystem wurden deutlich modernisiert – das war auch höchste Zeit. Doch davon später mehr, erst gelangen wir zum Kern der Sache: dem Motor.

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Wie gesagt, drei Liter Hubraum sind es noch; immerhin darf der Elfer noch sechs Zylinder haben – und zwei Turbolader. So gerüstet erreicht er locker die Leistungswerte des bisherigen freisaugenden Triebwerks. 420 PS sind es, die der Carrera S abdrückt. Das sind 10 PS mehr als beim Sauger (als GTS) und – das erstaunt auf den ersten Blick – nur 60 Nm mehr an Drehmoment. Da hätten wir doch mehr erwartet, irgendwie. Aber der Punkt ist: die nun 500 Nm stehen bereits bei 1750 Umdrehungen an, der Sauger braucht für seine 440 Nm satte 5750/min. Die Zahlen sprechen also ganz klar für den zwangsbeatmeten Porsche. Aber eben nur die Zahlen.

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Klar, in Zeiten, in denen Porsche-Besitzer kaum noch wissen, was unter dem Heckdeckel steckt, spielt es immer eine kleinere Rolle, was das werkelt – Hauptsache, die Leistung stimmt. Schliesslich sind die Zuffenhausener mittlerweile zum Massenhersteller geworden, Elfer sieht man in gewissen Gegenden häufiger als Wahlplakate von Dorfpolitikern. Aber, ich wage zu behaupten: die Umstellung auf die Turbotechnik ist ein grösserer Eingriff als damals die Umstellung von Luft- auf Wasserkühlung. Damals markierte fast die komplette Porsche-Fangemeinde den sterbenden Schwan, niemand wollte die Wasserbüffel fahren. Und heute? Kaum ein Zucken in der Fangemeinde – allein das sagt schon viel aus, wie weit man sich in Zuffenhausen von einer echten Fan-Basis entfernt hat. Klar, der finanzielle Erfolg gibt ihnen recht, irgendwer muss ja schliesslich das VW-Abgasdebakel bezahlen. Aber für einen, der den Porsche 911 über alles liebt, ist der neue Elfer auf einmal zu einem austauschbaren Sportwagen geworden. Ich weiss, das sind harte Worte, aber es ist so. Wenn du immer, aber auch wirklich immer Leistung und Drehmoment satt zur Verfügung hast, kann auch ein Gaspedal-Legasteniker mit der Elfer richtig schnell fahren. Man muss nichts mehr können als die Brieftasche zu zücken. Elektronik, der nach wie vor enorme mechanische Grip und die Turbotechnik sorgen dafür, dass wirklich jeder viel Fahrspass haben kann. Klar, das ist der richtige Weg für einem Massenhersteller, man will sich grössere Käuferschichten erfüllen. Aber der Preis dafür ist in meinen Augen hoch – zu hoch.

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Allein schon, dass man den wunderbaren 3,6 Liter grossen Sechsender den gerade gültigen Abgasprüfverfahren opfert, ist eine Zumutung. Nein, daran ist nicht Porsche schuld, schliesslich werden Abgasgrenzwerte nicht in Stuttgart definiert. Doch diesem beschissen Prüfstandsverfahren, das nun so gar nichts mit der Realität zu tun hat, einen solch tollen Motor zu opfern, das ist schon ein harter Schlag. Denn eines sei unseren Lesern versichert: sparsamer sind die Turbo-Aggregate nicht. Also im echten Leben nicht – auf dem Prüfstand naturgemäss schon. Im Testschnitt verbrauchten wir mit dem Cabrio 10,4 Liter pro 100 Kilometer. Das ist nicht viel, aber es ist auch nicht weniger als beim Sauger.

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Und es gibt weitere Gründe, wieso wir den Sauger immer noch lieber haben. So ist das Ansprechverhalten des Turbomotors allein technisch bedingt nicht so toll wie beim Sauger. Klar, es bedingt einen etwas anderen Fahrstil, kurz vor dem Scheitelpunkt den neuen Elfer etwas ans Gas nehmen, damit ein kleinwenig Ladedruck aufgebaut wird, dann spricht er nach dem Scheitel auch toll an. Aber dieses unmittelbare, dieses «ich will jetzt vorwärts» des alten Motors ist verlorengegangen. Leider.

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Es gibt andererseits durchaus Positives zu berichten. So ist die Drehfreude des neuen Aggregats unglaublich. Das Ding dreht hoch als hätte es noch nie etwas von Turbolader gehört. Und dies, obwohl man diese Lader sehr, sehr deutlich hört. Das ist, so wie wir Porsche kennen, durchaus so gewollt. Wir finden es etwas: too much. Wir hätten gerne mehr mechanische Geräusche, aber eben, ich bin halt auch ein Ewiggestriger.

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Sowieso, das Thema Klang. Auch hier ist der Carrera S austauschbar geworden. Turbo kills Engine-Sound, damit war zu rechnen. Aber dass der Porsche nun klingt wie ein x-beliebiger Turbo-Sportwagen, hat uns doch erschreckt. Ja, wir lassen kein gutes Haar am neuen Motor. Das zumindest in meiner Empfindung. Etwas anders sieht es aus, wenn man versucht objektiv zu bleiben. Vor allem dieses Plus an Drehmoment macht den Elfer zu den Ecken raus wirklich sauschnell. Wenn die beiden Lader pfeifen, drückt dich der Elfer aus der Ecke, wie du es wohl noch nie erlebt hast. Da hilft es ungemein, dass unser Testwagen über Allradantrieb verfügte. Ein verbessertes System übrigens, welches die Kraft noch effizienter zwischen der Hinter- und der Vorderachse verteilen soll. Tut es auch, zum Teil deutlich spürbar. Man hat immer das Gefühl, dass das Auto irgend etwas macht. Nervös wäre das falsche Wort, um diese Regelvorgänge zu beschreiben, aber irgendwie auch nicht sonderlich angenehm. Aber halt verdammt effizient.

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Und sonst? Ja sonst ist der 911er eigentlich der Alte geblieben. Der 991/II ist ein tolles Auto, enorm spurstabil, sehr wendig und wirklich schnell. Der letzte echte 911er ist aber dennoch der 991/I, ich wage sogar zu behaupten, dass der beste Elfer aller Zeiten der Cayman GT4 ist… Aber nun drückt der Ewiggestrige wieder durch. Zudem stellt sich die Frage auch gar nicht, ob ich je ein solches Auto besitzen werde. Denn die Preise sind nach wie vor happig. Unser Cabrio mit etwas Sonderausstattung kostet die Kleinigkeit von 184 540 Franken. Zumindest hier hat Porsche den Schritt zum Massenhersteller noch nicht gemacht…

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Herzlichen Dank an Markus Chalilow. Mehr Porsche haben wir in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. Ausserordentlich schöne Bilder in diesem Text. Wie im Fieber: Autor schnell ausgestiegen und- husch- abgedrückt. Und sofort weitertoben mit dieser unsäglichen Last. Was ich nicht kapiere: Warum muss einer ein Ewiggestriger sein, wenn er den Cayman GT4 lobt?

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