Pasta statt Sushi
Einfach könnten wir es uns ja jetzt machen mit dem Fiat 124 Spider und schlicht auf den Fahrbericht des Mazda MX-5 verweisen. Denn so richtig gross sind die Unterschiede ja nun wirklich nicht: ein anderer Motor, eine etwas andere Fahrwerksabstimmung, eine andere Optik aussen, eine andere Preisliste, das war es eigentlich schon.
Und doch. Da ist schon mehr, und dies nicht nur, weil Fiat einen legendären Namen als Badge auf den Wagen pinnt. So rein optisch erscheint uns der Fiat ziemlich gelungen, er ist nicht ganz so filigran wie der Mazda, da ist schon mehr Pasta als Sushi. Als Höhepunkt italienischer Designkunst wollen wir ihn jetzt aber auch nicht bezeichnen, die Retro-Zitate wirken halt so ein bisschen bemüht, doch auch da haben wir auch schon Oberflächlicheres gesehen. Was aber schon ein bisschen ärgerlich ist: innen ist der Fiat genau gleich wie der Mazda, mit Ausnahme des Lenkrads und der graphischen Gestaltung des Infotainment-Systems. Da, ja, da hätten sich die Italiener durchaus ein bisschen mehr Mühe geben können; es ist dies auch eine vergebene Chance, sich plakativer vom MX-5 unterscheiden zu können. Zumal man ja innen auch gut mit mehr Rückblick auf die 50-jährige 124-Spider-Geschichte leben könnte. Wollte.
Und auch wenn wir uns da im Zusammenhang mit dem Mazda wiederholen: das ist gut, dort drinnen. Kein Firlefanz (und deshalb übersichtlich), angenehm tiefe Sitzposition, anständige Sitze, alles in Griffnähe, auch die reichlich vorhandenen Ablageflächen. Traute Zweisamkeit. Und das Dach öffnet und schliesst man mit einer Hand, so, wie es sich gehört für einen Roadster, auch wenn der in diesem Fall Spider heisst.
Der grösste Unterschied zum Mazda ist wohl die Motorisierung. Turbo anstatt naturally aspirated, es kommt im Fiat der bekannte 1,4-Liter zum Einsatz, 140 PS. Das ist jetzt nicht ein Ausbund an Kraft und Herrlichkeit, sondern mehr: Vernunft. Mit den etwas über 1100 Kilo hat die Maschine zwar keine Mühe – auf Touren zu kommen allerdings schon. Das Turboloch ist überraschend tief, die Drehfreudigkeit hält sich ebenfalls in engen Grenzen, und so ist es denn mehr Cruisin‘ als Racing. Die Schalterei stammt auch bei der Fiat-Version von Mazda, die Wege sind beim manuellen 6-Gänger kurz, die Übergänge passen, und so hat man dann doch ein Quantum an Fahrfreude. Wäre da auch noch irgendeine Form von Sound, nicht dieses Brummen eines unterbeschäftigen Kühlschranks, dann wäre der Spass wahrscheinlich grösser.
Und dazu passt auch die Abstimmung des Fahrwerks. Etwas weicher ist der Fiat als der Mazda, komfortabler – was gut zu seinem Charakter passt. Weil es den Piloten aber eh nicht so sehr drängt, den Italiener grob in die Kurve zu hauen, geht sich das auch bestens aus. Und ist man doch einmal zu flott, dann kündigt sich das Heck freundlich an; dieser Charakterzug des Mazda wurde erfreulicherweise beibehalten. Die präzise Lenkung ebenfalls. Die Fahrleistungen sind auf dem Papier anständig, 7,5 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h, eine Höchstgeschwindigkeit von 215 km/h – und ein Verbrauch von 6,4 Litern.
Den Mazda MX-5 gibt es ab 23’900 Franken. Für dieses Geld gibt es den Japaner mit 130 natürlichen PS. Für den Fiat sind in der mindestens 27’900 Franken zu entrichten, aber er hat 10 PS mehr – und deutlich mehr Drehmoment (240 Nm bei 2250/min) auch als die stärkere Mazda-Variante (160 PS, 200 Nm bei 4600/min, ab 30’500 Franken). Und es gibt schon auch noch Unterschiede in der Ausstattung, man darf davon ausgehen, dass sich die beiden Brüder in Sachen Preis wenig schenken. Deshalb läuft es auf die Optik hinaus, Sympathien für eine der beiden Marken – und wie man zu fahren gedenkt, entspannt-locker im Fiat, minim sportlicher im Mazda (auch weil er etwas leichter ist).
Und ja, selbstverständlich gibt es hier dann auch noch etwas zu lesen zum Abarth 124 Spider. Der dann schon etwas anders ist als sowohl der Fiat wie auch der Mazda. Aber dazu kommen wir zu einem späteren Zeitpunkt. Unterdessen haben wir aber mehr Fiat in unserem Archiv.
Ja, die Amis haben dafür einen herrlichen Ausdruck, der so gar nicht zu übersetzen ist: „Badge Engineering“; die vermeintliche Kunst aus einem Auto zwei zu machen mittels einigen Markenwapperl und ansonsten minimalem Aufwand. Wenn man den alten 124 kannte und schätzte, denkt man doch glatt und sofort an BE. Schade; klingt wie eine verpasste Chance für Fiat.
[…] hat er gar nichts zu tun; es handelt sich beim neuen Modell um einen erstaunlich sanft gepimpten Fiat 124 Spider, der ja wiederum eigentlich ein Mazda MX-5 ist. Das war damals, ab 1972, schon etwas anders, und […]
‚wäre da auch noch noch irgendeine Form von Sound …‘ ?! Kommt mal in der Gegenwart an!
wo denn? warum denn?
Der legendäre Autojournalist Fritz B. Busch unterhielt seinerzeit eine gern gelesene Rubrik mit dem Titel „Autos für Männer, die Pfeife rauchen“. Heute wäre er mit seinen Essays, die schon damals auch kritische Seitenhiebe gegen den automobilen Mainstream boten, ausserhalb jeder politischen Correctness – nicht nur deshalb, weil Männer heute nicht mehr rauchen, Pfeife schon gar nicht. Schnelle, aufreizend schöne, gediegen gearbeitete, gerne auch absolut unvernünftige Fahrzeuge und solche mit einem speziellen Flair- die sucht man heute lange, und das Ergebnis der Mühe enttäuscht oft. Der 124 Spider ist eine erfreuliche Ausnahme. Das kleine Cabriolet komprimiert viele Eigenschaften, die früher kennzeichnend waren für automobilen Charakter im bezahlbaren Preissegment. Es ist hinreissend gestylt, sehr seriös verarbeitet, zickt nicht im Alltag und das Verdeck ist schneller auf- und zugeklappt als mancher Regenschirm. Jeder Sonnenstrahl wird mitgenommen. Sogar auf der Zürichseefähre Meilen-Horgen wärmt im offenen 124 Spider mediterranes Klima die Seele. Und Fahrer jenseits der 40 mit beigem Staubmantel, braunen Lederslippern, Bundfaltenhosen und einem nostalgischem Schal wirken darin kaum deplatziert. Vor allem dann, wenn das Auto die fantastisch unaufdringliche Farbe „Magnetico Bronze“ trägt. Und der 124 Spider ist selten auf Schweizer Strassen, sehr selten. Das spricht weiterhin dafür. diesen Wagen zu wählen. Mit meinem habe ich den ersten Sommer bereits genossen und werde ihn wohl fahren, solange ich ein Lenkrad festhalten kann.
Matteo
sehr, sehr schön geschrieben – danke!