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US Weekly 42-16

Kombinationskraftwagen

Nein, die Geschichte des Kombinationskraftwagen ist noch nicht so alt wie das Automobil selber. Aber wahrscheinlich wurden sie in den USA erfunden, man darf davon ausgehen, dass der seit Ewigkeiten nicht mehr existierende Hersteller Hatfield in den Jahren 1917/1918 den ersten regulären «Station Wagon» angeboten hatte, dies für 800 Dollar pro Stück und mit einem gedeckten Holzaufbau hinten. Grossen Erfolg hatte dieses Fahrzeug sicher nicht, Hatfield baute bis 1924 maximal 200 Fahrzeuge pro Jahr – und der so genannte Suburban Station Wagon gehörte nicht zu den Bestsellern im Programm. Er war aber auch mehr ein Transporter als ein Kombi wie wir ihn uns heute vorstellen. 1922 kam dann Essex (auch nicht mehr am Leben) mit dem ersten festen, geschlossenen Aufbau, schon ein Jahr später folgte Star, eine ebenfalls längst untergegangene Marke, die aber damals immerhin zum Imperium von William Durant gehörte, jenem Mann, der General Motors gegründet hatte. Und dann kam: Ford. Und baute auf das Chassis des Model A die abenteuerlichsten Karosserien aus Holz – dies auch deshalb, weil Ford eigene Wälder und Schreinereien besass. Ironischerweise wurden diese ersten «Woodies» in der Ford Iron Mountains Plant zusammengebastelt. Ab 1929 dominierte Ford den Markt – und deshalb zeigen wir hier zuerst einmal einen 29er. Der allerdings mehr nach Transporter als nach Kombi aussieht. 5200 Stück wurden von diesem Ding gebaut, angeschrieben war es mit 695 Dollar.

Und wir zeigen hier einen 32er Ford V8 Station Wagon.

Und weil es so schön ist, auch gleich noch einen 33er Ford Station Wagon.

Und weil wir noch mehr davon haben, folgt hier ein 35er Ford Station Wagon – man sieht da schon so etwas wie Evolution.

Vor dem 2. Weltkrieg nahm Ford seine Woodies aus dem Nutzfahrzeug- hinein ins Personenwagen-Programm. Damit hatten sich die Kombinationskraftwagen endgültig etabliert – auch wenn sie weiterhin in erster Linie von Kleingewerblern gekauft und genutzt wurden. Hier zeigen wir noch ein Standard-Modell von 1940, selbstverständlich ebenfalls von Ford.

Ja, das waren alles «Woodies» damals, ganz einfach deshalb, weil sie die eher schwächlichen Karosserieaufbauten mit dem Holzbeplankungen verstärken konnten. Oder wohl eher: mussten. Der Vorteil an Holz war, dass sich das alles vorproduzieren und dann ziemlich einfach montieren liess; der Nachteil, dass Holz halt nur in einem gewissen Masse wetterbeständig ist. Und sich bei hohen Temperaturen auszudehnen beginnt. Es heisst, dass diese ersten «Woodies» nur selten alt wurden. Und trotzdem, alle grossen amerikanischen Hersteller (und auch manch englischer) hatten Fahrzeuge mit Holzbeplankungen im Programm, sie galten als ausgesprochen schick. Und deshalb gab es auch verschiedene Karosseriebauer, die sich um diese Modelle kümmerten, etwa Hercules, vor dem Krieg berühmt, die diesen Pontiac Special Six aus dem Jahre 1940 neu einkleideten.

So richtig Fahrt nahm das Business mit den holzbeplankten Kombinationskraftwagen aber erst auf, als Chrysler 1941 das «Town & Country»-Programm einführte. Da gab es dann «Woodies» nicht nur als Kombis, sondern quer über die ganze Baureihe, also auch als Cabriolets. Die ersten zwei Jahrgänge dieser grossen Chrysler-Kombi, also 1941 (996 Exemplare) und 1942 (999 Exemplare), tragen den Übernamen «Barrel Back», für ihren abgerundeten Hintern – sie waren auch die ersten amerikanischen Kombinationskraftwagen mit einem durchgehenden Blechdach. Es gab sie als 6- und als 9-Plätzer, sie wurden gern von teueren Hotels eingesetzt; es sollen heute nur noch etwa 15 (echte) Exemplare existieren. Und sie kosten richtig viel Geld, so ein halbes Milliönchen an Dollar muss da schon aufgewendet werden.

Die Nachkriegsjahre waren – wahrscheinlich – entscheidend dafür, dass sich die Kombinationskraftwagen auf dem amerikanischen Markt durchsetzen konnten. Zwar geschah bis 1948 quasi gar nichts, weder beim Design noch bei der Technik, es wurden weiterhin die Vorkriegsmodelle angeboten, die nur ganz sanft verbessert wurde. Man darf auch nicht vergessen: Stahl war Mangelware in jenen Jahren, sogar in den USA, und weil oft schlechte Qualität verwendet werden musste, da konnten die stützenden Holzverkleidungen nur helfen. Und ausserdem: das Wirtschaftswunder liess ja noch auf sich warten – viele Familien konnten sich, wenn überhaupt, nur ein Auto leisten. Und da war so ein «Station Wagon», der sich auch für das Gewerbe verwenden liess, selbstverständlich eine gute Wahl. Der Marktanteil der Kombis stieg in jenen Jahren kontinuierlich an, alle Hersteller hatten Modelle im Angebot. Wir beginnen mit einer Legende, dem 47er Buick Roadmaster, der als Estate Wagon grandios war.

Fast noch grossartiger: dieser Packard Eight mit der Bezeichnung Station Sedan aus dem Jahr 1948.

Etwas einfacher: ein Mercury Station Wagen von 1948.

Und hier ein Mercury Station Wagon von 1949. Und da sieht man doch schon erste Verbesserungen in Sachen Design.

Doch so langsam, Anfang der 50er Jahre, begannen auch die technischen Neuerungen in die Kombinationskraftwagen einzufliessen. Und das Design wurde moderner. Was man an diesem 50er Ford V-8 gut sieht. Der aber eindeutig als Lieferwagen benutzt wurde.

Und noch besser sieht man dies an diesem Chrysler Royal Town & Country Station Wagon, der ebenfalls aus dem Jahr 1950 stammt, es flossen hier die ersten neuen Design-Trends ein – die US-Kombis waren auf dem besten Weg, zu Lifestyle-Produkten zu werden.

Die 50er-Jahre brachten den endgültigen Durchbruch der Kombis in den Vereinigten Staaten. Doch bevor wir uns jenen Modellen widmen, die cool waren, teilweise schicker als die Coupé, bleiben wir noch so ein bisschen: retro. Denn auch in den 50er Jahren blieben die «Woodies» vor allem in ländlichen Gebieten weiterhin modisch – auch wenn sich die Verwendung von Holz im Automobilbau längst erübrigt hatte. Doch diese Beplankungen passten halt gut zu den Cowboys, sie waren Ausdruck eines ganz bestimmten Lifestyle für noch so manch einen Redneck. So liebevoll wie in den 40er Jahren waren diese Fahrzeuge allerdings nicht mehr verarbeitet. Und es war in erster Linie Ford mit dem Country Squire, die der eigentlich veralteten Bauweise treu blieben. Hier gibt es zuerst einen 52er Ford Country Squire.

Und dann auch noch einen Country Squire von 1957.

Doch es gab halt schon auch noch eine Klientel, die auf die grossen, mächtigen «Woodies» stand. Dieser Mercury Monterey von 1956 bot acht Personen reichlich Platz – ein ausgezeichnetes Argument, das heute leider niemand mehr zu interessieren scheint.

Doch es musste ja dann auch irgendwann ein Ende haben mit diesen «Woodies», sie hatten zu viele Nachteile, sie wurden auch zu teuer in der Herstellung, denn das Holz verlangte nach viel Handarbeit. Schon 1935 hatte Chevrolet einen ersten Suburban im Angebot, dessen Aufbau gänzlich auf Holz verzichtete, doch das war eigentlich noch ein Lieferwagen. Nach dem Krieg war es wohl Jeep, das schon ab 1946 eine Form von Kombi-Aufbau ganz aus Stahl auf einem Willys-Overland-Chassis anbieten konnte, doch auch da ist die Geschichtsschreibung zurückhaltend mit der Vergabe eines Titels, denn auch Jeep Station Wagon war mehr so ein Zwitter, kein richtiger Personenwagen. Verliehen wird er an Plymouth, wo es zwar 1949 weiterhin auch «Woodies» gab, aber halt auch den ersten Ganzstahl-Kombi auf Personenwagen-Basis. Ganz schlicht war der Wagen – er sah so ein bisschen aus, als ob man die Holzbeplankung vergessen habe. Plymouth bot ab 1950 gar keine «Woodies» mehr an, Buick folgte 1953, einzig Ford zog das mit dem Holz weiter – auch wenn es nur noch der Dekoration diente. Doch spätestens Anfang der 60er Jahre war dann auch da fertig – vorerst.

Es folgten die wahren Blütejahre der US-Kombinationskraftwagen. Es gab so ziemlich alles, was man sich denken konnte. De grössten Anteil hatten selbstverständlich die klassischen Viertürer, die es mit zwei oder auch drei Sitzreihen gab. Als erstes Beispiel soll dieser 54er Chevrolet One-Fifty gelten, der zwar noch so ein bisschen Holz hat, aber vielleicht auch gerade deswegen wunderbar ist.

Etwas einfacher gehalten ist dieser 55er Ford Country Sedan, der bis zu sechs Personen Platz bietet. Diese Ford waren so etwas wie die Brot-und-Butter-Autos unter den grossen Kombis, in der Anschaffung auch erfreulich günstig. Zumindest damals – heute kostet das wieder richtig Geld, zumindest, wenn die Fahrzeuge in einem guten Zustand sind.

Da war dann dieser 57er Buick Century Cabellero Estate damals schon einiges teurer. Und ist es auch heute noch. Was daran liegt, dass die «Station Wagon» zwar in grossen Zahlen produziert wurden, aber halt auch oft als Arbeitstiere verwendet. Und deshalb ist es heute schwierig, ein gut erhaltenes Exemplar zu finden.

Es gab aber auch andere Konstruktionen, aussergewöhnlichere, also: Zweitürer. Das erste dieser Modelle war der Nash Rambler im Haar 1951. Dürfte man die dann als Shooting Brake bezeichnen? Unter diesen Zweitürern gab es dann auch noch die «pillarless»-Aufbauten, sprich: jene ohne B-Säule, gern als «Hardtop» bezeichnet, doch diese sind ausgesprochen selten, bekannt ist der Mercury Computer, der zwischen 1957 und 1960 gebaut wurde. Doch der bekannteste, auch begehrenswerteste dieser zweitürigen Kombis ist sicher der Chevrolet Nomad, der zwischen 1955 und 1957 gebaut wurde (und damals nicht sehr erfolgreich war, aber dafür heute sehr teuer, ja, sechsstellig). Wir zeigen hier zuerst einen 55er Nomad.

Und dann auch noch einen 56er, die korrekte Bezeichnung lautete Chevrolet Bel Air Nomad.

Aber auch Ford hatte diese Zweitürer, wenn auch mit anderem Hintergrund. Dieser 57er Courier Sedan ist ganz klar als Lieferwagen gedacht.

Und auch dieser 57er Ranch Wagon von Ford war damals sicher weniger für die Lifestyle-Kundschaft gedacht.

So schön die 50er Jahre für die amerikanischen Kombis auch waren – es folgte der schnelle Fall. Schon den 60er Jahren gingen die Verkaufszahlen in diesem Segment – das Europa gleichzeitig erst so langsam zu entdecken begann – rasant zurück, die Hersteller gaben sich keine Mühe mehr, die Kombinationskraftwagen wurden wieder zu dem, was sie einst waren: Arbeitstiere. Zwar führten alle Marken noch einen Kombi im Programm, doch es war nur noch Nische, nur noch Pflicht, keine Kür mehr. Erklärungen dafür zu finden ist schwierig, es liesse sich anführen, dass die Pick-up immer beliebter wurden, dass die schon riesigen Fahrzeuge nicht noch mehr Platz brauchten, ass die US-Hersteller merkten, dass die einst so grossartige Modell-Vielfalt sich zu wenig rechnet. Ein paar wenige Kombinationskraftwagen wollen wir aber trotzdem noch zeigen, zuerst diesen 66er Chevrolet Impala.

Es wurde danach nicht mehr besser. In den 70er Jahren befand sich die gesamte US-Autoindustrie auf einer brutalen Talfahrt, anständige Kombis gab es kaum mehr. Obwohl wir diesen 74er Ford LTD Country Squire ziemlich grossartig finden.

1996 war dann endgültig fertig mit den richtig grossen US-Kombis. Der 96er Buick Roadmaster war das allerletzte Modell in einstiger Grösse.

Es sei, zum Schluss, noch auf zwei Besonderheiten der Geschichte der amerikanischen Kombinationskraftwagen hingewiesen. Nicht fehlen darf selbstverständlich der Chevrolet Corvette Nomade, der 1954 auf dem General Motors Motorama in New York erstmals gezeigt wurde. Klar, auf Basis der Corvette, die ein Jahr vorher ihren ersten Auftritt gehabt hatte – und zusammen mit der Corvette Hardtop und dem Corvair (siehe Bildergalerie). Wahrscheinlich wurden fünf Exemplare gebaut, von denen noch drei existieren sollen. Die Corvette als Nomad war ein ganz klassischer Shooting Brake, also zwei Türen plus grosses Gepäckabteil. Warum der Nomad dann ab 1955 nicht auf Basis der Corvette gebaut, sondern zum viel profaneren Bel Air wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.

Und dann haben wir noch ein aussergewöhnliches Modell, jenen Wagen, der diese Geschichte schmückt: der Chrysler Plainsman, ein Concept Car von 1956. Man darf davon ausgehen, dass man Chrysler den Nomad auf der 54er Motorama gesehen hatte auch Kenntnis vom 55er Bel Air Nomad hatte – und unbedingt etwas haben wollte, das diesen Fahrzeugen Konkurrenz machen konnte. Denn Kombis, das war ja eigentlich die Stärke von Chrysler in jenen Jahren. Das Design für den Plainsman stammte aber nicht von Virgil Exner, wie man erwarten könnte, sondern von einem gewissen Dave Scott. Gebaut wurde genau ein Stück – und zwar bei Ghia in Italien. Unter der Haube arbeitete keine schöne Hemi-Maschine, sondern ein profaner 277-ci-V8. Das Fahrzeug, das innen original mit der Haut von ungeborenen Kälbern bezogen war (ja, Sie lesen richtig), ging zuerst in die Hände des für Exporte zuständigen Mannes in Kuba über, der aber einen sehr unvermittelten Tod starb (ja, es waren wilde Zeiten in Kuba, damals). Irgendwann tauchte der Plainsman als Rechtslenker in Australien auf, kam dann nach Kalifornien und wurde wieder zurückgebaut – und sucht seit Jahren auf verschiedenen Auktionen nach einem Daheim, wo er in endlich in Ruhe gelassen wird.

Was wir in dieser Serie schon hatten:

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