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Opel Ampera-e

Sitzprobe, motorisiert

Wie oft wir selber schon geschrieben haben, dass sie es jetzt endlich wissen wollen bei Opel, dass sie jetzt endlich durchstarten in Rüsselsheim, das können wir selber nicht mehr zählen. Die Zahlen für 2016 sind zwar anständig, plus 5,2 Prozent in den ersten neun Monaten, aber: sie könnten halt schon noch besser sein. Und deshalb: 7 in 17. Das heisst: 2017 wird Opel gleich sieben neue Modelle raushauen. Gut, drei davon sind Insignia, der Grand Sport (die bisherige Limousine), der Sports Tourer und der Country Tourer. Und ein Ding ist so ein wohnlicheres Nutzfahrzeug. Und dann gibt es zwei SUV, eines im B-Segment, das andere im C-Segment, beide in Zusammenarbeit mit Peugeot. Und die dürften dann tatsächlich für die erhofften Zuwächse sorgen.

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Und dann ist da noch der Ampera-e. Auf dem Pariser Salon, kürzlich, wurde er erstmals gezeigt – und dabei auch die Hoffnung ausgesprochen, dass der Chevrolet Bolt, äh, der Opel Amera-e endlich den nötigen Schwung in die Elektro-Branche bringt. Der Ansatz ist, unserer bescheidenen Meinung nach, der richtige – ein ganz adrettes Fahrzeug zu einem (wahrscheinlich) vernünftigen Preis mit einer grossen Reichweite. So rein theoretisch gibt es in Anbetracht des Opel Ampera-e eigentlich keinen Grund mehr, den die Kundschaft vom Kauf eines E-Autos abhalten könnte. Und so reiste «radical» nach Rüsselsheim, um sich den Wagen einmal ein bisschen genauer zu betrachten.

Es gibt ja noch so manche Spielart, wie die Hersteller ihre neuen Produkte vorstellen. Eine der wunderlichsten, von der (deutschen) Fachpresse aber gerne wahrgenommen, ist die Sitzprobe. Eine solche ermöglichte Opel nun auch beim Ampera-e, aber immerhin mit einer interessanten Erweiterung: der Wagen fuhr. Der Berichterstatter durfte hinten und später sogar noch auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Grossartig – eine ganz neue Sichtweise. Für die uns die Begeisterung allerdings etwas abgeht.

Von der Beifahrerseite sei berichtet: es fehlt nicht an Raum im Ampera-e – aber so ein bisschen an Ellenbogenfreiheit. Der 4,17 Meter lange Opel ist nur 1,76 Meter breit, und so hat man zwar reichlich Platz für die Knie, sitzt aber sonst eher eng beisammen; zu fünft reist man wohl besser nur ins nächste Dorf. Ausser, es wird ein Passagier im Kofferraum verstaut, der für das Segment ganz anständige 381 Liter fasst (bei abgeklappten Rücksitzen sind es gar 1270 Liter). Berichtet werden kann auch noch, dass das Cockpit auch von der falschen Seite her betrachtet gut aufgeräumt wirkt, übersichtlich, mit gut integriertem Touchscreen – und dass der Beifahrersitz genügend Seitenhalt bietet, erfreulich bequem ist und wohl auch auf längeren Strecken nicht unangenehm. Hinten sitzt man zu zweit gut, viel Auflagefläche bieten die Sitze allerdings nicht.

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Nun, denn längere Strecken und ein E-Auto wie der Ampera-e wollten ja bislang nicht so recht zusammen kommen. Als Beifahrer auf einer knapp 30 Kilometer langen Strecke lässt sich nun auch nur schwerlich beurteilen, ob sich die so gern genannte «range fear» vom Opel geschlagen geben muss. Zwar weiss man, dass der Wagen gemäss der realitätsfernen NECD-Norm über 500 Kilometer weit kommen will, doch den Beweis kann man so vollkommen passiv auf dem Sitz rechts nicht erbringen. Sicher ist: die eingebaute Batterie mit ihren 60 kWh Kapazität ist ein grobes Teil, wie es das ausser bei Tesla bisher nicht gab. 460 Kilo schwer ist sie, wird quasi als zweiter Boden verbaut, sorgt damit für einen sehr tiefen Schwerpunkt – und, eben, eine gute Reichweite. Auch mit schwerem Fuss sollten sich 300 bis 350 Kilometer erreichen lassen – mehr schafft ein Bentayga ja auch nicht. Und das ist durchaus ein Argument, das für den Ampera-e spricht. Ach ja, eine News: es wird 8 Jahre oder 160’000 Kilometer Garantie geben auf die Batterie. Die sich über eine 50-kWh-Schnellladestation in einer halben Stunde wieder mit Strom für 150 Kilometer «auftanken» lässt; eine komplette Ladung an der Haushaltsteckdose dauert neun Stunden.

Auch als Beifahrer kriegt man gut mit, wie der Opel abgeht – 204 PS sind es, umgerechnet, und ein fettes Drehmoment von 360 Nm schon ab Leerlauf. Von der Ampel haut es den Opel grob weg, irgendwie logisch, er wurde ja auch hauptsächlich in den USA konstruiert, für die Ameriakner ist das ein wichtiger Wert, diese ersten 30 Meter. Doch das Durchzugsvermögen ist auch sehr beeindruckend, so von 80 auf 120 km/h, dem typischen Überholmanöver auf der Landstrasse (im Ausland, selbstverständlich), will er in 4,5 Sekunden marschieren. Das alles bei quasi vollkommener Ruhe – das ist unbedingt ein Punkt, der für alle E-Autos spricht (sowie bei emotionalerer Betrachtung: dagegen). Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei elektronisch begrenzten 150 km/h, über den Standardsprint von 0 auf 100 km/h will Opel – wie über so vieles anderes wie etwa das Gewicht – noch nichts erzählen.

Der Opel-Ingenieur hat als Fahrer viel Freude an den vielen Gimmicks, die der Ampera-e zu bieten hat, er plaudert über die Hotspots, die sich einrichten lassen, über OnStar, wie sich die Smartphones einbinden lassen. Er demonstriert den «Low»-Modus, der so heftig rekuperiert, dass es sich als unvorbereiteter Beifahrer anfühlt wie eine Vollbremsung, als er von Fahrpedal geht. Opel will uns das als «One Pedal Driving» verkaufen, wobei sich uns da der Sinn noch nicht erschlossen hat; vielleicht verstehen wir es dann, wenn wir dann selber an Lenkrad dürfen. Dort, also am Lenkrad, gibt es noch eine Regenerierungswippe, aber eben, was will man als Beifahrer dazu schon sagen?

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Später, im Gespräch mit Opel-Chef Karl-Thomas Neumann, tauchten dann selbstverständlich noch ein paar Fragen auf. Zum Beispiel: wann? Im Frühling 2017 sollten die ersten Fahrzeuge auf den Markt kommen. Oder: wieviel? Da schmunzelte Neumann nur. Aber wer mit etwa 40’000 Franken rechnet, der liegt sicher nicht falsch. Die Einführung wird nicht auf allen Märkten gleichzeitig stattfinden, ob die Schweiz da Priorität hat, ist wohl eher fraglich. Doch Opel will mit dem Ampera-e deutlich erfolgreicher sein als mit dem Vorgänger, von dem Neumann sagt: «Der war einfach zu früh.» Hoffentlich muss er das in fünf Jahren vom Amera-e nicht auch sagen – der Amerikaner, der jetzt auch ein Deutscher ist, hätte ein schöneres Leben verdient als der Ampera, der auch ein Volt war. Für die ganz grossen Zuwachszahlen, die Neumann so gerne hätte, die Opel irgendwie auch verdient hätte, wird das E-Auto aber wohl vorerst noch nicht sorgen können.

Mehr Opel haben wir in unserem Archiv.

6 Kommentare

  1. Fritz! Fritz!

    „Die sich über eine 50-kWh-Schnellladestation in einer halben Stunde wieder mit Strom für 150 Kilometer «auftanken» lässt; eine komplette Ladung an der Haushaltsteckdose dauert neun Stunden.“

    Da hat Ihnen Ople leider Mist erzählt, der Bolt wie auch der Ampera E können nur einphasig geladen werden (mit Wechselstrom), was dank des Verbotes der Schieflast in Deutschland maximal 16 Ampere (also 3,6 kW) bedeutet. An einer Haushaltssteckdose (Schuko) dürfen nur 10 Ampere Dauerstrom gezogen werden, was 2,3 kW bedeutet.

    Bei 60 kWh Akkukapazität bedeutet das an der Haushaltssteckdoes (2,3 kW) also 26 Stunden, an einer blauen CEE-Steckdose (3,6 kW) immer noch 17 Stunden, bis der Akku voll ist.

    Warum macht Opel sowas? Ein an sich richtig gutes Auto mit so einem Mist absichtlich schlecht machen? Tesla, Renault und inzwischen auch BMW können alle drei-phasifg alden, also mindestens 11 kW (bei 16 Ampere) oder teilweise sogar 22 kW. Ist für mich wahrscheinlich das KO-Argument gegen den Ampera-E.

    Schade…

    • Peter Ruch Peter Ruch

      es soll aber eine Gleichstorm-Ladestation angeboten werden, wurde uns erzählt.

  2. Kraftwerk Kraftwerk

    Im Gegensatz zum Ampera wird es beim AMPERA-e sicher nicht heißen, dass er zu früh war. Es wird heißen, dass er zu langsam war (beim AC-Laden).

    In meinen Augen wäre der Neue das perfekte Fahrzeug, Form, Funktion, Innenraum, Batterie, Reichweite/vollgeladene Batterie. Wehe, diese ist leer gefahren und ein DC-Lader steht nicht unmittelbar bereit, dann kannst Du Dich erst mal schlafen legen. Die Schieflastgrenze wird von derzeit 4,6kW auf demnächst 3,6kW abgesenkt werden. Damit reicht die Zeit nicht, um über Nacht an der heimischen Ladebox den Wagen aufzuladen. Szenario: Donnerstag Abend nach Pendlermodus von der Arbeit mit fast leerer Batterie zurück, gegen 19 Uhr. Freitag in das verlängerte Wochenende starten wollen, 8 Uhr morgens. Nach 11 Stunden Ziehen von Lebenssaft aus der Ladebox ist der Hunger nicht gestillt. Schade. Da konnte sich Opel gegen die amerikanische Einphasen-Übermacht nicht durchsetzen. Daher wird der AMPERA-e vorerst für mich nur B-Ware bleiben. Schade, auch wenn er sonst in allen Punkten gefällt.

    @Peter Ruch: Eine Gleichstrom-Ladestation für das heimische Umfeld? Will das Opel subventionieren? Sowas gibt es nicht für unter 10k Euro. Das ginge wesentlich unaufwändiger: 3-Phasenlader rein und mit 11/22 kW laden. Das Stromnetz ist dafür vorgesehen, eine Wechselstrombox kostet um die 1k Euro.

    Der Sinn des «One Pedal Driving»? Das versteht man erst dann, wenn man selbst gefahren ist bzw. in Physik aufgepasst hat. Ich fahre seit drei Jahren den „erfolglosen“ Vorgänger nur im «One Pedal Driving»; höchstmögliche Energierückgewinnung und die Bremsanlage ist fast so jungfräulich, wie am ersten Tag! Daher wird der Ampera noch ein „paar Tage“ länger halten müssen, bis wieder ein Amerikaner kommt, dann aber mit einem „T“ auf der Front und dem Lenkrad und am Heck mit einer „3“.

  3. Johannes Johannes

    Den Ein-Pedal-Modus konnte ich schon einmal in einem Kangoo Z.E. ausprobieren – nach einer Eingewöhnungsphase war das tatsächlich recht komfortabel und erfrischend im Stop-and-Go. Wenn man sich darauf einlässt, erleichtert es das vorausschauende Fahren.

  4. […] zukünftigen Strategie und den weiteren Neuheiten von Opel im Jahr 2017 geschrieben haben; gibt es hier. Von einer teilweisen Elektrifizierung des Insignia wollen die Rüsselsheimer aber nichts wissen, […]

    • Kraftwerk Kraftwerk

      Das mit dem Nichtswissenwollen von Teilelektrifizierung kann ich verstehen. PlugIn Habride sind ja auch nur ne Uebergangsloesung. Dann gibt es eben einen rein Elektrischen.

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