Zurück zum Content

Fahrbericht Audi Sport quattro

Kurzes Vergnügen

Zwar tut Audi gerne so, als ob man in Ingolstadt den Allradantrieb erfunden hätte und deshalb jetzt die ganze Welt «home of quattro» sein muss. Es war dem bekanntlich nicht so, es gab andere Hersteller, bei denen wurden schon alle Räder angetrieben, da gab es Audi in der heutigen Form noch gar nicht. Aber wir wollen und können Audi auf jeden Fall zugestehen, dass mit dem quattro-Allradantrieb, wie er ab Frühling 1980 beim Ur-Quattro verbaut wurde, auf jeden Fall ein Ausrufezeichen gesetzt werden konnte, eines, von dem die Marke bis heute so ein bisserl zehrt.

Es geht die Legende, dass der damalige Audi-Versuchsleiter Jörg Bensinger 1977 an den damaligen Audi-Entwicklungsvorstand Ferdinand Piëch berichtet habe, dass bei Schneetests in Skandinavien ein allradgetriebener VW Iltis auf Schnee allen Audi um die Ohren gefahren sei. Er überzeugte Piëch, auf Basis eines Audi 80 einen Prototypen bauen zu dürfen mit einem Fünfzylinder-Turbo und, eben, Allradantrieb. Schon im Frühling 1978 war Bensinger so weit, der 160 PS starke Prototyp wurde dem VW-Vorstand vorgeführt – und erklomm eine Steigung, welche die VW mit Winterreifen und Schneeketten kaum schafften, problemlos. Mit Sommerreifen. Dieses Spielchen mit den Sommerreifen wiederholten die Audi-Entwickler so lange, bis der Vorstand grünes Licht gab – und auch erste Journalisten in den höchsten Tönen schwärmten, etwa ewige Paul Frère. 1980 wurde der Audi quattro dann auf dem Genfer Salon der Welt-Öffentlichkeit vorgestellt. Die ersten quattro verfügten über einen 200 PS starken 2,1-Liter-Reihen-Fünfzylinder – und den permanenten Vierradantrieb mit mittlerer und hinterer Differenzialsperre. Bis zum Modelljahr 1981 konnte man beide Sperren manuell sowie unabhängig voneinander mit zwei Klauenkupplungen über Seilzüge schalten, und ab dem Baujahr 1982 bis einschließlich Baujahr 1987 konnte man beide oder nur die hintere Sperre manuell elektropneumatisch ein- und ausschalten.

Der quattro wurde im Laufe der Jahre weiter überarbeitet, sein Allradsystem wurde ab dem Modelljahr 1987 mit einem Torsen-Mittel-Differenzial noch weiter verfeinert; das hintere Differenzial blieb manuell elektropneumatisch schaltbar. Der Hubraum wurde 1987 auf 2,2 Liter erhöht, die 200 PS blieben. Bis 1991 wurden insgesamt 11’452 von diesen Ur-Quattro gebaut. Der Ur-Quattro, zwar schwer (etwa 1350 Kilo) und lang (4,40 Meter, um genau zu sein, und 1,72 Meter breit, und 1,34 Meter hoch) konnte sich schon ab 1981 auch als Sportgerät beweisen. 1981 stieg Audi in die Rallye-WM ein, 1982 gewann man bereits die Marken-Weltmeisterschaft, und 1983 schaffte Hannu Mikkola auch noch den Fahrertitel. Doch weil etwa Peugeot mit dem extra-scharfen 205 Turbo 16 aufrüstete, musste bei Audi auch ein heisseres Gerät her.

Der Plan war schnell klar: «der Kurze» sollte es richten. Er war klar auf das damals gültige Gruppe-B-Reglement ausgelegt, der Radstand wurde um 32 Zentimeter kürzer (noch 4,16 Meter Gesamtlänge dann), der Wagen auch breiter (1,79 Meter). Ausserdem gab es mehr Dampf unter der Haube, der 2,1-Liter-Fünfzylinder (mit noch 2140 ccm anstatt 2144 ccm) erhielt einen Vierventilkopf, es wurde am Druck geschraubt, und schon hatte man 306 PS und ein maximales Drehmoment von 350 Nm. Der Sport quattro wurde ab Herbst 1984 bis Mitte 1985 zum horrenden Preis von fast 200’000 D-Mark angeboten, 220 (oder 224, je nach Quelle; vier Stück sollen in Einzelteilen noch vorhanden sein, was eine mögliche Erklärung wäre) Stück wurden gebaut (200 wären nötig gewesen nach Gruppe-B-Reglement). Und schon hatte man ein Sportgerät, das sich gewaschen hatte.

Es entstand also der Sport quattro S1. Er wurde als so genanntes Evolutionsmodell ausschließlich für Rennzwecke in einer von der FIA geforderten Stückzahl von 20 Exemplaren produziert. Anfangs lief es gar nicht gut, der S1 war etwas unhandlich und hatte ein Problem mit den Temperaturen. Stig Blomquist wurde mit einem einzigen Sieg (Elfenbeinküste, sonst gar nicht das Terrain für die Audi) trotzdem Rallye-Weltmeister 1984 (auch die Marken-Weltmeisterschaft konnte eingefahren werden). Doch die Zeit arbeitete gegen den S1-quattro, 1985 gewann man keinen Blumentopf mehr (obwohl das Vieh bis zu 530 PS schaffte, dies bei 1090 Kilo Gewicht). Doch Audi liess nicht locker, entwickelte noch den E2 unter voller Ausnutzung des FIA-Reglements für Evolutionsversionen, doch nur Walter Röhrl konnte bei der San Remo 1985 noch einen WM-Lauf gewinnen. Röhrl prügelte dann E2 auch noch zu einem neuen Rekord im «Race to the Clouds» auf den Pikes Peak (1987), dies dann mit knapp 600 PS. Da war die Zeit der Gruppe-B-Monster aber schon abgelaufen.

Wir durften kürzlich. Zuerst beifahren bei Stig Blomquist im Sport quattro S1, jenem Rallye-Fahrzeug, mit dem Röhrl/Geistdörfer bei der Monte Carlo 1985 den 2. Rang erreicht hatten. 420 PS, 1050 Kilo – und dieses unnachahmliche Geräusch des Fünfzylinder-Turbo. Was wollen wir sagen? Der Rallye-Weltmeister von 1984 und 11fache WM-Lauf-Sieger ist unterdessen 71, er macht das schon gut, aber, äh, das haben wir schon deutlich wilder erlebt. Aber schön war es trotzdem.

Viel lustiger war dann die leider auch zu kurze Ausfahrt mit den Sport quattro, dem Kurzen. Ein spezielles Fahrzeug von «audi tradition», der vierte von sechs (bei Baur in Stuttgart) gebauten Prototypen, offiziell geboren am 1.12.1983. 306 PS, 1300 Kilo, wunderbar in Tornado-Rot lackiert. Innen: perfekt, wohl fast schöner als neu – und doch sieht das, mit Ausnahme des Lederinterieurs und der Sportsitze, aus wie einst in einem Golf (noch erstaunlich für ein Gefährt, das doch 200’000 Märker kostete). Schlüssel drehen, der Fünfzylinder erwacht zum Leben: dies Knurren ist eine Herrlichkeit. Das Getriebe ist ziemlich schwergängig, aber das ist ok, wir mögen das ja, wenn man noch etwas arbeiten darf. Zuerst eine Einführungsrunde, die Verhältnisse sind etwas schwierig, halb Asphalt, halt Schnee und Eis, es sind Spikes mit kurzen Nägeln montiert. Was man sofort merkt: er will bei Laune gehalten werden, der 2,1-Liter-Motor, unter 3000/min geht gar nix, dann kommt die Pracht aber mit Macht. Natürlich ist da der Respekt, und auch die Strassenverhältnisse machen es nicht einfacher – und dann geht er mir in der letzten Kurve auch noch massiv hinten weg, der Kerl, vorne hat er Grip, hinten tanzt er im Schnee. Aber irgendwie geht es ja immer. Oder zumindest: meistens.

Zweite Runde, etwas mehr Mut, etwas mehr Vertrauen. Er geht schon gut, aber: mit einem S3, wahrscheinlich sogar mit einem S1 (Fahrbericht folgt) bist Du schneller. Es ist schon verrückt, welche Entwicklung die Fahrwerke in den vergangenen 30 Jahren gemacht haben, auch bei den Bremsen spürt man das Alter des Sport quattro. Dafür tönt er viel besser, viel ehrlicher als neumodische Zeugs. Über die Kuppe federt er massiv aus, hinten runter knallt er dann massiv in sich zusammen, es wird eng, sehr eng um die Pylonen, doch wenn man ihn auf Zug hat, dann ist er lieb. Geht man abrupt vom Gas, dann ist er gar nicht lieb. In der letzten Kurve darf er ganz bewusst raus in den Schnee, sanft einlenken, feste auf dem Pinsel bleiben, da kommt er dann schön hinten, so, wie man das gern hat, auch wenn alle Räder angetrieben sind. Nix ESP und sonstiges Elektro-Zeugs – Autofahren, wie wir das gerne mögen. Danke an «audi tradition», es war ein kurzes, aber schönes Vergnügen.

Mehr Audi haben wir in unserem Archiv.

Gib als erster einen Kommentar ab

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert