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Cadillac Series 62 Convertible

Die Besten, damals

Damals, als Amerika noch nicht «first» zu sein brauchte, sondern einfach der grösste Hersteller von Automobilen war und Cadillac das Aushängeschild, damals also gab es jedes Jahr ein Facelift an den Fahrzeugen – eines, das man tatsächlich auch als solches erkennen konnte, nicht so wie heute. Cadillac hatte in den 30er Jahren grossartige und auch schwierige Jahre hinter sich, die 16-Zylinder waren nicht der Erfolg, den man sich vorgestellt hatte. Und seit 1939 herrschte in Europa und Asien Krieg.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch General Motors Anfang der 40er Jahre etwas zurücksteckte. Und trotzdem: Schon fast radikal waren dann die Änderungen bei Cadillac für das Jahr 1941 – zum ersten Mal seit 15 Jahren hiess es wieder «Eine Marke, ein Motor». Der V16 und die La Salle verschwanden von der Angebotsliste. Weshalb der 16-Zylinder nicht mehr aufrecht erhalten wurde, das ist leicht verständlich und erklärbar: Seine Produktion lohnte sich schlicht und einfach nicht mehr, nicht einmal mehr aus Gründen des Prestige. Bei LaSalle waren die Gründe für die Aufgabe etwas komplexer: Die letzten LaSalle waren zu sehr Cadillac, sowohl technisch als auch im Preis. Dieser Preis war allerdings auch tief genug, dass die LaSalle mit den Buick konkurrieren konnten, die für General Motors im mittleren Preissegment die Kastanien aus dem Feuer holten. Zwar versuchten sich die härtesten Konkurrenten von Cadillac, Packard, Lincoln und neu auch Chrysler, ebenfalls in dieser mittleren Klasse, doch es war keine schlechte Strategie von Cadillac, sich voll und ganz auf das Luxussegment zu konzentrieren, wie sich schon wenig später zeigen sollte. Ausserdem bedeuteten die LaSalle trotz ihrer grossen Ähnlichkeit mit den Cadillac für die Ingenieure nur einen Mehraufwand an Arbeit, der nicht mehr vertretbar war, wenn man berücksichtigte, dass die Entwicklung und Produktion eines neuen Fahrzeugs immer komplizierter und aufwendiger wurde. So verliess am 26. August 1940 der letzte LaSalle die Fertigungshallen in Detroit – eine grosse Marke, die vor allem beim Design einige Meilensteine gesetzt hatte, war nicht mehr.

Dafür gab es sechs verschiedene Serien vom V8 mit 5,7 Litern Hubraum, der neu stolze 150 PS leistete. Die Series 60 Special, 61, 62, und 63 waren auf ein Chassis mit 320 Zentimetern Radstand aufgebaut, die Series 67 verfügte über einen Radstand von 353 Zentimeter, die Series 75 hatte einen Radstand von 345 Zentimetern. In Verbindung mit den neuen Übersetzungen 3,77 und 4,27 als Standard sowie einer speziell für den die Modelle mit kurzen Radstand angebotene 3,36-Übersetzung waren die Fahrzeuge nicht nur viel schneller (Höchstgeschwindigkeit immer über 160 km/h, 0 bis 96 km/h in 14 Sekunden, 0 bis 129 km/h in 23 Sekunden), sondern auch bedeutend sparsamer, vor allem wenn man sie mit den ersten, 1936 angebotenen Modellen mit dem damals frischen V8 vergleicht, bei denen nicht zu Unrecht ihr immenser Durst kritisiert worden war.

Und weil dieser hohe Verbrauch immer Anlass zum Runzeln der Stirn gegeben hatte, veröffentlichte Cadillac 1941 auch erstmals offizielle Verbrauchszahlen, die teilweise aber etwas optimistisch scheinen: Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 Meilen sollen es 10,6 Liter/100 km gewesen sein, bei 60 Meilen 15,5 Liter. Hätte man diesen Verbrauch bei einem Wagen gemessen, der mit der 1941 erstmals lieferbaren Klimaanlage ausgerüstet gewesen wäre, so wäre er mit Bestimmtheit einiges höher gelegen, denn diese erste «Air Conditioning» war ein Ärgernis sondergleichen. Rund 150 Kilo schwer, mit über das ganze Fahrzeug verteilten Einzelteilen, machte sie nicht nur einen gewaltigen Lärm, sondern zeigte auch kaum Wirkung und konnte nur ausgeschaltet werden, indem man den Motor ausmachte. Dass Cadillac ein solch untaugliches Gerät, von dem auch nur 300 Stück gegen Aufpreis verkauft werden konnte, überhaupt einbaute, lässt sich nur damit erklären, dass Packard schon 1940 eine Klimaanlage im Angebot hatte, hinter dem man nicht zurückstehen wollte. Allerdings war auch die Packard-Maschinerie keinen Deut besser. Im gleichen Jahr war für die Cadillac auch erstmals die «Hydramatic» zu kaufen – zwar viel besser durchdacht und ausgeführt als die Klimaanlage, aber auch auf jeden Fall noch stark verbesserungswürdig, war sie trotzdem die erste funktionierende Automatik auf dem Markt (wenn man einmal davon absieht, dass sie bei den Oldsmobile schon ein Jahr früher zu haben war).

Wenn man auf die Cadillac der Jahre 1938 bis 1941 zurückblickt, so darf man doch feststellen, dass sie sich stark von ihren Vorgängern unterschieden. Manchen Freunden der Marke war die revolutionären Änderungen im Design und die Elimination der Kosmetik zur Verschönerung der Motoren allerdings etwas gar heftig, man sprach von Verarmung und Gesichtsverlust, ein, selbstverständlich englischer, Kritiker ging gar soweit zu behaupten, dass Cadillac «allen Charakter verloren» habe. Doch ein anderer, erstaunlicherweise ebenfalls englischer, Automobilhistoriker kam der Sache mit folgender Aussage schon näher: «Vielleicht haben die Cadillac vor dem Krieg unter der Haube etwas bäurisch ausgesehen, doch sie waren defintiv und unwidersprechbar sehr feine Fahrzeuge, die ihre Arbeit hervorragend taten. (…) Vom technischen Standpunkt gesehen waren sie allererste Klasse. (…) Es gab in ihrer Zeit keine anderen Fahrzeuge, die ihnen in Sachen Fahrkomfort gerade bei schnellen Fahrten über schlechte Strassen auch nur einigermassen nahe kamen. Der Rolls-Royce Phantom III, der übrigens über eine in Lizenz von General Motors gebaute Vorderachse verfügte, mag über einen ähnlichen Fahrkomfort verfügt haben, doch er war in der Höchstgeschwindigkeit etwa 15 km/h langsamer. Ausserdem mochte man einem Rolls mit seiner wunderbaren, handgefertigten Karosserie solche Mühen gar nicht erst zumuten.»

Diese Vorkriegs-Cadillac darf man mit gutem Gewissen als moderne Fahrzeuge bezeichnen, verfügten sie doch über viele technische Details, die bei anderen Marken erst lange nach dem 2. Weltkrieg zum Standard wurden. Einen dieser Wagen zu fahren, das darf man auch heute noch als Erlebnis bezeichnen. Und verglichen mit ihren Konkurrenten waren sie schneller, beschleunigten besser, erlaubten höhere Reisegeschwindigkeiten bei einem niedrigeren Verbrauch, waren von höchster Qualität und erst noch sehr einfach zu fahren. Wenn man diese Punkte in Betracht zieht und dazu noch Zuverlässigkeit und Servicefreundlichkeit nicht vergisst, dann kann man die Fahrzeuge, die heute als «Klassiker» dieser Zeit gelten und für die hohe Preise bezahlt werden, getrost vergessen. Nur ein Konkurrent konnte mit den Cadillac mithalten: Die 1940 vorgestellten Packard Series 160 und 180. Diese Fahrzeuge konnten in fast jeder Beziehung den Vergleich mit den Cadillac aufnehmen, ausserdem sollen sie gemäss Aussagen von Packard-Ingenieuren sogar noch schneller gewesen sein.

Doch allein damit ist der Vorwurf des verlorenen Charakters noch nicht von der Hand gewiesen. Doch was bedeutet im Zusammenhang mit einem Automobil Charakter? Die Cadillac waren gemäss ihres Erfinders Henry Martyn Leland als praktische Autos gedacht – und praktisch waren die Cadillac dieser Jahre, ein schlichtes, klares Design, das sowohl beim Styling als auch bei der Technik auf jeden unnötigen Schnörkel verzichtete. Der V16 mag vielleicht den absoluten automobilen Gipfel dargestellt haben, doch die V8 der Jahre 1936 bis 1941 waren die Fahrzeuge, die den «Standard of the World» setzten – ganz im Sinne des Gründers von Cadillac, H.M. Leland.

Das hier gezeigte Fahrzeug, ein 41er Cadillac Series 62 Convertible, wurde uns von der Oldtimer Galerie in Toffen zur Verfügung gestellt. Das Cabriolet, seit Jahrzehnten in Schweizer Besitz, befindet sich in einem aussergewöhnlich guten Zustand; aufbereitet wurde es von V8Bros.com in Trimbach. Mehr Cadillac haben wir in unserem Archiv.

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