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Rapid Transit System

Früher war alles besser. Oder so.

Fast schon verzweifelt suchen die Hersteller heute nach neuen Möglichkeiten, ihre Produkte der potenziellen Kundschaft vorzustellen. Anscheinend sind ja die klassischen Messen nicht mehr gut genug, es müsste wahrscheinlich digitaler sein, damit der Controller hinter jeden Kundenkontakt eine Zahl hinter das Komma setzen kann. Dass der Auto-Kauf aber in erster Linie eine emotionale Entscheidung ist, geht in den überstrukturierten Köpfen der modernen Manager vergessen, auf das Automobil lassen sich nicht die gleichen auswendig gelernten Marketing-Lehren anwenden wie für Zahnbürsten oder Scheisshauspapier; der Mensch will das Objekt seiner Begierde sehen, hören, berühren. Kommt dazu, dass sicher auch eine Hemmschwelle besteht, die Anschaffung des Fahrzeugs rein rational mit einem Klick am Computer abzuschliessen. Doch das alles ist ja keine neue Problematik, schon immer haben die Hersteller nach neuen Wegen gesucht – und manchmal auch gefunden. Als schönes Beispiel darf das «Rapid Transit System» von Plymouth gelten.

Plymouth? Nein, gibt es nicht mehr, die von Chrysler 1928 ins Leben gerufene Billigmarke, die gegen Chevrolet und Ford antreten sollte, wurde 2001 von Daimler endgültig entsorgt. Plymouth war einmal gross, schaffte es viele Jahre lang auf den dritten Rang in der amerikanischen Verkaufsrangliste. Unter anderem auch 1971. Und das könnte daran gelegen haben, dass Plymouth 1970/71 mit dem «Rapid Transit System» viel Aufmerksamkeit erregt hatte. Es war eigentlich ganz einfach: Plymouth packte einige fröhliche, aussergewöhnliche Fahrzeug auf einen Laster – und fuhr damit durch die Vereinigten Staaten, von Händler zu Händler, von Stadt zu Stadt. Selbstverständlich, gezeigt wurden nicht einfach nur die Serien-Produkte mit den schwächsten Maschinen, sondern halt die heissesten Teile, GTX, Road Runner, Sport Fury GT, Cuda, Duster 340. Und es wurden für RTS einige schräge Teile zusammengebastelt (ein paar davon zeigen wir weiter unten) – es ging ja darum zu zeigen, was die Kunden aus ihren Plymouth machen konnten. Dazu gab es noch alles, was so eine «Road Show» halt braucht, eigene Broschüren, Aufkleber, Poster, T-Shirts – die heute alle hohen Sammlerwert haben. Und nein, erfunden hat Plymouth das alles nicht, Vorbild war eine ähnliche Tour von Dodge im Jahr 1968, bekannt als «Scat Pack».

Aber es waren halt gute Zeiten – auch für die Werbung:

Bei www.mecum.com wurde vom 14. bis 19. Mai 2019 in Indianapolis die Sammlung von Steven Juliano versteigert. Da kamen neben vier wunderbaren Cobra und dem wahnsinnigen Cheetah, den wir erst kürzlich vorgestellt hatten, auch drei Plymouth unter den Hammer, die 1970/71 Teil des «Rapid Transit System» waren. Wir beginnen mit dem 70er Plymouth Hemi Road Runner Rapid Transit, der der einzige Hemi! war im «Rapid Transit System». Und ein grobes Teil, das vor allem hinten schon ziemlich anders aussehen durfte als die klassischen Road Runner. Es ging Plymouth ja auch darum, Anbau-Teile verkaufen zu können – das war Jahrzehnte, bevor Mercedes und AMG auf ähnliche Ideen kamen…

Sehr speziell auch der 71er Road Runner Rapid Transit, der eine neue Front erhielt. Und auch hinten ganz anders aussah. Aber halt keinen Hemi! unter der Haube hatte, sondern nur den 383er. Man beachte auch die Lampen vorne und hinten – und die Felgen. Und die dreidimensionalen «Road Runner», die dem Wagen den Übernamen «Chicken Head» eintrugen.

Und dann ist da noch der Duster Rapid Transit. Diese Duster war so ein bisschen ein «Schläfer», eines der günstigsten Produkte im Angebot von Plymouth, aber mit dem 340-ci-Motor mit 4fach-Vergaser halt schon auch ein «muscle car». Es war dies das einzige Fahrzeug, das sowohl 1970 wie auch 1971 Teil des «Rapid Transit System» war.

Ein Fahrzeug fand Juliano aber nie, obwohl es einer der Höhepunkte der Road-Show gewesen war: den Plymouth Cuda 440, der vom legendären Chuck Miller gebaut und von Harry Bradley gestaltet worden war. Bradley wurde später zum Erfinder der «Hot Wheels»-Modellautos; Chuck Miller ist eine der grossen Legenden bei den Hot Rods und «customized cars». Die dritte Generation der Plymouth Barracuda war 1970 auf den Markt gekommen; die Versionen mit den bösen Maschinen wurden nur als «Cuda» bezeichnet. Und böse waren sie wirklich, da gab es entweder den 426er-Hemi (7 Liter Hubraum) oder dann 440-6er (7,2 Liter, Sechsfachvergaser). Der spezielle Cuda hier verfügt über den grösseren (und etwas schwächeren) Motor – und ganz viele handgefertigte Anbauteile, die es an den Serien-Produkten nie gab. Er blieb ein Einzelstück, auch wenn sein Design grossen Einfluss nicht nur auf die Plymouth-Designer hatte. Der Plymouth Cuda 440 verschwand nach dem «Rapid Transit System» von 1970. Und niemand wusste, wo er war. Kürzlich tauchte er wieder auf – in zu fast 100 Prozent originalem Zustand. Sogar Broschüren vom «Rapid Transit System» fanden sich noch in seinem Kofferraum. Die Geschichte bleibt geheimnisvoll, auch Mecum will nicht mitteilen, wo das Fahrzeug gefunden wurde. Es wird aber aber auf der Auktion in Indianapolis vom 12. bis 20. Mai 2023 versteigert, zusammen mit einem weiteren legendären Fahrzeug.

Mehr schöne Amerikaner gibt es immer in unserem Archiv.

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