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Seltene Corvette

Details…

Man könnte es zu einem Hobby machen: die Suche nach den besonders seltenen Corvette. Natürlich ist das kein einfaches Thema, denn vieles ist ja so wie im richtigen Leben: relativ. Man wird sicher immer ein Exemplar eines Jahrgangs finden, das ein Einzelstück ist, eine spezielle Motorisierung kombiniert mit einer aussergewöhnlicher Farbgebung innen wie aussen. Doch darum soll es hier nicht (oder vielleicht besser: nicht nur) gehen – wir suchen schon jene wirklich aussergewöhnlichen Exemplare, die ein bisschen mehr zu bieten haben, wirklich speziell sind – und damit auch so richtig wertvoll. Ja, es ist dies wieder einmal eine Form einer Sammlung, ein weiteres «never ending project» – und gleichzeitig spannend, denn es kommen hier einige höchste interessante Fahrzeuge aus der Corvette-Geschichte zusammen.

Die Einzelstücke:

Und trotzdem, oder gerade deswegen und vielleicht auch deshalb beginnen wir mit zwei Einzelstücken, die technisch nicht wirklich herausragend waren, aber optisch, in Sachen Design wirklich – wichtig. Es handelt sich dabei um die beiden Fahrzeuge, die einst den beiden GM-Design-Königen Harley Earl und Bill Mitchell gehört hatten. Beginnen wollen wir mit Shop Order 10323, einem 63er Convertible, das an Harley Earl nach seiner Pensionierung an seine Adresse in Palm Beach, Florida, ausgeliefert wurde. Es ist dies ein interessantes Fahrzeug, zwar ein 63er-Modell, das aber schon manche Teile trug, die erst mit dem Jahrgang 1965 in Serie gingen, zum Beispiel die Scheiben-Bremsen. Doch es geht ja vor allem um Optik bei einem (ehemaligen) Chef-Designer (1936 bis 1963), deshalb ist die Farbe aussergewöhnlich, auch das Interieur – und am offensichtlichsten die Side-Pipes, über die insgesamt nur gerade vier Corvette verfügten. Angetrieben wurde das Earl-Cabrio von einem 327er, auf Wunsch der Design-Legende allerdings mit Vergasern anstatt der Einspritzung. Und eine Klimaanlage gab es auch noch. Und die Instrument sahen ganz anders aus, eine Anordnung, wie es sie nie wieder geben sollte.

Auch die 64er Vette, die einst dem Nachfolger von Harley Earl, Bill Mitchell, gehörte, ist selbstverständlich ein Einzelstück. Sie ist allerdings nicht ganz so speziell wie das gute Stück von Earl, sicher auch deshalb nicht, weil Mitchell nicht so sehr der Show-Man war. Gut zu erkennen ist, zumindest vom Auskennen, das Fehlen der vorderen Ausstellfenster – etwas, was erst 1968 in die Serie einfloss. Innen hingegen ist die Mitchell-Corvette vom Feinsten, sogar der Aschenbecher wurde mit Leder überzogen, genau so wie die Gurtenschlösser (was unterdessen Mode geworden ist). Im Gegensatz zu Earl erhielt Mitchell auch einen aussergewöhnlichen Antrieb, der Small-Block wurde kombiniert mit einer 3-Gang-Turbo-Hydra-Matic (in Serie erst 1968). Die beiden Corvette der GM-Design-Legenden werden übrigens www.mecum.com in Kissimmee (Auktionen vom 3. bis 13. Januar 2019, 3500 Fahrzeuge kommen unter den Hammer) versteigert – es gibt sie nur gemeinsam.

Von 2 bis 25 Stück:

Es ist ja so eine Sache mit diesen (Geheim-)Codes bei den Corvette. Wenn es wirklich speziell war, dann hatten die Fahrzeuge irgendwo ein Z, Z06 (1963), ZL1 (1969, mit dem L88-Motor), ZR1. Da haben wir doch ein schönes Exemplare einer ZL1 (unten) mit der Geschichte dazu: hier.

Und hier haben wir es nun zu tun mit einem ZR2, davon wurden 1970 nur gerade 12 Stück gebaut, 10 Coupé und zwei Cabrios. ZR2 bedeutete: der LS6-Motor (454 ci/425 hp), eine verstärkte Kupplung, die manuelle 4-Gang-Schaltung (M22, besser bekannt als «Rock Crusher»), die scharfen Bremsen (J52), das Heavy-Duty-Fahrwerk mit speziellen Federn (F41), ein grösserer Kühler. Auch wichtig: bei ZR2 war es nicht möglich, ein Radio, eine Klimaanlage oder eine Servolenkung zu bestellen, er war also etwas für die bösen Buben. Und wohl deshalb gab es auch nur gerade zwei offene Exemplare, von denen wir hier eines geschlossen sehen.

Selbstverständlich haben wir das alles auch noch mehr oder weniger geschlossen. Diese ZR2, Chassis-Nummer 194371S113473, wurde von Anatoly «Toly» Arutunoff bestellt und nach Sizilien verschifft, wo «Toly» zusammen mit Charles Lucas die Targa Florio bestreiten wollte. Bloss, die Corvette verfügte nicht über einen Überrollbügel, durfte also nicht starten – also verkaufte Arutunoff das Fahrzeug noch auf Sizilien an Lucas. Der wollte damit zurückfahren nach England, hatte aber in Süditalien einen groben Motorschaden.

Die L88:

Zwar haben wir schon einmal etwas geschrieben über die L88, hier, doch wir wollen hier noch etwas mehr ins Detail gehen. Denn die L88 sind nicht nur so etwas wie der heilige Gral unter den Corvette, die ganze Geschichte ist auch ziemlich spannend. Erhältlich waren sie, so halb offiziell, zwischen 1967 und 1969, doch die ersten ausgelieferten Fahrzeuge gab es bereits 1966 – wobei niemand weiss, wie viele Exemplare in jenem Jahr gebaut wurden. Ein gutes Stück ist aber berühmt, die so genannte «Penske Corvette», die 1966 bei den 24 Stunden von Daytona ihre Klasse mit 183 Meilen Vorsprung gewann und den 12. Gesamtrang erreichte. Offiziell verfügte sie über einen L72-Motor, doch Corvette-Legende Zora Arkus-Duntov hatte da noch ein paar Zückerchen mitgeliefert, eine Verdichtung von 12,5:1, eine scharfe Kurbelwelle, 850er-Holley-Vergaser und so weiter; das Ding ging in Daytona anscheinend 190 Meilen schnell. Das wären dann 306 km/h für ein Automobil, das auf eigener Achse von St. Louis nach Florida fuhr. Leider haben wir von diesem Fahrzeug keine Bilder, obwohl es noch existiert.

1967 gab es dann, auf Basis der letzten C2-Vetten (Sting Ray), ein Package mit der Bezeichnung L88; RPO bedeutet «regular production option». Darin inbegriffen waren, zusammen mit den oben schon erwähnten Verbesserungen, der 427er-Motor mit dem 4-Gang-Getriebe (M22), den Scheibenbremsen (J56/J50), dem verstärkten Fahrwerk (F41), der Renn-Zündung (K66). Es gab dafür keine Klimaanlage, kein Radio, keine Servolenkung. Es entstanden genau 20 Exemplare, die meisten standen im Renneinsatz, doch es gab auch einige wenige, die wurden ganz zivil gefahren. Offiziell hatten diese Geräte 425 PS, doch es waren wohl: mehr. Viel mehr, es heisst: 560. Und sie gehören zu den teuersten Corvette überhaupt, unter eine Million Dollar geht schon seit einem Jahrzehnt nichts mehr. Dieses gute Stück unten, es hiess damals, es sei das erste serienmässig produzierte Exemplar, wurde schon 2007 von RM Sotheby’s zu einem Schätzpreis von 1’75 bis 2 Millionen angeboten, dann aber nicht verkauft.

1968 und 1969 gab es dann weiterhin dieses L88-Package, jetzt aber auf Basis der C3-Vette (Coke Bottle). 1968 waren es 80 Exemplare, 1969 dann 116 Stück (einige davon sogar mit der 3-Gang-Automatik). Diese Fahrzeuge wurden hauptsächlich als Strassen-Fahrzeuge ausgeliefert, obwohl sie auf der Rennstrecke weiterhin mehr als nur konkurrenzfähig waren. Kleine Anekdote am Rande: Die L88-Corvette traten 1967 erstmals in Le Mans an, ein quasi serienmässiges Fahrzeug führte die GT-Klasse bis zur 12 Stunden an, musste dann aber aufgeben. Auch in der Folge gewannen die Vetten nichts in der Sarthe. 1972 meldete NART, das amerikanische Ferrari-Team unter Luigi Chinetti, einen L88 als Ferrari beim 24-Stunden-Rennen an – und durfte dann doch nicht antreten, weil die Ferrari in jenem Jahr gar nicht erst antrat. 1973 fuhr genau diese Vette dann doch, qualifizierte sich zwar nur auf dem 53. Rang, hatte sich bis 5 Uhr in der Früh aber auf dem 8. Gesamtrang vorgearbeitet, um dann nach Motoren-Problemen noch auf den 15. Platz zurückzufallen. Wohlgemerkt: der Wagen war da bereits fünf Jahre alt. 1972 hatte genau dieses Fahrzeug, bekannt als RED/NART, bei den 12 Stunden von Sebring den Klassensieg und den 4. Rang insgesamt geschafft. Man sehe ihn hier:

Ja, wir haben noch ein paar davon. Zuerst einmal die zwei Exemplare, die von www.mecum.com im Januar 2019 in Kissimmee versteigert werden – es gibt sie nur gemeinsam.

Wir hatten es weiter oben schon geschrieben, es gab von den L88 auch einige wenige Exemplare mit der 3-Gang-Automatik (17, um genau zu sein). Was irgendwie gar nicht zum Charakter dieses Viehs passte. Aber weil wir hier ja «seltene Corvette» zum Thema haben, müssen wir schon auch ein solches Stück zeigen; dieses hier ist berühmt als «Automaticaly Yours».

ZR1 ist ja auch heute noch eine Bezeichnung, die Chevrolet für die Corvette hochhält. Für den Jahrgang 1970 wurde diese Option als RPO ZR1 Special Purpose Engine Package angeboten und kostete einen Aufpreis von 1010,50 Dollar. Inbegriffen waren neben dem LT1-Motor (small-block, 350 cubic inch, 370 PS) das manuelle «heavy duty»-4-Gang-Getriebe, bessere Bremsen, ein Alu-Kühler und ein massiv sportlicher abgestimmtes Fahrwerk. Dafür gab es kein Radio, keine elektrischen Fensterheber, keine Servolenkung, keine Klimaanlage und auch keine Heckscheibenheizung. Insgesamt wurden weniger als 60 Exemplare dieser ZR1 gebaut, von den Convertibles gab es nur 25 Stück.

26 bis – halt mehr Exemplare

1957 erhielt die Corvette endlich: Muskeln. Der Hubraum des Achtzylinders stieg auf 283 cubic inch, also 4,6 Liter, und es gab jetzt 220 PS bei 4800/min als Standard. Mit den zwei Vierfach-Vergasern waren es 245 PS oder sogar 270 PS. Doch nicht diese für die Amerikaner so typische Erhöhung des Hubraums war aussergewöhnlich, sondern die gegen Aufpreis erhältliche Benzineinspritzung, genannt Ramjet. Eingespritzt gab es mindestens 250 PS, und die schärfere Variante kam auf 283 PS. 283 cubic inch, 283 Pferde, das war in jenen Jahren eine grobe Ansage, die auch von der Chevrolet-Werbung heftig genutzt wurde. Dabei gab es ab Werk eine 4,56:1-Untersetzung, und das ist dann sehr kurz. Und, natürlich wieder gegen Aufpreis (48 Dollar), gab es auch noch ein Sperrdifferential, «Positraction», die dabei half, die Kraft auch auf den Boden zu bringen. Es gab aber vor allem noch eine weitere Option: 579E («nur» der 283-PS-Motor war 579B). Diese kostete dann stolze 726,30 Dollar, und sie beinhaltete neben der stärksten «Ramjet»-Variante einen auf der Lenksäule montierten Tacho sowie die so genannte Airbox. Man liest die unterschiedlichsten Dinge über dies Ding, vor allem, dass die auf den Kotflügeln angebrachten Lufteinlässe gar nicht angeschlossen waren. Doch sie sind es, und sind bringen tatsächlich einen frischen Wind ins Luftfilter. Diese Maschine drehte bis 6200/min (der Drehzahlmesser reichte sogar bis 8000/min) – und Chevrolet weigerte sich tatsächlich, in den 579E eine Heizung (Option 101, 118 Dollar) zu installieren, denn Rennwagen brauchen solches Zeugs nicht. Und weil es eben Rennwagen waren, hatte quasi alle auch noch das «Heavy Duty Racing Suspension Package» (RPO 684), das unter anderem auch stärkere Bremsen («big brakes») beinhaltete. Nur 43 «Airboxes» sollen gebaut worden sein. Und sie waren tatsächlich konkurrenztauglich auf der Rennstrecke, 1957 erreichten sie in Sebring in der GT-Klasse einen Doppelsieg. Wir zeigen hier eines der 22 noch existierenden Exemplare, Serien-Nummer 4007.

Selbstverständlich denkt man bei bösen Corvette gerne an mächtige Motoren. Doch so eine 427er-Maschine hatte halt auch viel Gewicht – und so gilt ein «small block» als wahrscheinlich schärfste Corvette überhaupt. Das magische Kürzel heisst RPO Z06 und ist ein 327er-Motor mit der Rochester-Einspritzung, der es offiziell auf 360 PS brachte. Doch das Special Performance Equipment mit der kurzen Übersetzung für das manuelle 4-Gang-Getriebe, dem «heavy duty»-Fahrwerk – und vor allem den besten (Scheiben-)Bremsen, die es damals gab. 199 Z06 wurden 1963 gebaut – und nur 63 davon hatten den 36-Galonen-Tank, über den dieses Exemplar hier verfügt. Das auch sonst ein ganz spezielle Geschichte hat: 51 Jahre soll es ungebraucht in der Scheune gestanden haben, also «barn find»…

Wir haben hier noch einen «Big Tank»-Z06, kommt Anfang 2020 bei RM Sotheby’s in Arizona unter den Hammer, erwartet wird mindestens eine halbe Million Dollar.

Wie versprochen: da kommt dann noch mehr, es ist dies eine weitere Ergänzung von «Unsere Sammlung». Einige andere Corvette gibt es auch schon in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. Bruno Schnüriger Bruno Schnüriger

    Super interessante Infos für einen C3 Besitzer, und auch für Liebhaber dieser Kultfahrzeuge.

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