Das Puzzle
Carl Jurisch, geboren wahrscheinlich 1904, war ein begabter Ingenieur. Und ein ganz anständiger Motorrad-Rennfahrer, der es sogar zu einiger Berühmtheit brachte. Im Alter von 23 Jahren konstruierte er einen wassergekühlten Vierzylinder-Zweitakt-Motor mit Aufladung, der zehn Jahre später von DKW ziemlich schamlos kopiert wurde. Zwei Jahre vorher hatte er für den Eigengebrauch schon eine 350er-Vierzylinder-Maschine gebaut mit einer Teleskop-Gabel. In den 30er Jahren konstruierte er dann eine aussergewöhnliche, wieder teleskopische Hinterradaufhängung für Motorräder, die er bis in die 50er Jahre ziemlich gut verkaufen konnte. Sogar Yamaha bediente sich an seiner Erfindung, die erste RT125 war mit der Jurisch-Erfindung ausgestattet (das heisst: die RT125 war ja eigentlich eine «gestohlene» DKW, und DKW hatte sich vorab schon bei Jurisch bedient).
Doch in den 50er Jahren hatte Jurisch das Gefühl, dass die Zukunft mehr bei den Automobilen liegen würde – und er konstruierte ein Dreirad, das er Motoplan nannte. Basis für sein Fahrzeug war ein Steib S250-Seitenwagen, vorne baute er die Frontscheibe und die Aufhängung eines Messerschmitt ein, den Motor übernahm er von der Heinkel Kabine (175 Kubik, ein Zylinder, 9,5 PS). Die Lenkung bestand aus zwei jeweils seitlich des Einzelsitzes angebrachten Rohren, die sich ziehen und stossen liessen – das Lenken soll etwas Gewöhnung gebraucht, doch spielend leicht funktioniert haben. Und relativ schnell war er auch, der kleine Motoplan: 80 km/h gingen locker. Es gab aber nur drei Räder.
Und genau das – sowie die Konstruktion als Einplätzer – dürfte das Problem des in Altdorf bei Nürnberg gebauten Jurisch Motoplan gewesen sein. 1957 gab es halt schon ziemlich anständige Kleinwagen mit entweder mehr Räder oder dann mehr Platz. Denn am Aussehen kann es nicht gelegen haben, dass der (oder: die?) Motoplan nicht zum Erfolg wurde, denn von all den Micro-Cars der 50er Jahre war der Jurisch sicher einer der hübschesten. Gebaut wurden schliesslich nur gerade drei Stück des nur gerade 2,2 Meter langen Zwergs.
Das hier gezeigte Exemplar hat eine spannende Geschichte hinter sich. Denn Jurisch versuchte sein Glück auch in den USA – naja, vielleicht nicht gerade die beste Idee, wenn man sich vor Augen hält, mit welchen Autos die Amerikaner Ende der 50er Jahre über die Highways kreuzten. Obwohl sich Joe Berliner, ein bekannter Motorrad- und Micro-Car-Händler in New York, der Sache annahm, wurde kein einziges Stück verkauft – und irgendwann verlor sich auch die Spur des Prototypen mit der Nummer 101. In den 70er Jahren fand ein bekannter Sammler den Jurisch in Florida, doch er erkannte ihn nicht, meinte, es sei ein Heinkel (clevere Folgerung, wenn man den Antrieb anschaut – und auch das Heck, eindeutig Heinkel). In den 90er Jahren wurde der Wagen dann restauriert – und erst kurz darauf fand jemand heraus, um was es sich bei diesem Gefährt denn überhaupt handelt. Erst da wurde die Geschichte von Jurisch auch wieder bekannt; ob die anderen zwei Exemplare noch existieren, das ist unbekannt.
Der Jurisch Motoplan wurde 2013 von RM Sotheby’s für stolze 103’500 Dollar versteigert. Mehr von diesen Microcars gibt es: hier.
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