Zurück zum Content

Fahrbericht Porsche 911 Carrera RSR 2.8

because racecar

Fabi muss es dann ausdiskutieren. Aber er fährt ja auch das auffälligste Fahrzeug unserer kleinen Gruppe, den 911 GT2 RS. Auch der gelbe 911 Carrera RS 2.7 (Chassis-Nummer #9113601548) leuchtet mehr als mein zwar verkleberter, aber ansonsten unauffällig silber-grauer Elfer. Zwar war er es, der dort im Tunnel bei Stuttgart ein bisschen Lärm gemacht hat, so ein bisschen viel mehr als der auch nicht bescheidene Carrera RS 2.7 und auch noch deutlich mehr als der GT2 RS. Es ist so: Wenn man im modernen und trotzdem alles andere als zurückhaltenden GT2 RS sitzt und doch massiv auf das Fahrpedal tritt, der Porsche 911 Carrera RSR 2.8 (Chassis-Nummer 9113600020, besser bekannt als R2) vorne fährt, dann hört man im GT2 RS drin den GT2 RS nicht mehr. Nun ja, es ist dann tatsächlich ein bisschen verständlich, dass die Rennleitung das nicht ganz so fröhlich empfindet wie unsereins, wenn man im Tunnel den R2 vom dritten in den zweiten Gang runterriegelt und mal kurz, wirklich nur kurz und natürlich immer im Rahmen der Geschwindigkeitsvorschriften so ein bisschen, also ja, es tönt halt noch nett. Es blieb in den zwei Tagen mit dieser heftigen Porsche-Fuhre glücklicherweise unsere einzige Begegnung mit den Gesetzeshütern – es stimmt also gar nicht, dass diese an allen Ecken rumstehen. War sicher besser so.

Vorher ist Vormittag und wir stehen hinter dem Porsche-Museum in Stuttgart. Der GT2 RS ist das Begleitfahrzeug, der gelbe Carrera RS 2.7 steht schon bereit und braucht auch keine weiteren Erklärungen. Ganz im Gegensatz zum RSR 2.8, der ja ein Rennwagen ist und eigentlich gar nicht gedacht für öffentliche Strassen (aber selbstverständlich über die entsprechende Zulassung verfügt, er will ja bewegt werden). Kuno Werner, Chefmechaniker des Museumswerkstatt und die Ruhe selbst und in seinem Metier ein ganz grosser Künstler, zeigt uns, wie es geht. Der Pilot muss eigentlich gar nichts, nur zünden; der Mechaniker, in diesem Fall meine handwerklich jetzt nur mässig begabte Wenigkeit, steht hinten und versucht mit ganz viel Fingerspitzengefühl und dem zweihändigen, überkreuzten Affengriff, die Einspritzpumpe dazu zu bewegen, jenen Lebensfunken zu erzeugen, der den Motor in Funktion setzt. «Wenn er warm ist, dann ist das alles kein Problem», sagt Kuno – und schafft es selbstverständlich beim ersten Versuch. Obwohl er warm ist, schaffe ich es selbstverständlich nicht beim ersten Versuch. Und beim vierten auch noch nicht; Kuno hat schon tiefe Furchen auf der Stirn, als es mir endlich gelingt. Und wie ist es, wenn er nicht warm ist, wage ich zu fragen. «Dann ist es viel schwieriger», sagt Kuno ganz trocken. Dann meint er auch noch: «Wenn er Dir absäuft, dann kriegst Du Ärger. Dann müssen wir nämlich kommen und ihn abschleppen.» Und schliesslich: «Wenn Du ihn abwürgst, dann kann das auch ziemlich mühsam werden. Also, dann müssen wir Dich wohl auch abholen kommen.» Danke.

Als ob ich nicht schon ein ganz grosses Pfund in der Hose hätte. Dass uns das Porsche-Museum seinen Carrera RS 2.7 für eine Ausfahrt zur Verfügung stellt, das ist ja schon ganz grosses Kino, das erlebt man jetzt auch nicht jeden Tag. Aber dass sie uns, ohne weitere Begleitung, auch noch einen Carrera RSR 2.8 mitgeben – Himmel. So richtig viele davon gibt es ja nun wirklich nicht (55, mehr dazu und überhaupt die ganze Geschichte und auch noch die technischen Daten gibt es: hier), aber dieser hier ist nicht irgendeiner, sondern R2, Tour de Corse 1972, Targa Florio und Le Mans 1973. In anderen Museen steht so ein Auto auf einem fünf Metern hohen Podest – und ich sitze jetzt hier grinsend neben dem Passat der Rennleitung, während Fabi dem Herrn wild gestikulierend erklärt, dass ich den Motor auf gar keinen Fall ausmachen kann, weil – siehe weiter oben. Der Schutzmann schüttelt nur den Kopf, als uns den Weg freimacht – der GT2 RS ist halt wirklich laut, sehr laut. Und sehr, sehr auffällig. Und riesig (RSR: 4,10 x 1,68 x 1,32; GT2 RS: 4,55 x 1,88 x 1,30 Meter – und 1545 Kilo). Und kein Sauger…

Schreiben wir es einmal so: der R2 wird nicht gerne photographiert. Mitzieher geht noch, aber nur schon das Drehen und Wenden geht in Richtung harte Arbeit; Servo ist für die anderen. Die knallharte Kupplung kommt oben, weit oben, und etwa 2500/min braucht man da schon, sonst verschluckt er sich. Blöd rumstehen will er auch nicht, er sieht sich eindeutig als Fahr-Zeug. Und als er dann in den sehr heiligen Hallen in Weissach, wo er vor bald 50 Jahren erdacht und entwickelt wurde, ganz profan in eine Ecke gestellt wird und rumgeschupst und einfach nur hübsch aussehen soll, da quittiert er den darauf folgenden Neustartversuch mit seiner ganz privaten Form von Verweigerung. Nachdem ich etwa zum 27. Mal gesagt habe, also jetzt noch ein allerletzter Versuch, sonst müssen wir Kuno anrufen, und das gibt Ärger, kommt er dann doch noch. Doch nicht. Noch einmal, wirklich nur noch einmal, der Schweiss steht uns allen schon längst auf der Stirn und staut sich unter den Armen im Hemd, der Photograph hat unterdessen eine komplette Produktion vom GT2 RS und #1548 erstellt, da hustet er sich plötzlich frei (also: nicht der Photograph). Und röhrt so im Sinne von: das macht ihr aber nie wieder, klar?

Fredy will jetzt noch in die Stadt rein zum Photographieren, Tobi hat irgendwo sein Handy versemmelt, ich muss mich beim Vermieter der AirBnB-Wohnung melden, irgendwo im Feierabendverkehr verlieren wir uns. Und so suche ich halt ohne Navi, in ständiger Angst, dass er am Rotlicht nicht mehr will, oder zu heiss wird (genau – luftgekühlt…), oder mir einer reinknallt. Doch irgendwann werde ich lockerer, lasse alle und alles am Rotlicht stehen (wahrscheinlich erschrecken sie einfach, weil der Porsche so laut ist), fliesse durch Verkehr und Gassen, mit dem fiesesten Grinsen der Welt. Irgendwie schon heldenhaft, mit dem Rennwagen in der Stadt. Viel zu früh, für mein Gefühl, finde ich die Adresse – und so steht R2 dann ganz allein an einer Ausfahrtsstrasse im nur zweitbesten Quartier von Stuttgart (das beste? Alle andern). Ich beobachte ihn vom Balkon im fünften Stock, ich würde selbstverständlich sofort runterhechten, sollte sich jemand dem RSR in unlauterer Absicht nähern. Doch es ist erstaunlich, es nimmt ihn kaum jemand zur Kenntnis, er sieht halt aus wie ein alter 911er mit etwas vielen Klebern drauf. Doch er scheint ganz zufrieden damit, er knistert, er riecht auch aus reichlich Entfernung nach Öl und Benzin – und er ist so schön, auch wenn er gar nicht bewegt wird. Diese so reine Form, die Kotflügelverbreiterungen und auch das Entenbürzel wirken wie natürlich gewachsen. Und winzig ist er, der GT2 RS hat dagegen etwas von einem Nutzfahrzeug, allein der Heckspoiler ist mächtiger als der ganze #0020. Er hat ein Päuschen verdient, später in der Nacht werden wir ihn dann noch in die Tiefgarage stellen – und ihm versprechen, dass er am nächsten Tag auf grosse Fahrt darf, rauf in den Schwarzwald, nur noch ganz wenige Photos.

Obwohl er da nie gestartet ist, macht es am nächsten Morgen den Eindruck, als ob er spürt, dass dies Renngeläuf ist. R2 ist locker angesprungen, nachdem wir ihm erzählt hatten, dass wir mit ihm, dem RS 2.7 und dem GT2 RS zuerst zur Solitude und dann rein in den Schwarzwald wollen. Und am zweiten Tag ist eh alles besser, man kennt sich ein bisschen, man hat nicht mehr nur und in erster Linie den ganz grossen Respekt, man lässt die Maschine auch etwas drehen und schleicht nicht mehr um die Biegungen. Und je mehr man dreht und je flotter er darf, desto besser wird es. Was heisst hier: besser? Grossartig. Unvergleichlich. Unvergesslich. Der Drehzahlmesser geht bis 10’000/min, seine maximale Leistung von 300 PS erreicht der 2,8-Liter gemäss Datenblatt bei 8000/min (der Kenner weiss: die meisten Exemplare streuten teilweise deutlich nach oben), das maximale Drehmoment von knapp 300 Nm steht erst bei 6300/min zur Verfügung. Ganz so wild treiben wir es nicht, ist auch gar nicht nötig, das Ding geht sowieso wie Sau. Ab 5000/min ist die Hölle los, er grunzt und furzt und röhrt und kreischt, es ist dies die mechanische Vorhölle bei einem Lärmpegel, der deutlich offenbart, weshalb Rennfahrer Helme tragen (unter anderem auch deshalb, weil die Kiste derart hart ist, dass man sich beim Überfahren eines Fussgängerstreifens den Kopf am Dach anschlägt). Das 80-prozentige Sperrdifferential ist grob, der Grip ist es (deshalb) auch, aber man merkt dann schon relativ schnell, dass man es nicht übertreiben sollte – das Heck hat eine sehr klare Tendenz, relativ unvermittelt zum Überholen ansetzen zu wollen. Zu früh aufs Gas nach der Kurve ist definitiv keine gute Idee, es ist auch wichtig, den Wagen vor der Kurve sauber stabilisiert zu haben – in die Biegung hineinbremsen und ihn dann irgendwie durchwürgen, das bringt gar nichts ausser Ärger. Und selbstverständlich fahren wir hier nicht auf der letzten Rille und auch nicht auf der zweitletzten – und staunen trotzdem, wie chancenlos der 2,7er ist. Und wie geil überholen sein kann: Man läuft von hinten auf, schaltet mit Zwischengas und völlig natürlichen Fehlzündungen zurück, der Kontrahent hüpft vor Schreck fast von der Strasse – und schon hat man einen halben Kilometer Vorsprung. Und wir staunen, wie herrlich das 5-Gang-Getriebe zu schalten ist, wie direkt und präzis die Lenkung. Hey, er wird bald 50, damals waren winzige Lenkräder Mode, auch wenn sie bis heute keinerlei Sinn ergeben. Wie sehr wir rein gar nichts aus dem absolut grossartigen, wahnsinnigen GT2 RS vermissen? Haben wir schon geschrieben: 890 Kilo?

Und habe ich eigentlich schon einmal etwas darüber geschrieben, wie sehr mir das Gemaule über nicht ganz perfekt passende Sitze auf den Wecker geht? Ich bin 1,89 gross und wiege 100 Kilo, manchmal weniger, meistens leider mehr. Wenn ich Kolleg*innen sehe, noch ein bisschen, zurück, das Lenkrad hier, doch da, nach 100 Metern Fahrt wieder also anders und all die dummen Bemerkungen zur Lordosenstützen und Bandscheiben (allgemeine, ewige Volkskrankheit: Rückenmagenkreislauf, auch bekannt als RMK), da kriege ich Ausschläge. Dann passt es halt nicht so ganz, so what? Wer mehr Kopffreiheit braucht, soll doch den Zug nehmen. Oder zu Fuss gehen, falls was ist mit den Beinen und ihrer Freiheit. Ja, die Rennschale im RSR ist die Hölle, bretterhart, nur längs verstellbar, keine Kopfstütze – und es ist so etwas von unwichtig, ich wäre trotzdem in einem Rutsch nach Hamburg gefahren (oder bis zur nächsten Tankstelle). Ja, die Gurten sind doof, because racecar, man braucht in einem Fiat weniger lang, das Navi anzuschmeissen, als im Porsche, um sich anzuschnallen. Wie auch immer: ich will ja fahren, nicht sitzen – das kann ich dann nachher, vielleicht bei einem Bierchen davon erzählen, wie unfassbar grossartig sowie absolut unvergesslich diese Ausfahrt war. Viel seliger kann man(n) eigentlich gar nicht lächeln. Ausser vielleicht, wenn der RSR gleich beim ersten Versuch anspringt.

Photos: ©Tobi Heil, ©Frederic Schlosser. Nochmals, die ganze Geschichte der RSR: hier. Und die ganze, nun ja, beeindruckende Sammlung der Porsche 911 Carrera RS 2.7, hier.

2 Kommentare

  1. Stork Stork

    ich bin immer wieder von den Berichten und FOTOS extrem begeistert.

    DANKE.

  2. Ein wunderbarer letzter Absatz. Selbstverständlich soll damit nicht der Rest des Artikels abgewertet werden aber wenn man selbst 190cm groß ist und mit MG Midget angefangen hat und jetzt bei älteren Porsche gelandet ist, so what. Erlebe das fahren und nicht das sitzen. Vielen Dank!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert