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Erfahrung Maserati Quattroporte V8 3.2 Evo (1999)

Der Bessere

Selbstverständlich müssten wir den Maserati Biturbo schon längst eine Geschichte widmen. Aber es ist alles so kompliziert – und uns ausserdem klar, dass wir uns nicht viele Freunde schaffen, wenn wir die «Kleinen» zu löblich beschreiben. Also lassen wir es vorerst bleiben, streifen die Geschichte nur ganz kurz, um uns dann auf den Quattroporte der vierten Generation zu konzentrieren. Mit dem wir kürzlich einen Ausflug unternehmen durften.

Also, die Biturbo. Sie stammten aus jener Ära, als Alejandro de Tomaso das Sagen hatte bei Maserati. Wie es dazu kam, ist eine so wilde wie schöne Geschichte, eine, wie sie sich nur in Italien abspielen kann. Nur eine kleine Anekdote am Rande: Umgerechnet 155 Euro bezahlte de Tomaso 1975 für Maserati. Also für alles, Werk, Boden, Teile, alles. De Tomaso nun hatte nun das Bedürfnis, aus Maserati einen Grossserien-Hersteller zu machen. Dafür brauchte er ein günstigeres Modell, das nicht mehr von Hand gefertigt werden musste – ihm schwebte ein Konkurrent zum 3er von BMW vor. 1978 begann die Entwicklung, schon 1981 wurde der Biturbo vorgestellt.

Über die Jahre gab es reichlich Versionen, darunter auch einen Spyder und die viertürigen Limousinen Biturbo 420/425 mit um 85 Millimeter verlängertem Radstand. Daraus entstanden dann wiederum die 430/430 4v, die zwar quasi baugleich waren, aber über grössere Motoren verfügten. Dann endlich, 1993, wurde der Quattroporte vorgestellt, die vierte Generation. Diese wiederum basierte auf dem Ghibli, der ein Nachfolger des 222 war, der ein Nachkomme des ersten Biturbo war. Noch alles klar? Wir haben nun also den Ghibli (Tipo AM336), dessen Radstand um 45 Millimeter verlängert wurde, damit aus dem Zwei- ein Viertürer werden konnte. Die Gestaltung übernahm Marcello Gandini – und damit dürfte dann auch gleich klar sein, warum wir uns so sehr für den kleinsten aller Quattroporte, den 1994 eingeführten Tipo 337 begeistern können.

Die Form ist grossartig. Punkt. Nicht nur, weil der Quattroporte über die wunderbaren, angeschnittenen Radläufe hinten verfügt. Es ist überhaupt diese extrem saubere Keilform mit dem hoch angesetzten Kofferraum, die auch heute noch begeistert – ein gerade Strich, das schaffte nur Gandini. Mit einer Länge von 4,55 Metern und einer Breite von 1,81 Metern wirkt der Maserati heute kompakt – und bietet den hinteren Passagieren trotz nur 2,65 Metern Radstand erstaunlich viel Platz. Und dazu noch einen anständigen Kofferraum. Und man vergleiche: BMW 3er (E36/E46), Audi A4 (B4/B5) und ganz besonders Mercedes C-Klasse (W202).

Und da haben wir noch gar nicht vom Innenraum geplaudert. Edles Holz, Leder, Alcantara, es ist eine wahre Pracht. Auch heute noch einfach nur: schön. Klar, so ein Maserati Quattroporte V8 3.2 Evo kostete 1999 stolze 108’800 Franken, aber ein Mercedes C43 AMG kam auch auf 97’700 Franken. Und sah dann innen wie aussen aus wie eine damalige C-Klasse, also eher so, lassenwirdas. Und da war dann halt eben auch noch: acht Zylinder.

Der Biturbo hatte seine Karriere als Zweiliter-Sechszylinder mit doppelter Aufladung begonnen. Das war im Prinzip eine feine Maschine, doch zu Beginn zu wenig ausgereift. Über die vielen Jahre wurde der Motor besser, stärker, auch grösser. Ab 1996 gab es dann auch den Achtzylinder mit 3,2 Liter Hubraum, vier obenliegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder. Und doch ziemlich heftige 335 PS bei 6400/min. Das trug ihn, manuell über sechs Gänge geschaltet, in weniger als 6 Sekunden auf 100, gegen oben war erst bei 270 km/h Schluss. Nein, es gab nicht viele Fahrzeuge, die damals schneller waren.

Dabei war der Maserati doch irgendwie entwurzelt, die vierte Generation des Quattroporte war ein Übergangsmodell zwischen ganz vielen Fronten. Als er entwickelt wurde, war Alejandro de Tomaso schon ziemlich klamm. Als er auf den Markt kam, übernahm kurz darauf Fiat das Ruder bei Maserati. Und ab 1997 hatte dann Ferrari den Lead. Das hingegen tat dem Quattroporte gut, denn schon 1998 kam er als «Evoluzione», 400 Verbesserungen sollen ihm angediehen worden sein mit Hilfe von Ferrari. Vor allem am Motor wurde gearbeitet, es gab neue Zylinderköpfe, eine modifizierte Kurbelwelle, neue Kolben – die Zuverlässigkeit lag auf einem deutlich höheren Niveau. Auch innen wurde der Tipo 337 weiter aufgewertet.

Mit genau so einem Achtzylinder-Evo waren wir also unterwegs, manuell geschaltet (es gab auch noch eine Viergang-Automatik von BTR). Ein doch recht seltenes Produkt, bis 2001 entstanden nur gerade 340 Exemplare (insgesamt waren es vom Quattroporte IV auch nur gerade 2400 Stück). Unser Proband ist in einem wunderbaren Zustand, das Interieur wirkt wie neu, auch der Lack strahlt. Und dann tönt dieser Maserati halt schon im Leerlauf so wunderbar, schön ruhig, doch man hört da schon, dass er kann. Und er kann halt bestens, ein Turboloch verspürt man eigentlich nicht, souverän zieht er hoch. Und geht dabei prächtig. Das Fahrwerk, mit von Koni entwickelten einstellbaren Dämpfern, ist ein ausgezeichneter Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort, das hatten sie Modena schon damals ausgezeichnet im Griff (siehe auch Fahrbericht Maserati MC20).

Dieses feine Exemplar in «Verde Brooklands» und mit 81’000 Kilometern auf der Uhr, das wir gar nicht mehr hergeben wollten, wird von der Oldtimer Galerie in Toffen am 15. Oktober versteigert. Der Schätzpreis liegt bei 28’000 bis 32’000 Franken – diese Bewertung liegt einzig und allein daran, dass die Biturbo-Familie von Maserati halt leider nicht über den besten Ruf verfügt. Und der Quattroporte deshalb extrem unterschätzt wird. Dabei ist er als Achtzylinder-Evo (mit ein paar Ferrari-Genen) doch ein mehr als nur wunderbares Fahrzeug, cool, aussergewöhnlich, diskret. Falls ihn uns jemand als Geschäftswagen zur Verfügung stellen will – abernochsogern.

Alle Angebote der Herbst-Auktion der Oldtimergalerie finden Sie: hier. Und bei uns gibt es noch reichlich gutes Zeugs im Archiv.

4 Kommentare

  1. Stephan Meise Stephan Meise

    Endlich versteht jemand dieses wunderbare Fahrzeug! Jedes Wort im Artikel stimmt. (Außer die gestiegene Zuverlässigkeit nach Übernahme durch Ferrari. Da habe ich so meine eigenen, teuren Erfahrungen…) Seit nunmehr 11 Jahren ist mein „Otto“ (V8 Evo) nun bei mir. Das wird er bis zu meinem Ableben auch bleiben. (So wie Sir Peter Ustinov das mit seinem Quattroporte I gemacht hat.)

  2. c c

    Danke für den schönen Bericht!
    Freue mich sehr über die Würdigung dieses Autos. Extrem saubere Keilform, Gandini… so muss es sein, gerade beim Viertürer unerreicht! Das war viele Jahre einer meiner Traumwagen.
    (Für meine Ansprüche abseits der Träume tat es dann ein sehr entfernter und doch in ein paar Ecken verblüffend ähnlicher Verwandter ganz ordentlich – ein Citroën Xantia…)

  3. Christian Christian

    Wer jemand sein will fährt „irgendwas“, wer jemand ist fährt Maserati! Heute noch mehr wie 1999 begeistert die feine, saubere und unaufgeregte Linie die trozdem das Verlangen nach „Habenwollen“ weckt. Dazu feine Technik, die von anderen Herstellern nicht mal gedanklich realisiert wird und wurde… Die Italiener können eben doch Oberklasse, nur nicht so langweilig und phantasielos wie die anderen. Und irgendwie sind die Limos dann doch wieder „Rennpferde“. Chapeau Maserati. Schöner Bericht – sowas macht freude beim Betrachten der Bilder und beim lesen des Textes!

  4. Rolf Rolf

    Ich hatte eine schöne Kindheit, weil ein Onkel autovernarrt war. Ich bin Jahrgang 1961 und 1972 kaufte er einen roten Ghibli SS. Häufig habe ich ihn begleitet und habe immer noch diesen unnachahmlichen Klang im Ohr. Nachdem dieser geklaut wurde (nach drei Monaten ist er wieder leicht beschädigt aufgetaucht und wurde dann von Radi Radenkovic übernommen), folgten ein paar lahme Monate im 280 S (W116), dann folgte ein silberner Indy 4700. Später noch ein Quattroporte III, mit diesen wahnsinnigen Faltenwurf-Sitzen. Sein Bruder, bekennender SL-Fahrer (Pagode und diverse R107) kaufte einen Khamsin, seltsamerweise hatte dieser hinten nicht die Glasscheibe, sondern ein Blech (oder das Glas?) in der roten Wagenfarbe lackiert. Danach kamen (leider) „nur“ noch Ferraris. Den hier gezeigten Quattroporte fand ich schon immer sehr gelungen, nun weiß ich auch warum, Gandini halt. Besonders der V8 Evo hatte es mir angetan. Immer noch traumschön und von der Größe her einfach perfekt, nicht so ein Schiff wie die heutigen Limousinen.

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