Am Radio
Manchmal sind es einfach so kleine Anekdoten. Nein, sie werden den Lauf der Welt nicht weiter beeinflussen, doch wir erzählen sie trotzdem gerne. Es war also so: Pierre Yves Albert Dumay, geboren 1928 in Algerien, war ein ganz anständiger Rennfahrer, zuerst auf dem Motorrad, ab Mitte der 50er Jahre dann auf vier Rädern. Die ersten Jahre seiner Karriere war er auf recht braven Fahrzeugen unterwegs, einer Aronde von Simca zum Beispiel. Doch plötzlich, 1960, schien der Reichtum über ihn hereingebrochen zu sein. Nicht bloss kaufte er den Ferrari 250 GT SWB mit der Chassis-Nummer #2021GT (dessen wundersame Geschichte wir schon erzählt haben, hier), sondern auch noch ein gleiches, neueres Modell, #2127GT. Wobei, da trat er nicht selber als Käufer auf, das Geschäft wurde über den Modenesen Gino Morandi abgewickelt, der die 5,5 Millionen Lire bezahlte und auch das Kontrollschild «MO 59805» besorgte. Das Fahrzeug wurde am 12. September 1960 registriert und war in einem schönen Hellblau (Celeste) mit drei Streifen in den französischen Nationalfarben lackiert.
Drei Tage später starteten Jo Schlesser und Pierre Dumay mit diesem Fahrzeug bei der Tour de France. Wobei: Dumay, dessen anderer Ferrari 250 GT SWB, also #2021GT, bei diesem Rennen von Noblet/Cavrois gefahren wurde, nannte sich nun «Loustel». Warum, das weiss heute niemand mehr (der Franzose verstarb 2021). Aber Loustel/Schlesser machten ihre Sache ausgezeichnet, hielten sich zu Beginn des insgesamt 5075 Kilometer langen Rennens brav aus der Fehde der beiden Belgier Willy Mairesse und Olivier Gendebien, beide ebenfalls auf einem 250 GT SWB, heraus.
Eine der Etappen dieser Tour de France war ein 2-Stunden-Rennen in Le Mans, mitten in der Nacht. Vorne flog Gendebien wieder einmal weg – bis nur noch blauer Rauch aus den Auspuffrohren seines Ferrari aufstieg. Ende Feuer. Ferrari-Rennleiter Romolo Tavoni holte Mairesse sofort an die Box, befahl ihm, langsamer zu fahren, Dumay diese Etappe gewinnen zu lassen. Doch das kümmerte den Belgier wenig, er fuhr wieder raus, knallte an Dumay vorbei, knallte einen neuen Rundenrekord auf die Bahn – und knallte in einen deutlich langsameren Porsche. Mairesse musste wieder an die Box, Dumay konnte den prestigeträchtigen Etappensieg locker nach Hause fahren. Es heisst, er habe Radio gehört auf den letzten Runden. Und vielleicht auch schon vorher.
Dumay – oder «Loustel» – wurde bei der Tour de France 1960 am Ende Zweiter, hinter Mairesse. Er behielt diesen Ferrari noch zwei Jahre, danach ging dieser durch ganz viele Hände. Aber das kann man ja dann weiter unten nachlesen.
Chassis-Nummer: 2127GT
Motoren-Nummer: 2127GT
ausgeliefert: 12.09.1960
Original-Farbe: Hellblau
Besonderes: Drei Streifen in den französischen Nationalfarben
erster Besitzer: Antoine Cicoira (1962, Dakar); Jean Thepenier (1965, Paris); Lenglet (60er Jahre, Frankreich); Montenari (1983, Paris); Laurence C. Bristow (1986, England, 625’000 Pfund, dunkelrot lackiert); David Morrison (1995, England); Nigel Corner (1995, England, wieder in den Originalfarben lackiert); Ronald Stern (00er Jahre, England); John Bentley (2004, Harrogate, England) – später: Stadler (Schweiz), noch später: über Girardo & Co. verkauft.
Wir haben da eine schöne Liste aller Ferrari 250 GT SWB, die wir laufend ergänzen, hier. Und dann haben wir ja auch noch das Archiv.
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