Die wunderbare Kooperation
Mitte der 70er Jahre war Lancia mit dem herrlichen Stratos so dominant auf den Rallye-Pisten der Welt wie noch nie eine Marke zuvor. Doch es zeichnete sich ab, dass das Mutterhaus Fiat in absehbarer Zukunft auf den 131 setzen würde, der Mirafiori brauchte dringend mehr Bekanntheit. Lancia Corse, dieses Team mit so viel Ingenieurs- und Renn-Kompetenz, brauchte also ein neues Spielfeld. Und fand es in der Gruppe 5, in der man sich 1975 mit einem von Dallara präparierten Stratos schon einmal getummelt hatte. Es fehlte bloss noch ein passendes Fahrzeug.
Man fand es im Lancia Beta Montecarlo. Der Beta als eher biederes Familienfahrzeug war 1972 eingeführt worden, der Montecarlo kam dann 1975 dazu. Das kleine Coupé war ein doch ziemlich aussergewöhnliches Gefährt, der von Legende Aurelio Lampredi konstruierte 2-Liter-Vierzylinder war mit seinen 118 PS zwar kein Reisser, aber immerhin mittig installiert. Das waren ziemlich perfekte Voraussetzungen für die Gruppe 5, in der die Konstrukteure ziemlich frei waren, bloss die Türen und das Dach mussten bei diesen „Silhouette“-Fahrzeugen von einem Serien-Modell stammen.
Es kam zu einer wunderbaren Kooperation. Giampaolo Dallara, dieser Fahrwerk-Hexer, kümmerte sich um den Unterbau, übernahm vom Stahlrahmen des Beta Montecarlo nur gerade den Mittelteil, fügte vorne und hinten Hilfsrahmen dazu, was es ihm auch erlaubte, das Fahrwerk komplett neu zu konstruieren. So gab es McPherson rundum – und vor allem reichlich Platz für gewaltige Reifen. Für den Aufbau konnte Pininfarina verpflichtet werden. Zwar waren die Turiner nicht unbedingt berühmt für Rennwagen, doch sie besassen einen eigenen Windkanal und erhielten klare Vorgaben von Dallara – es enstand einer der brutalsten und gleichzeitig schönsten Rennwagen aller Zeiten.
Mit der Hilfe von Abarth wurde der Lampredi-Motor zuerst einmal auf 1425 cm3 verkleinert – und dann mit einem gewaltigen KKK-Turbolader wieder aufgeblasen, dem gleichen übrigens, den Porsche für seinen 3-Liter-Motor im 934 verwendete. Multipliziert mit dem Turbo-Koeffzienten 1,4 bedeutete dies, dass der Lancia in der Klasse unter 2 Liter Hubraum starten konnte. Bei 1,2 bar kam die Maschine auf 370 PS, bei 1,6 bar waren es 420 PS.
Vorgestellt wurde der Lancia Beta Montecarlo Turbo im Dezember 1978, aber es sollte bis im Mai 1979 dauern, bis die Italiener zum ersten Mal in einem Rennen antreten konnten, den 6 Stunden von Silverstone, am Lenkrad Riccardo Patrese und Walter Röhrl. Der Lancia war im Training schnell, doch im Rennen war nach vier Runden schon wieder Ende Feuer (buchstäblich, der Turbo wurde berühmt dafür, gewaltige Stichflammen aus seinen Auspuffrohren zu entlassen). Auch bei den 1000 Kilometer auf dem Nürburgring kam der Italiener nicht ins Ziel, doch zwei Siege zum Jahresabschluss in Enna und Brands Hatch reichten aus, um gleich in der ersten Saison den Weltmeister-Titel nach Turin zu bringen. Den Giro d’Italia zum Saisonabschluss hätten die Lancia auch noch gewonnen, doch Villeneuve/Röhrl und Patrese/Alen benutzen auf den Zwischenetappen die Autobahn – und wurden disqualifiziert. Aber was für eine Fahrer-Paarung, Villeneuve und Röhrl.
1980 wurde die Reglemente wieder einmal geändert, die Gruppe 5 unterteilt in Klassen mit weniger und mehr als zwei Liter Hubraum. Es entbrannte ein schöner Kampf zwischen Porsche und Lancia, die ihre Klassen dominierten. Weil aber Lancia bei zwei Rennen mit einem Fahrzeug mit leicht vergrössertem Hubraum (1429 cm3) in der Porsche-Klasse wilderte, konnten sich die Italiener am Ende der Saison einen weiteren WM-Titel auf die Fahnen schreiben. Es war überhaupt ein gutes Jahr für den Fiat-Konzern: Hans Heyer gewann auf einem Beta Montecarlo Turbo die deutsche Tourenwagen-Meisterschaft. Und Walter Röhrl wurde auf dem Fiat 131 Abarth Rallye-Weltmeister. Nur Ferrari zog eine katastrophale Saison ein.
Auch 1981 wurde Lancia mit dem Beta Montercarlo Turbo, der nun in seinen berühmten Martini-Farben antrat, wieder Weltmeister – und widmete sich in der Folge der Gruppe 6 (Lancia LC1, Story folgt) und der Gruppe C (Lancia LC2, Story folgt). Elf dieser so schönen Rennwagen wurden gebaut, die meisten davon sind noch erhalten. Die grösste Schwierigkeit sei, heisst es, die passenden Reifen zu finden. Aber dass sie zuverlässig sind, hatten sie unter anderem mit einem Klassensieg bei den 24 Stunden ja schon bewiesen.
Mehr schöne Rennwagen finden sich auch in unserem Archiv. Ach ja, wir wollen unseren Stories jetzt auch wieder passende Musik-Videos hinzufügen, hier muss es Adriano Celentano sein, mit diesem Song.
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