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radical zero: Fahrbericht BMW iX1

Willkommen in der Realität

BMW geht beim iX1 einen relativ einfachen Weg, er ist quasi baugleich wie seine thermisch betriebenen und gleichzeitig präsentierten Brüderchen. Die Münchner lassen sich alle Optionen offen, es gibt das gar nicht mehr so kompakte SUV auch als Benziner, Diesel und Plug-in-Hybrid. Während das Vorzeige-Modell iX schon optisch klar als Elektroauto erkennbar ist, versteckt der iX1 seine Antriebstechnik sehr gut, man erkennt sie von aussen nur an ein paar blauen Akzenten (und die kann man auf Wunsch auch weglassen, genau wie die Typenbezeichnung am Heck). Nach dem doch einigermassen überschaubaren Erfolg des i3 wollen die Bayern verständlicherweise nicht mehr alles auf eine Karte setzen, lassen der Kundschaft die Wahl. Beim iX1 hat das dann halt den Nachteil, dass die einige Vorteile des reinen E-Antriebs, etwa mehr Raum, nicht genutzt werden können. Die optische Spreizung zwischen iX1 und iX ist auf jeden Fall gewaltig.

Intensiv gearbeitet hat BMW aber auf jeden Fall und einmal mehr am (elektrischen) Antrieb. Unterdessen ist man bei der fünften Generation der Elektromotoren angekommen, diese stromerregten Synchronmaschinen kommen ohne Permanent-Magnete (und ohne seltene Erden) aus. Das Akku-Paket besteht aus prismatischen Zellen, das soll sowohl Lebensdauer wie auch die Kühlung verbessern, und kann mit einer besonders hohen Energiedichte überzeugen (152 Wh/kg im Verhältnis zum Gewicht, 199 Wh/l im Verhältnis zum Volumen) – und zeigt gut auf, dass sich die Bayern nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Und dass die Bayrischen Motoren Werke auch in Sachen Strom ganz vorne mitmischen wollen. Auf eine 800-V-Architektur verzichten sie (vorerst), und auch die maximale Ladeleistung des iX1 von 130 kW ist nicht wirklich berauschend. Das ist noch interessant, denn beispielsweise der i4 lässt sich mit über 200 kW wieder mit Strom versorgen. Doch der trägt auch eine grössere Batterie, der iX1 muss mit einem relativ bescheidenen 64,7-kWh-Akku auskommen. Dafür soll das SUV weniger verbrauchen, die Werksvorgabe von 17,2 bis 18,3 kWh/100 km/h ist optimistisch, auch die Reichweite von 438 Kilometern nach WLTP dürfte nur mit sehr, sehr zurückhaltender Fahrweise zu erreichen sein. Wir haben aber beim i4 «erfahren», dass die BMW tatsächlich sparsam mit dem Strom umgehen, das wird dann wohl beim iX1 auch so sein.

In Sachen Leistung kommt das «kleinste» SUV aus München (das in Regensburg gebaut wird) sehr mächtig: maximal 230 kW treiben alle vier Räder an, das sind in alter Währung 313 PS. Dies ist aber nur ein Spitzenwert mit dem Boost, der für maximal 10 Sekunden zur Verfügung steht; im Normalbetrieb sind es 272 PS. Dazu kommt ein maximales Drehmoment von 494 Nm, was für E-Verhältnisse nicht besonders grob ist. Doch der Vortrieb ist schon heftig, davon zeugen auch die 5,6 Sekunden für den Paradesprint von 0 auf 100 km/h – das ist nicht so schlecht für ein doch über 1,6 Meter hohes und knapp 2,1 Tonnen schweres SUV. Der Leergewicht liegt übrigens 510 Kilo höher als beim Einstiegsmodell X1 18i (136 PS), der mit seinen 1575 Kilo ja auch nicht unbedingt ein Schmalhans ist.

Was unter anderem daran liegt, dass der «Kleine» in seiner jüngsten Version schon ganz schön gross geworden ist, jetzt 4,5 Meter misst und 1,85 Meter breit ist. Dieses zusätzliche Volumen kommt einerseits einem gefälligeren Design zugute, andererseits natürlich dem Innenraum – auch wenn er für die hinteren Passagiere weiterhin nicht überbordet. Mit 490 Litern im Kofferraum bietet der iX1 aber zumindest in diesem Bereich ein gutes Mass, bei abgeklappten Rücksitzen sind es fast 1500 Liter (genau gleich viel wie die thermisch betriebenen Versionen). Die vorderen Passagiere dürfen sich über das neue «Curved Display» erfreuen, da ist alles stark reduziert und wirkt sehr modern, sehr cool. In der Bedienung verbergen sich keine Rätsel, es gibt noch einige wenige Schalter und Knöpfe auf dem Lenkrad und in der Mittelkonsole, da findet man sich intuitiv zurecht. Und was richtig gut ist: das Smartphone steht in der induktiven Ladestation, der Fahrer hat einen guten Blick darauf – und es rutscht nicht rum, weil BMW ihm ein Festhalte-Bügelchen spendiert hat. Eine Kleinigkeit, aber eine gute, wichtige. Was auch gut und wichtig ist: die Darstellung auf den Touchscreens ist extrem gut, solches hat man bisher nur auf Heim-Bildschirmen gesehen.

Selbstverständlich fährt sich der BMW iX1 geradeaus bestens, wie die meisten Stromer. Er ist aber auch ein BMW, deshalb kann er wie auch schon der massige i7 Kurven, er verfügt ja über das gleiche Fahrwerk wie seine Brüder. Andererseits: man spürt das Gewicht und den hohen Aufbau schon – aber auch nicht mehr als in anderen SUV. Wählt man «Sport» als Fahrmodus, dann wird die Lenkung etwas gar streng, auch der Komfort bleibt etwas auf der Strecke. Das ist alles gar nicht nötig, gerade im Normal-Modus ist das E-SUV ein sehr souveränes Fahrzeug, bestens «motorisiert», komfortabel, sehr ruhig. Auf Wunsch kann man diese Stille mit dem «Iconic Sound» durchbrechen, aber das ist Geschmackssache.

In der Basis kostet der BMW iX1 55’000 Euro/59’900 Franken. Da kommen dann noch die Extras dazu, die bei den Münchnern nicht wirklich zurückhaltend eingepreist sind – und doch erscheint uns das E-SUV fast so ein bisschen als Sonderangebot innerhalb der X1-Reihe. Zwar kann man einen 136 PS starken 18i schon ab 45’900 Franken haben, doch die aktuell schärfste rein thermische Variante, der 23i mit seinen 218 PS, kostet nur gerade 2000 Franken weniger als der deutlich flottere Stromer. Und der böse Plug-in-Hybrid (mit 326 PS Systemleistung) ist gleich teuer wie sein rein elektrischer Bruder. Mit dieser Preisgestaltung setzt BMW auf jeden Fall ein Zeichen in Richtung: Vernunft.

(Wir müssen das jetzt hier noch loswerden. Für «radical» wäre der BMW X1/iX1 der klare Favorit gewesen bei der Wahl zum «The Car of the Year» 2023. Auch deshalb, weil er die volle Breite bietet, jeden nur erdenklichen Antrieb (ausser Wasserstoff). Klar, günstig sind die Premium-Produkte nicht, aber technologisch sind sie weit, weit vorne, auch unter den Stromern. Und der Innenraum gehört zum Besten, was man derzeit kaufen kann. Und in Sachen Fahrvergnügen ist das einigermassen kompakte SUV den meisten anderen Stromern deutlich überlegen, ein BMW halt. Bloss, die X1/iX1 haben unverständlicherweise nicht auf die «Shortlist» geschafft.) Mehr Stromer gibt es in: zero. Alles andere im Archiv.

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