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Aston Martin DBR1

Der verspätete Überflieger

Wie schon erwähnt: in England zählen sie auch etwas eigenartig. Und deshalb folgte bei Aston Martin auf die 3 (also: DB3 und DB3S) dann die 1, also der DBR1, um den es hier gehen soll. Wobei das mit der 1 schon seine Berechtigung hat, der DBR1 war der erste reinrassige Rennwagen, den Aston Martin nach dem 2. Weltkrieg konstruierte – das wieder einmal neue Reglement für die Rennsaison 1956 verlangte (oder besser: erlaubte) solches. Andererseits: der DBR1 baute zu grossen Teilen auf dem DB3S auf. Was so aber auch wieder nicht stimmt, also beginnen wir doch noch einmal von vorne.

David Brown schäumte. Da hatte er doch reichlich Geld in den Rennsport gesteckt, doch mehr als zweite Plätze bei den 24 Stunden von Le Mans gab es nicht – während Jaguar, eigentlich ja gar kein ernsthafter Konkurrent, zwischen 1951 und 1957 fünf Siege einfuhr. Das neue Reglement sah man in Newport-Pagnell als Chance, Ted Cutting wurde zum leitenden Designer ernannt, er zeichnete einen flacheren DB3S ohne «gothic arch»-Kotflügel vorne. Das sah auch ziemlich aero- und überhaupt dynamisch aus. Unter der langen Fronthaube arbeitete zuerst ein neuer 2,5-Liter-Sechszylinder aus Alu (RB6.250), der gewisse Gemeinsamkeiten mit dem bewährten Lagonda-Sechszylinder hatte. Bloss: Bei seinem ersten Rennen, den 24 Stunden von Le Mans 1956, tat der neue DBR1/1 mit Reg Parnell und Tony Brooks am Steuer keinen Stich, fiel dann nach 246 Runden auf dem 7. Rang liegend auch noch mit Getriebeschaden aus. Man darf davon ausgehen, dass David Brown nun so richtig schäumte.

Das Problem war schnell ausgemacht. Jaguar trat mit 3,4 Liter Hubraum und reichlich PS an – es brauchte also einen grösseren, stärkeren Motor. Ab der Saison 1957 kam eine 3-Liter-Maschine (RB6.300) zum Einsatz, die offiziell auf zuerst auf 248, später auf 255 PS kam. Dazu kam ein weiteres Fahrzeug, DBR1/2. Bei den 1000 Kilometern auf dem Nürburgring konnten Tony Brooks und Noël Cunningham-Reid dann tatsächlich den ersten Sieg in einem WM-Lauf einfahren. Doch in Le Mans wurde es wieder nichts, die beiden DBR1 mit Salvadori/Leston und Brooks/Cunningham-Reid schieden nach 10 bzw. 12 Stunden aus; auch der neue DBR2 mit den Gebrüdern Whitehead und 3,7-Liter-Motor kam nicht weit. Besonders bitter für David Brown: Jaguar schaffte die Plätze 1, 2, 3, 4 und 6 – obwohl sich das Werk offiziell vom Rennsport zurückgezogen hatte. (Ach, es gibt so herrliche Geschichten und Anekdoten rund um diese Rennen in Le Mans, wir werden da in Zukunft die eine oder andere erzählen wollen.)

Zwar war der DBR2 das schnellere Fahrzeug, doch weil die FIA für 1958 den Hubraum auf 3 Liter begrenzte, muss Aston Martin weiterhin mit dem DBR1 antreten; es wurde ein weiteres Fahrzeug gebaut, DBR1/3. Weil nun Stirling Moss im Team war, rechnete man sich mehr Chancen aus, stellte bei den 12 Stunden von Sebring auch das mit Abstand schnellste Fahrzeug im Feld, sah aber das Ziel nicht. Auch bei der Targa Florio war Moss grossartig, unterbot den bisherigen Rundenrekord um mehr als eine Minute – kam aber wieder nichts in Ziel. Die 1000 Kilometer Nürburgring wurden wieder eine Beute von Aston Martin, Moss/Brabham fuhren den neu aufgebauten DBR1/3 zum Sieg. In Le Mans war Aston Martin auch deshalb klarer Favorit, die drei Fahrzeuge mit Moss/Brabham, Brooks/Trintignant und Salvadori/Lewis-Evans waren ausgereift. Jaguar dagegen musste mit einem neuen Motor antreten, Ferrari liess seine schnellsten Pferde in Maranello und setzte auf den ebenfalls nicht mehr tauffrischen Testa Rossa. Moss dominierte das Training und fuhr in den ersten zwei Stunden des Rennens einen sauberen Vorsprung heraus, doch nach 30 Runden musste er sein Fahrzeug mit Motorschaden abstellen. In der 49. Runde schlug Stuart Lewis-Evans in die Streckenbegrenzung ein. Und morgens um 6 musste Trintignant den letzten DBR1 mit Getriebeschaden abstellen – und parkierte ihn gleich neben dem Fahrzeug von Moss am Ende der Mulsanne-Geraden. Aber wenigstens gewann für einmal nicht ein Jaguar.

Man weiss es: 1959 konnte Aston Martin endlich den Pott nach Hause holen aus Le Mans. Es waren nicht Moss/Fairman, die zu Beginn des Rennens in Führung lagen, sondern Salvadori/Shelby (DBR1/2), die den Sieg nach Hause fuhren; auf dem zweiten Platz kamen Trintignant/Frère auf dem zweiten DBR1 (DBR1/4), mit einer Runde Rückstand (und 25 Runden Vorsprung auf den ersten Ferrari). Es war kein Spaziergang, Carroll Shelby, der ehemalige Hühner-Farmer, hatte dem Team verheimlicht, dass er an einem Herzfehler litt (und an Durchfall), er brach nach dem Rennen zusammen und gab kurz darauf seinen Rücktritt vom Rennsport. Salvadori hatte Grippe und war entsprechend geschwächt, fuhr aber trotzdem den grösseren Teil des Rennens. In den letzten vier Stunden, nachdem der deutlich führende Ferrari von Gendebien/Hill ausgeschieden war, zuckelten die beiden DBR1 nur noch um den Kurs, die Rundenzeiten lagen teilweise bei 5 Minuten (Hill war zu Beginn des Rennens 4m01s gefahren, schneller als die beste Trainingszeit). Aber David Brown hatte endlich seinen Le-Mans-Sieg – und auch gleich noch den Konstrukteurstitel in der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Das liess ihn etwas übermütig werden – es drängte ihn in die Formel 1. Sehr erfolglos, wie man unterdessen auch weiss.

Fünf Aston Martin DBR1 wurden gebaut. Wobei DBR1/4 eigentlich ein neues Modell war, bezeichnet als DBR3. Doch das war ein Flop, also wurde er wieder zurückgebaut und erhielt eine neue, alte Bezeichnung; DBR1/5 war kein Werksfahrzeug, sondern wurde von den Gebrüdern Whitehead eingesetzt. Wir zeigen hier DBR1/1, das Fahrzeug, das erst nach drei Jahren Rennbetrieb und diversen Umbauten sein erstes Rennen gewinnen konnte (1000 Kilometer Nürburgring, 1959). Und dann trotzdem nicht in Le Mans dabei sein durfte. Egal, RM Sotheby’s konnte diesen feinen Aston Martin 2017 für 22’550’000 Dollar versteigern. (Wir haben noch reichlich Original-Material zu den DBR1, das wir aber zuerst scannen müssen; wir vermelden es dann, wenn es soweit ist.)

Wir haben da noch etwas Allgemeineres zur den Rennwagen von Aston Martin. Und viel mehr feine Fahrzeuge in unserem Archiv.

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