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Fahrbericht Toyota Aygo X

Dann halt nicht

Gern, immer wieder, immer öfter werden wir gescholten, dass es auf «radical» nur Texte zu teuren Automobilen zu lesen gibt. Diese Kritik müssen wir entgegennehmen, das stimmt. Doch wir sind nicht ganz allein schuld daran – es gibt einfach kaum mehr neue und auch bezahlbare Fahrzeuge. Unter den tatsächlichen Neuheiten sind sehr viel E (also teuer) und Sportwagen (also auch teuer), das Angebot an Kleinwagen oder nur schon vernünftigen Kompakten wird immer kleiner. Citroën und Peugeot haben die Kleinwagen beerdigt, der Fiesta geht von dannen, die Kleinsten im Volkswagen-Konzern sind eh Geschichte, sogar der Zoe von Renault muss weichen; Mercedes will in Zukunft wohl gar nichts mehr anbieten unterhalb von Maybach. Doch wir würden ja eigentlich gern, insbesondere die Kleinsten sind bei uns auch eine Herzensangelegenheit – es macht ja Freud’, so einen Zwerg am Berg komplett auszuwinden, an seine Grenzen zu treiben. Und dabei vielleicht noch einem vermeintlich sportlicheren Modell (samt Pilot) das Heck zu präsentieren.

Nun gut, das mit dem Heck zeigen ist beim Toyota Aygo X (das X soll als «Cross» ausgesprochen werden) nicht ganz so einfach. Denn es gibt nur eine einzige Motorisierung, einen 1-Liter-Dreizylinder mit 72 PS und 93 Nm maximalem Drehmoment. Man sieht es an diesen Zahlen: kein Turbo, ein ganz klassischer Sauger. Zwar gibt Toyota das Leergewicht seines 3,70 Meter langen Zwerges mit nur knapp über 1000 Kilo an, doch eine einigermassen flotte Fortbewegung findet trotzdem nicht statt. Und da schauen wir jetzt nicht einmal auf das Papier (0 bis 100 km/h in 15,6 Sekunden gemäss Werk), sondern einfach dem restlichen Verkehr hinterher. Klar, wir sind verwöhnt, wir haben jetzt ein paar Jahre mit wilden Diesel-Drehmoment-Monstern verbracht, die von noch heftigeren E-Dingern übertroffen wurden, doch wenn Du dann für ein Überholmanöver mal ganz sportlich von der dritten in die zweite Welle runterriegelst, den Pinsel voll unten hast, Dich langsam dem roten Bereich bei 6000/min näherst, der Gegner aber immer noch etwa gleich weit entfernt ist wie vor dem Schaltmanöver, dann. Dann halt nicht.

Also anders. Im dritten Gang bleiben, Anlauf holen, sich ansaugen, den Windschatten ausnutzen, im letzten Moment ausscheren – und dann hoffen, dass die Gerade lang genug ist, damit es reicht. Und der Überhol-Kandidat nicht plötzlich auf die Idee kommt, ein klein wenig beschleunigen zu wollen. Und der Wind auch ein Einsehen hat, also, gern: von hinten. Samt Abendsonne und Heimweh. Und sonst halt nicht. Um ehrlich zu sein: Wir sind schon ziemlich erstaunt, wie träg der kleine Toyota ist. Unser Lancia Y10 mit seinen 45 Pferdchen hätte ihn nass gemacht. Nicht nur geradeaus, auch am Hügel. Doch der Aygo X will ja auch nicht die Berg-Maus sein, sondern ein City-SUV.

Und das kann er in noch so mancher Hinsicht ziemlich gut. Zuerst einmal: Er sieht gut aus. Die Vorgabe von Toyota-Chef Akiro Toyoda von «no more boring cars» erfüllt der Aygo X optisch locker. Er basiert auf einer verkürzten Yaris-Plattform, ist aber doch um stolze 23 Zentimeter länger als sein Vorgänger – und das haben die japanischen Designer genutzt, um ein adrettes Wägelchen zu gestalten, sehr eigenständig. Mit zumindest auf den vorderen Rängen auch ganz anständigen Platzverhältnissen. Und auch noch etwas Kofferraum, 231 Liter, um etwas genauer zu sein. Klappt man die hinteren Sitze ab, weil man sie zum Sitzen eh nicht brauchen kann, werden es gar 829 Liter. Nicht so doll ist die doch hoch liegende Ladekante und die etwas gar kleine Öffnung. Aber man kann nicht alles haben – Gisele Bündchen taugt ja auch nicht zur Verteidigerin im Football.

Was dann aber auch gut taugt, ist die Gestaltung des Innenraums. Da gibt es einen grossen, gut überschaubaren Display direkt vor dem Lenkrad. Und dann auch noch einen riesigen Touchscreen in der Mitte, über den sich quasi alle Fahrzeug-Funktionen bedienen lassen; weiter unten finden sich noch die Bedienelemente für die Lüftung. Da ist die Beschriftung dann allerdings winzig. Die Sitze sind (vorne) gut, ansonsten gibt es innen viel Plastik, doch das ist in diesem Segment der Kleinwagen so üblich. Und im Toyota gut gemacht, der einst übliche japanische Mix von gefühlt sieben Materialien ist endlich Vergangenheit, da hat man sich sogar mehr Mühe gegeben als in diesem Preissegment üblich. Auch die Verarbeitung macht einen sehr guten ersten Eindruck.

Nun weichen wir auf die Nebengassen aus, auf der Hauptstrasse ist die Konkurrenz einfach zu stark. Dort kommt sogar so etwas wie ein wenig Fahrfreud’ auf, die Lenkung ist zwar etwas streng, aber ausreichend präzis, der Federungskomfort ganz anständig – und der kleine Japaner angenehm übersichtlich (übrigens auch beim Parkieren – hinten ist da fertig, wo man fertig sieht). Eben, in wilden Geschwindigkeitsbereichen bewegt man sich eh nicht, und bis dort hält er seine Spur gut; auch der manuelle Fünf-Gänger lässt sich gut bedienen. Wir fragen uns allerdings, wie sich das auf den Verbrauch auswirken wird, wenn man den Dreizylinder beständig treibt – bei den 4,8 Litern gemäss WLTP, die das Werk angibt, bleibt es dann wohl kaum. Aber auch das ist nichts Neues: Downsizing ist der Weisheit letzter Schluss nicht. Und vielleicht würde eine sanfte Aufladung zu einer etwas entspannteren Fahrweise inspirieren – am Schluss ist es ja auch die Fahrerin, der Pilot, die auf den Verbrauch einen nicht unwesentlichen Einfluss haben.

In Deutschland ist so ein Toyota Aygo X ab 15’890 Euro zu haben – und in der Schweiz, erstaunlicherweise, ab 15’900 Franken. Das erscheint uns jetzt als doch sehr fair, auch wenn die Fahrleistungen nicht wirklich der Brüller sind. Andererseits ist die Entdeckung der Langsamkeit noch für manch einen Zeitgenossen ein durchaus hehres Ziel, Entschleunigung führt ja auch zu Gelassenheit. Und wer langsamer fährt, der kann dieses hübsche Automobil auch länger geniessen. Schon in der Basisausführung gibt es einen Abstandstempomaten, wer noch etwas drauflegt, der kriegt die volle Packung mit allem, was Automobile heute anscheinend an Assistenten und Sicherheitsfeatures brauchen. Da kann weniger durchaus mehr sein, aber das muss ja jede(r) selber wissen.

Wir haben auch flotter motorisierte Fahrzeuge in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. Christian B. Christian B.

    Warum muss ich beim Lesen dieses Tests dauernd an mein Smart Cabrio denken?
    ;–))
    90 PS, 9,6 auf 100, 4,6-5,4 l Verbrauch … flotter, schneller und wendiger.
    Nur schade, dass es nicht mehr als Benziner gebaut wird ….

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