Ein weisses Blatt Papier
McLaren leidet. Das Geld ist knapp in Woking, die Investoren ungeduldig, die Engländer mussten einiges von ihrem Tafelsilber verkaufen, um über die Runden zu kommen. Auch deshalb gibt es immer wieder Übernahmegerüchte (Audi, BMW), die CEO geben sich die Tür in die Hand. Der Brexit ist nicht an allem schuld, aber hilft sicher auch nicht. Und dann gab es noch Software-Probleme beim Artura, das neue Modell hat reichlich Verspätung – und musste dem Ferrari 296 GTB in der neuen 3-Liter-V6-Hybrid-Supersportwagen-Klasse den Vortritt lassen. Das hat die Engländer extrem geärgert, sie wähnten sich weit in Führung, dann haben sie sich selber ein Bein gestellt.
Im Artura schlägt also ein komplett neu entwickeltes Herz. Das intern M630 genannte Triebwerk lässt sich dabei leicht decodieren: Sechs Zylinder und drei Liter Hubraum. Doch der Ottomotor ist nicht allein, ihm an der Seite steht noch eine Elektromaschine. So folgt auch der neue McLaren der aktuell zu gelten scheinenden Supersportwagen-Formel, der sich neben Ferrari 296GTB, der Mercedes-AMG One und bald auch der Porsche 911 fügen wird. Doch technologisch wird die neue Generation der Extremdynamiker nicht langweilig, auch wenn ihre gleichen Ansätze dies vermuten liessen. Im Gegenteil.
Das weisse Blatt Papier kam für alle beteiligten Ingenieure und Entwickler der Einladung gleich, noch einmal ein echtes Feuerwerk abzubrennen (wobei, Hybriderfahrung haben die Engländer ja, siehe McLaren P1). Und so hängt der Dreiliter nicht nur in einem nagelneuen, leichteren, steiferen und noch mehr Bauteile aufnehmenden Karbon-Monocoque, er verfügt selbst über gleich eine ganze Reihe von Aussergewöhnlichkeiten. Da wäre der breite Bankwinkel von 120 Grad, der dazu führt, dass die Hubzapfen für die einzelnen Zylinder nicht geteilt werden müssen. Das Ergebnis ist eine kürzere, leichtere und stabilere Kurbelwelle für mehr Drehzahlfestigkeit. 8‘500 Umdrehungen pro Minute sind es in der Spitze. Ein üppiger Wert für einen aufgeladenen Motor. Zumal für einen Langhuber. Denn die Geometrie des M630 weicht stark von der des bisher (und natürlich weiterhin) verwendeten Achtzylinders ab. Mit 90 Millimetern ist der Hub deutlich länger, die Bohrung mit 83mm allerdings wesentlich kleiner.
Kompaktheit war das Ziel der Techniker, was man neben den geänderten Massen auch mit technischen Grenzüberschreitungen ermöglicht hat. So werden die nur sieben Millimeter messenden Zylinderwandstärken oder teilweise nur zwei Millimeter durchmessenden Kühlkanäle erst möglich durch modernste Fertigung mittels 3D-gedruckten «verlorenen Sandkernen» im Giessprozess. Die Stege sind dabei so dünn, dass die Kolben nun anstelle von in eingesetzten Laufbuchsen direkt im Block laufen. Auch die Turbolader wurden ins Bankinnere des kompakten V6-Motors gelegt, um dort im heissen Vau für möglichst kurze Abgaswege und weniger Strömungsverluste zu sorgen. Auch ein Kraftakt: Der V6 wiegt 40 Kilo weniger als der bisherige V8.
Wer sich angesichts der drei Auspuffrohre am Heck des Artura über die Aufteilung der Gaswege wundert, dem sei erklärt: Das Schornsteinrohr auf der Motorhaube ist gar kein Auspuff. Es in der Tat nur der Heissluft-Abzug für die beiden Turbolader. Um den restlichen Motorraum nicht in der Gluthitze der beiden Lader zu foltern, hat McLaren das Innere des Vaus hermetisch abgeschirmt. Über zwei Zuleitungen zweigt der Brite Kühlluft aus den seitlichen Öffnungen ab, leitet sie erst über die Wasserkühler und dann direkt zu den Turbos. Von dort entweicht die heisse Luft ins Freie und wirkt unterstützend für die Anströmung der Abrisskante am Heck.
Der Artura, modelliert wie eine Skulptur (und auch deshalb allen anderen McLaren sehr ähnlich), schafft auch ohne offensichtlichen Spoiler eine Downforce von 50 Kilo. Das tönt nicht nach viel, ist aber viel mehr als bisher, denn da war es eher Null (mit Ausnahme des Senna, selbstverständlich). Im Gegensatz zum Ferrari 296 GTB verfügt der Engländer aber nicht über eine so genannte aktive Aerodynamik, da bleibt McLaren konservativ. Auch speziell: Der Hybrid rekuperiert in keinen seiner vielen Fahrmodi über die Bremsen, dem Artura soll das ausgezeichnete Bremsgefühl eines McLaren-Supersportlers nicht durch die Strom-Technik verdorben werden. Die Bremsen sind aber gerade beim Langsamfahren eher gewöhnungsbedürftig; aus hohen Geschwindigkeiten verzögern sie aber sensationell.
Der Artura ist um ein komplett neues Kohlefaser-Monocoque herum konstruiert. McLaren nennt die Struktur «McLaren Carbon Lightweight Architecture» (MCLA), diese wird in McLarens neuer Composite Technology Development Unit in der Nähe von Sheffield, England, «gebacken». Deswegen hat der Artura ein Trockengewicht von nur 1395 Kilogramm. Das ist eine verdammt beeindruckende Zahl für ein Hybrid.
Klar, die Batterie ist nicht gross und die rein theoretische Reichweite von 31 Kilometern im Strombetrieb auch nicht wirklich beeindruckend. Aber immer noch besser als im Ferrari, dort sind es nur 25 Kilometer. Dafür ist der Elektromotor des Engländers (umgerechnet 25 PS) schwächer als jener des Italieners (200 PS). Aber kommen wir nun zum entscheidenden Punkt: der Ferrari kommt, italienisch gemessen, auf 1470 Kilo, der McLaren wiegt tatsächlich nur 1395 Kilo. Das ist, nochmals, man kann es gar nicht genug betonen, eine verdammt beeindruckende Zahl für einen Hybrid.
Was aber noch beeindruckender ist: wie wunderbar die Systeme ineinander spielen. Der Übergang von Strom zu Benzin erfolgt sehr sanft, die Unterstützung des Ottomotors durch Strom spürt man in erster Linie am grossartigen Drehmoment. Die kombiniert maximal 720 Nm stehen in einem erstaunlich breiten Drehzahlbereich zwischen 2250-7000/min zur Verfügung. Konstant, ohne Verzögerung – wie ein unsichtbarer Geist. Gemäss Werksangaben erreicht man die 100 km/h in genau drei Sekunden, also fast genauso schnell wie der Ferrari 296 GTB. Die 200 stehen nach 8,3 Sekunden an, da liegt der Artura dann eine Sekunde hinter dem Ferrari.
Ein witziges Detail: Die Höchstgeschwindigkeit des Artura ist auf 330 km/h begrenzt. Und was ist mit dem Sound? Der V6 klingt gut, maskuliner als der kreischende Ferrari. Allerdings hat der Klang nicht so viel Charakter wie der Piccolo V12 des Ferraris. Es ist überhaupt eine Charakterfrage: der Italiener ist ein hoch komplexes Meisterwerk, der Engländer fühlt sich deutlich analoger, geerdeter, bodenständiger an, obwohl er sich technologisch auf dem fast gleichen Niveau bewegt. Im Artura fährt man mehr selber, im 296 GTB herrscht die Technik.
Die elektrohydraulische Lenkung des Artura fühlt sich natürlich an, ist extrem präzis. Seine besten Eigenschaften hat der McLaren mit seiner Agilität, seiner Leichtigkeit und seiner Fähigkeit, in den Kurven so richtig viel Spass zu bereiten. Die Karosserie ist sehr steif, was zu den hervorragenden Fahreigenschaften beiträgt. Man kann den Artura gnadenlos in die Biegung werfen; der Grip ist unglaublich. In Zusammenarbeit mit Pirelli hat McLaren dem Artura zudem eine neue Reifentechnologie spendiert. Die Reifen sind mit Sensoren ausgestattet, die dem Fahrer Informationen über den Reifenzustand geben, wie üblich über den Reifendruck, jetzt aber auch über die aktuelle Temperatur der Reifen. Pirelli nennt das Cyber Tyre. Es ist eine beeindruckende Leistung, auch ein ausgezeichnetes GT-Feeling, denn der Engländer kann deutsche Autobahn so gut wie Schweizer Berge. Auch die Federung ist hervorragend, hart genug, aber immer auch erfreulich komfortabel.
Alles in allem ist Artura ein beeindruckendes Paket. Er führt McLaren in eine Zukunft, in der die Leistung des Elektromotors nur noch zunehmen kann. Nach Angaben von McLaren wird der Artura kein bestehendes Modell direkt ersetzen. Das muss man nicht glauben, der Artura und seine Hybrid-Schwestern werden in Laufe der Zeit die reinen Verbrenner verdrängen. Und wer mehr will sowie nur einen Verbrenner, für den gibt es ja immer noch den neuen 750S (Bilder unten), 30 PS mehr als der bisherige 720S, 30 Kilo leichter.
Wir bedanken uns bei Vesa Eskola für Text und Bild; wir haben nach einer nur kurzen Ausfahrt noch ein paar Ergänzungen angebracht (das ist das silberne Fahrzeug). Mehr McLaren haben wir in unserem Archiv.
Kompaktheit und weniger Gewicht.. je eh.
Wenn dann so : 180 cm Breit. selbe Bauhöhe.. 4 cm kürzer.
Gewicht : 1190 Kilo. fertig. ( vollgetankt)
80% vom Elektronikmist raus werfen, den Entertainementscheiss als
App am Handy ( das ausgeschaltet ist)..
Motor.. 2 Liter V6 Biturbo 400Ps bei 7000. und 200 Ps Elektromotor.