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Ferrari 275 GTB – die Ahnenreihe

Short, Long, Speciale, Competizione…

Es deutet alles darauf hin, dass dies hier etwas ausführlicher werden könnte, wahrscheinlich sogar unübersichtlich; die Geschichte des Ferrari 275 GTB haben wir ja schon erzählt, hier. Und nein, wir werden nicht alle Exemplare des 250er-Nachfolgers zeigen, die wir finden, bei den GTB/2 «Short Nose», den GTB/2 «Long Nose» und den GTB/4 können wir uns auf ein paar aussergewöhnliche Stücke beschränken. Aber diese Ahnenreihe ist halt noch wichtig, gerade auch für die Unterschiedung zwischen den einzelnen Versionen.

Ferrari 275 GTB/2 (Short Nose) – ab 1964, ca. 230 Ex., davon ca. 70 mit Alu-Karosserie.

Motor: Tipo 213, Nasssumpfschmierung, ein Ein- und ein Auslassventil pro Zylinder, pro Zylinderreihe eine obenliegende Nockenwelle, die über Ketten angetrieben wurde. Bei einer Verdichtung von 9,2:1 und drei Weber-Doppelvergasern (40 DCZ/6) betrug die Leistung 280 PS bei 7600/min. Auf Wunsch gab es auch gleich sechs dieser Doppelvergaser, die Leistung stieg dann auf 320 PS (siehe weiter unten, Ferrari 275 GTB/6C).

Chassis-Nummer: 06681

Motoren-Nummer: 06681 (as usual)

Auktion: RM Sotheby’s, Amelia Island 2017, verkauft für 1’842’000 Dollar. Ein frühes Exemplar, noch 1964 produziert, direkt in die USA ausgeliefert, erster Besiitzer war wahrscheinlich ein Mister Coughlin.

Chassis-Nummer: 07765
Motoren-Nummer: GP07 213

Auktion: RM Sotheby’s, The Guikas Collection 2021, verkauft für 2’142’500 Euro. Eine «Kurznase», ausgeliefert im Juli 1965 an den Grafen Fréderic Chandon de Brialles, einem Erben des Moët&Chandon-Champagner-Vermögens. Interessant ist die Konfiguartion mit Alu-Motorhaube und -Türen – und natürlich die wunderbare Farbe, Blu Sera. Der Graf schien aber wenig Freude zu haben an seinem Ferrari, er tauschte ihn schon ein Jahr später gegen eine 427er-Cobra. Der neue Besitzer Claude Bouscary gewann mit #07765 aber 1967 die französische GT-Meisterschaft, einer der grössten Rennsport-Erfolge für einen 275 GTB. Heute verfügt der Ferrari über einen (modernen) Renn-Motor, die ursprüngliche Colombo-Maschine ist aber noch vorhanden.

Ferrari 275 GTB/C Competizione Speciale – 1964, 3 Ex.

Motor: Tipo 213C, Trockensumpfschmierung, 11 Liter Ölinhalt (statt 10 Liter), 6 Weber-Doppelvergaser (38 DNC, ab 1966 dann 40 DF13), neue Kolben, neue Kurbelwelle. Mindestens 290 PS.

Die Kurzfassung: Ferrari hatte mit dem 250 GTO nochmals richtig abgeräumt. Der Nachfolger stand auch schon bereit, der 250 LM. Doch für einmal spielte die FIA bei den teilweise üblen Tricksereien von Ferrari nicht mit, homologierte den 250 LM unter anderen deshalb nicht, weil er halt keinen 3-Liter-Motor hatte, wie Ferrari angab. Ausserdem glich er keinem Fahrzeug aus der aktuellen Modellpalette der Italiener, was für eine Homologation in der GT-Klasse Bedingung gewesen wäre. Also versuchte es Ferrari kurzfristig mit dem 275 GTB. Es gab einen neuen Motor, Tipo 213C (siehe oben) – und man erleichterte das Fahrzeug derart heftig von Gewicht, dass die FIA wieder «njet» sagte. Drei Exemplare des Ferrari 275 GTB/C Speciale wurden gebaut, #06885 startete dann 1965 auch in Le Mans, kam auf den sensationellen dritten Gesamtrang – aber für die GT-Klasse wurde das Fahrzeug nicht gewertet. Das Ferrari 275 GTB/C Speciale, das wir hier zeigen, #06701, wurde direkt an einen gewissen Pietro Ferraro aus Triest verkauft, der aber gar nicht die Idee hatte, damit Rennen zu fahren. Er lackierte den Wagen von Rosso Cina um auf ein Grigio Scuro Metallizzato, liess auch noch Stossstangen anbringen; den silbernen Streifen erhielt #06701 dann bei einem späteren Besitzer. 2014 wurde dieser Ferrari 275 GTB/C Speciale vom RM Sotheby’s für unfassbare 26’400’000 Dollar versteigert.

Ferrari 275 GTB/C – 1965, 10 Ex. «Short Nose», 12 Ex. «Long Nose»

Motor: Tipo 213C (siehe oben)

Chassis-Nummer: 07545

Verkauft über Tom Hartley Jr.. Stand 1965 auf der IAA, fuhr nie ein Rennen, kam 1967 nach Australien, wurde für Zigaretten-Werbung eingesetzt – und scheint noch sehr original.

Chassis-Nummer: 09067

Motoren-Nummer: 09067 (wen wundert es?)

Auktion: RM Sotheby’s, Monaco 2014, verkauft für 5’712’000 Euro, ausgeliefert im August 1966 nach Italien. Das Fahrzeug wurde nie ernsthaft bei Rennen eingesetzt.

Ferrari 275 GTB/6C – ab 1964, ca. 60 Ex.

Motor: Tipo 213, aber mit sechs Doppel-Weber.

Chassis-Nummer: 06779

Motoren-Nummer: 06779 (aha…)

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2022, verkauft für 2’810’000 Dollar. Also, offensichtlich ein «Short Nose». Aber einer von insgesamt wohl etwa 60 Stück mit den sechs Weber-Doppelvergasern (die gab es sowohl als «short» wie auch als «long»). Aber nicht «alloy». War ursprünglich in Rosso Cina lackiert, erster Besitzer der Kanadier John Craig George Eaton II. Das Fahrzeug hatte irgendwann in seiner Geschichte ein Problem, denn man glaubte, es sei dies #07177, aber, tja. Wie auch immer, Ferrari hat dieses Fahrzeug 2010 als #06779 zertifiziert.

Ferrari 275 GTB/2 (Long Nose) – ab 1966, ca. 200 Ex.

Motor: Tipo 213, zumeist aber Tipo 226 (siehe unten)

Chassis-Nummer: 08641
Motoren-Nummer: 08641 (klar…)

Auktion: RM Sotheby’s, Mailand 2021, verkauft für 2’255’000 Euro. Eine wunderbare Langnase. Aber eine mit aussergewöhnlichen ersten Besitzern: Roger Vadim Plemiannikov und seine damalige Gattin Jane Fonda. Vadim hatte Brigitte Bardot geheiratet, kaum, dass sie volljährig war, seine zweite Gattin war das dänische Fotomodell Annette Stroyberg, dann hatte er eine Affäre mit Catherine Deneuve, die dritte Gattin war dann Jane Fonda, welche die Hauptrolle in seinem Film «Barbarella» spielte. Für den Ferrari 275 GTB verkaufte Vadim seinen Ferrari 250 GT California Spider (#2175GT), doch das rettete auch diese Ehe nicht.

Ferrari 275 GTB/4 – ab 1966, ca. 330 Ex.

Motor: Tipo 226, ab 1966, zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderreihe (erstmals bei einem Ferrari-Strassenmodell), Trockensumpfschmierung, sechs Weber-Doppelvergaser (40 DCN9, 40 DCN17 oder 40 DCN18). Mindestens 300 PS.

Chassis-Nummer: 09425
Motoren-Nummer: 09425 (obviously…)

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2022, verkauft für 3’525’000 Euro. Eines von nur sechs Exemplaren in Schwarz mit schwarzem Interieur, erste Besitzerin war eine Immobiliengesellschaft in Rom.

Chassis-Nummer: 09831
Motorennummer: 09831

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2023, Schätzpreis 4’000’000 bis 5’000’000 Dollar. Es ist dies ein aussergewöhnlicher, wichtiger Ferrari, denn vielleicht zum ersten Mal konnte ein Kunde, ein gewisser Daniel del Rio, sein Auto nach seinem Wünschen spezifizieren. Den Wallstreet-Broker verlangte es für seinen Ferrari 275 GTB/4 unter anderem nach einem aussen angebrachten Benzin-Stutzen, einer kürzeren Achse, einem Tacho in Meilen, keinen Stossstangen und einer neuen, etwas verlängerten Front. Vor allem aber wollte der Amerikaner seine ganz eigene Farbe, also: «paint to sample», wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte von Ferrari. Die Farbe wird heute als «Del Rio Verde Medio» bezeichnet, der Herr wollte dazu ein Interieur in Orange (Arancio), ein schwarzes Armaturenbrett, Sitze ohne Stoffeinsätze. Immerhin holte Del Rio seinen Ferrari persönlich in Maranello ab.

Chassis-Nummer: 10311

Motoren-Nummer: 10311

Wahrscheinlich wurden nur gerade 16 der 275 GTB/4 mit Alu-Karosserie ausgeliefert. Dieses Fahrzeug ging an Chinetti, von dort zu Jan de Vroom, wieder zurück zu Chinetti, wo er dann zum Renn-Fahrzeug umgebaut wurde – und etwa bei den 24 Stunden von Daytona (Posey/Rodriguez) und auch in Le Mans eingesetzt wurde. Steht aktuell (November 2023) bei Copley Motorcars zum Verkauf.

Chassis-Nummer: 10451
Motoren-Nummer: 10451 (klar)

Auktion: RM Sotheby’s, Arizona 2015, verkauft für 3’657’500 Dollar. Erster Besitzer war der Regisseur John Frankenheimer (u.a. Grand Prix), damals war das Fahrzeug aber noch in Blu Sera lackiert. Das Fahrzeug wurde nach Budapest ausgeliefert, wo Frankenheimer gerade «The Fixer» drehte – und er war sehr zufrieden: «It is without doubt the best Ferrari that I have ever owned.» Leider ging dann beim ersten Service etwas schief, es gab Probleme mit den Vergasern, Frankenheimer blieb liegen, #10451 musste abgeholt werden. Gelb wurde der Ferrari erst in den 90er Jahren in den USA.

Chassis-Nummer: 10621
Motoren-Nummer: 10621 (selbstverständlich)

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2023, Schätzpreis 5’000’000 bis 7’000’000 Dollar. Wenn man sich nun etwas wundert über den exorbitanten Schätzpreis für diesen Ferrari 275 GTB/4, dann sei einfach ein Name genannt: Steve McQueen. Ja, dieses Fahrzeug gehörte einst dem «King of Cool», obwohl er es eigentlich gar nicht wollte. Doch es war ihm jemand hinten in seinen ganz neuen Ferrari 275 GTS/4 NART Spider gedonnert, er brauchte im Dezember 1967 sofort Ersatz – und kam so an diesen ursprünglich haselnussbraunen (Nocciola) 275 GTB/4, den er bei Hollywood Sports Car kaufte. McQueen übergab den Ferrari sofort seinem persönlichen Auto-Guru Lee Brown (der auch den legendären Ford Mustang 390 für «Bullitt» modifiziert hatte). Vom NART Spider waren die Borrani-Felgen übrig geblieben sowie die speziellen Seitenspiegel, die Brown sofort montierte. Und der «King of Cool» wollte auch noch eine andere Farbe, Chianti Red, ein Farbton aus der Küche von Brown. Man weiss, dass McQueen den Ferrari zu den Dreharbeten von «Bullitt» fuhr; 1971 verkaufte er ihn an seinen Kollegen Guy Williams (bekannt aus «Zorro»). 1980 kam #10621 in die Hände von Robert Panella, einem Transport-Unternehmer aus Stockton. Wie schon McQueen, hätte auch Panella lieber einen NART Spider gehabt, doch es fehlte ihm das Spaziergeld, als liess er den 275 GTB/4 umbauen. Vern Schuppan, ex-Porsche-Werkspilot und Le-Mans-Sieger 1983, kaufte den eröfffneten Ferrari 2014 – und liess ihn wieder zu dem werden, was er einmal gewesen war. Also: Der Ferrari 275 GTB/4, der einst Steve McQueen gehört hatte.

Mehr Ferrari haben wir in unserem Archiv. Und in den Sammlungen. Die Ferrari 275 GTS, also die offenen Varianten, behandeln wir an anderer Stelle.

1 kommentar

  1. Klaus Leuschel Klaus Leuschel

    Angeregt durch die Borrani-Felgen bei der Nr. 10621 (aber ohne es zu wissen): Ich meine mich zu erinnern, daß Borrani während einiger Jahre mit Leichtmetallfelgen experimentiert hat (die das klassische Lochkranz-Motiv von Stahlfelgen aufgriffen).

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