Neuer Ansatz
Wenn man so auf die Monterey Car Week schaut, all die Neuheiten, von denen kaum eine unter 1000 PS und weniger als das Milliönchen kostet, könnte man das Gefühl erhalten: Geld ist unendlich. Diese Welt scheint täglich ein Dutzend Milliardäre zu gebären, die sich all diese limitierten neuen Sondermodelle oder 30-Millionen-Ferrari auf Auktionen kaufen können – es dreht und dreht und dreht, gegen oben scheint es keine Grenzen zu geben, auch die absurdesten Ideen (Bugatti Golden Era…) finden Geldgeber, selbst für eine elektrische Barchetta (Automobili Pininfarina B95) scheint ein Preis von über 4 Millionen kein Problem zu sein. Sogar fiese Replicas ab Werk (Jaguar C- und D-Type-Continuation) werden anscheinend gekauft.

Da will jetzt auch Lotus mitspielen. Nachdem die Engländer im vergangenen Jahr nur gerade 576 Fahrzeuge verkaufen konnten, scheint es ihnen unterdessen besser zu gehen als je zuvor: 17’000 Bestellungen habe man in den Büchern, liess die Tochter des Geely-Konzern kürzlich verlauten, ein Grossteil davon für das elektrische SUV Eletre, dazu noch ein paar Emira. Jetzt sollen noch einmal 10 Stück dazukommen, vom Type 66.

Man muss schon ein ausgewiesener Kenner der Lotus-Geschichte sein, wenn man sich etwas unter einem Type 66 vorstellen kann. Man schrieb das Jahr 1970, neben der Formel 1 war die Can-Am-Serie das grosse Ding, vor allem deshalb, weil die Preisgelder für damalige Verhältnisse so richtig heftig waren. Colin Chapman liess sich anscheinend überzeugen, ein paar Pfund für die Entwicklung eines entsprechenden Renngeräts zu spendieren, doch er verlor anscheinend auch gleich wieder das Interesse, für ihn zählte nur die Formel 1. Doch Clive Chapman, sein Sohn, will die Blaupausen für den Type 66 entdeckt haben – und jetzt wird das Ding auch tatsächlich gebaut, über 50 Jahre später. 10 Stück sollen entstehen, so viele Rennen umfasste die Can-Am-Saison damals.

Es ist ziemlich grob, was die Engländer da auf die (kleinen) Räder stellen. Zwar folgt der neue Type 66 in weiten Teilen den früheren Design-Studien, doch unter der Karbon-Haut arbeitet (relativ) moderne Technik, ABS, ein sequentielles Renn-Getriebe. Angetrieben wird das Fahrzeug von einem V8-Stossstangen-Motor, wie er auch damals eingesetzt worden wäre; wir sind uns jetzt nicht ganz sicher, ob Lotus diese Maschine nach alten Vorgaben nachgebaut hat, es steht im Beschrieb etwas von «period representative». Egal, 830 PS bei 8800/min, 746 Nm maximales Drehmoment bei 7400/min, Fahrleistungen wie ein aktuelles GT3-Fahrzeug.

Das Vergnügen kostet «in excess of» einer Million Pfund. Käufer werden sich sicher finden lassen, siehe oben. Uns gefällt aber der Ansatz von Lotus ziemlich gut, man hat sich in Hethel wenigstens die Mühe gemacht, etwas Originelles zu basteln, nicht noch eine limitierte Sonder-Edition, nicht noch eine dämliche, fantasiebefreite Continuation wie bei Bentley oder Jaguar, sondern ein Gerät, das bisher nicht einmal eine Nebenrolle in der Automobil-Geschichte gespielt hatte.

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