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Ferrari 250 GT/L Lusso

Später Erfolg

Die Zeit der Ferrari 250 GT mit langem Radstand (LWB) war im Herbst 1962, als der 250 GT/L auf der Messe in Paris vorgestellt wurde, endgültig abgelaufen. Schon ab 1959 war der 250 GT mit kurzem Radstand (2,4 statt 2,6 Meter, genannt SWB) auf dem Markt – und sein Fahrverhalten übertraf den «Langen» um Welten, Giotto Bizzarrini hatte beim Fahrwerk des Ferrari einen automobilen Meilenstein gesetzt. Aber Enzo Ferrari wusste, dass Maranello auch auf dem kurzen Chassis nicht nur renntaugliche «Gran Turismo» konstruieren musste, dass vor allem die amerikanische Kundschaft nach luxuriöseren, alltagstauglicheren Sportwagen lechzte – und dass sich damit viel Geld verdienen liess. Zwar hatte Ferrari mit dem 250 GTE 2+2 (ab 1960) schon einen Viersitzer (mit langem Radstand) im Programm, doch da war ja auch noch Platz für einen «kurzen» Nachfolger des 250 GT Coupé, das seit 1958 auf dem Markt war.

Der Entwurf, den Pininfarina für Ferrari erarbeitete und der in Paris zu bewundern war, fand grosse Zustimmung. Der 250 GT/L (L steht für Lusso, unter diesem Namen wurde das Modell dann auch bekannt) war der wohl eleganteste Ferrari bislang (und für lange Zeit danach), nicht so gnadenlos sportlich wie andere 250 GT, vielleicht mit seinen Rundungen sogar etwas schwülstig. Doch er sieht aus jeder Perspektive gut aus, der grazile Pavillon, der zu schweben scheint, das steil abfallende (Kamm)-Heck. Auch innen herrschte fast so etwas wie Überfluss, viel Leder, saubere Verarbeitung – Ferrari wusste schon, was man seinen reichen Kunden bieten musste. Wobei: die Schalensitze liessen sich nicht verstellen, nur die Pedale konnten um fünf Zentimeter verschoben werden. Speziell ist auch, dass der Tacho und der Drehzahlmesser sich nicht direkt vor den Augen des Piloten befanden, sondern über der Mittelkonsole positioniert wurden – immerhin dem Fahrer zugewandt. Und weil der Kofferraum mit dem Ersatzrad – ja, das gab es damals noch – schon quasi komplett ausgefüllt war, sollten die Passagiere ihr Gepäck hinter den Vordersitzen unterbringen – dort, wo andere Fahrzeuge zu 2+2-Sitzern werden.

Selbst der grosse Meister Battista «Pinin» Farina war von seinem eigenen Entwurf dermassen begeistert, dass er sich selber einen Lusso anschaffte (Chassisnummer #4335GT). Der wurde allerdings noch etwas «getunt», hatte einen etwas grösseren Spoiler am Heck, kein Viertelfenster auf der Fahrerseite, rechteckige Türgriffe und keinen Lufteinlass auf der Motorhaube – der Designer ist da eben auch Purist. Es gab selbstverständlich noch andere Sondermodelle, eines der schönsten ist sicher der 250 GTO im Lusso-Design (Chassisnummer 4713GT). Zusammengebaut wurden die Lusso bis auf wenige Ausnahmen nicht bei Pininfarina, sondern von Scaglietti.

Als Antrieb diente weiterhin der Colombo-V12. Die Maschine, die ihre Karriere als 1,5 Liter begonnen hatte, leistete im Lusso aber als Dreiliter (Bezeichnung: 168/U) schon beachtliche 255 PS bei 7000/min, die auch dank der drei Weber-36DCS-Doppelvergaser. Geschaltet wurde weiterhin nur über vier Gänge, es standen aber zwei unterschiedliche Übersetzungen zur Verfügung, einmal sportlich, einmal sehr sportlich. «Road & Track» mass eine Beschleunigung von 0 auf 100 in acht Sekunden sowie eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h. Als Gewicht gab Ferrari 1020 Kilo an, der Testwagen von «Road & Track» wog aber beachtliche 1380 Kilo.

Der Chronist kann sich noch erinnern, dass die 250 GT Lusso einst für fünfstellige Franken-Beträge zu haben waren (was nicht allein am Alter des Chronisten liegt); heute kosten schöne Exemplare längst siebenstellig, sie gehören zu den Ferrari-Modellen, die weiterhin einen schönen, regelmässigen Zuwachs bringen (wobei, falsch, vor ein paar Jahren lagen sie höher als aktuell). 350 Stück sollen gebaut worden sein, denn schon 1964 wurde die Produktion wieder eingestellt, der 250 GT war Geschichte, es folgte der 275 GTB. Und ja, die Entstehungsgeschichte des 250 GT SWB gibt es schon, hier.

Wir werden hier im gewohnten Rahmen immer wieder 250 GT Lusso vorstellen. Das oben gezeigte Fahrzeug ist das Fahrzeug mit der Chassisnummer #4415GT aus dem Jahre 1963, 2016 von RM Sotheby’s in Monterey für 2’090’000 Dollar verkauft. Doch es geht ja auch um: Farben. Und Geschichten.

Chassis-Nummer: 4393GT

Motoren-Nummer: 4393 (klar)

Auktion: RM Sotheby’s, The Paul Andrews Estate Collection 2021, verkauft für 1’875’000 Dollar. Als Stückgut zur See oder in der Luft war dieser Ferrari 250 GT/L Lusso deutlich mehr unterwegs als auf der Strasse. Im März 1963 wurde er als ein ganz frühes Exemplar an die Garage Franchorchamps in Belgien ausgeliefert, dies im Amaranto mit beigem Leder. Kurz darauf kam das Fahrzeug zu Luigi Chinetti in den USA, wo es 1970 in Silber-Grau lackiert wurde, ein schwarzes Interieur erhielt. Ende der 80er Jahre war der Lusso dann Bordeaux-Rot, kam in den 90er Jahren in die Niederlande (unterdessen wieder Silber-Grau), dann nach Deutschland, 2006 dann wieder in die USA. Zwischen 2007 und 2018 hatte der mittlerweile in Grigio Fumo lackierte Ferrari dann sechs weitere Besitzer. Tja.

Chassis-Nummer: 4417GT

Motoren-Nummer: 4417 (in diesem Fall sogar glaubhaft)

Auktion: RM Sotheby’s, Villa Erba 2023, verkauft für 1’298’750 Euro. Einer der ganz frühen Ferrari 250 GT/L Lusso, ursprünglich in Oro Chiaro lackiert. Bis 1968 hatte der Lusso einige italienische Besitzer, dann kam er 1968 in die «Piccolo Collection» – und hatte dort über 50 Jahre ein gutes Leben. Es dürfte dies trotz falscher Farbe einer der originalsten Lusso sein.

Chassis-Nummer: 4421GT

Motoren-Nummer: 06905 (3,3 Liter aus einem 275 GTB)

Auktion: Bring A Trailer, Oktober 2023, verkauft für 1’402’000 Dollar.

Chassis-Nummer: 4623GT

Motoren-Nummer: 4623

Auktion: RM Sotheby’s, London 2023, Schätzpreis 1’250’000 bis 1’500’000 Pfund. Dieser Lusso wurde am 3. August 1963 in Grigio Notte mit rotem Interieur fertiggestellt, erster Besitzer war ein Umberto Carli aus Rimini. 1969 kam der Ferrari nach Kalifornien und wurde 44 Jahre vom gleichen Besitzer gepflegt. Ab 2014 wurde das Fahrzeug vom neuen englischen Besitzer komplett restauriert, erstrahlt jetzt in seiner originalen Farbe und mit revidiertem Original-Motor.

Chassis-Nummer; 4735GT

Motoren-Nummer: 4735GT

Auktion: RM Sotheby’s, Villa d’Este 2015, verkauft für 2’016’000 Euro. Bei diesem Fahrzeug geht es uns um die Farbe: Pino Verde Metallizzato. Und es geht uns auch noch ein bisschen um Erich Traber, der den Ferrari 1983 und 20 Jahre in seinem Besitz hatte. Traber ist eine ganz wichtige Persönlichkeit in der Klassiker-Szene, er kaufte ab den 70er Jahren über Jahrzehnte unfassbare Mengen von Fahrzeugen, liess sie sehr häufig bestens restaurieren – und schaffte es so, dass ganz viele schon vergessene Marken und Modelle wieder auf dem Radar der Sammler auftauchten. Er hätte längst ein Buch verdient, seine Sammlung gehörte zu besten der Welt. Später: RM Sotheby’s, Paris 2023, verkauft für 1’535’000 Euro.

Chassis-Nummer; 5003GT

Motoren-Nummer: 5003GT

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2021, verkauft für 1’655’000 Dollar. Ausgeliefert wurde dieser Ferrari 250 GT/L Ende September 1963 an Ivo Coughi in Modena. Als er den Lusso keine zwei Jahre später nach Rom verkaufte, hatte er schon über 24’000 Kilometer auf dem Tacho. Und 1981, als er in den USA auftauchte, waren es schon bald 50’000 Kilometer. Irgendwann gehörte #5003 einem Neurologen, später einem Mr. Schwartz – ob er dann schwarz lackiert wurde, wissen wir nicht. Sicher ist hingegen, dass Adam Levine, Front-Mann der amerikanischen Schlager-Truppe Maroon 5, dieses Fahrzeug auch einmal besass.

Chassis-Nummer: 5129GT
Motoren-Nummer: 5129

Auktion: RM Sotheby’s, Arizona 2024, Schätzpreis 1’000’000 bis 1’300’000 Dollar, angeboten mit folgendem Text: «Emerging from nearly 40 years of fastidious single-ownership care, this highly original Lusso is a wonderfully presented example. According to the research of marque expert Marcel Massini, chassis number 5129 GT is the 129th car built, and it was specified for the European market with left-hand drive and instruments in kilometers. Finished in Rosso Rubino paint over an interior upholstered in Nero vaumol leather by Connolly, the Ferrari was completed in October 1963 and distributed to M. Gastone Crepaldi Automobili, the famed marque dealer in Milan. Within the next few years, the 250 GT was acquired by Luigi Chinetti Motors and exported to his location in Greenwich, Connecticut, and in January 1969 Chinetti sold the Lusso to Baker Motors in Atlanta, Georgia. By the early 1980s it came into the ownership of Steven Lawrence of Wilton, Connecticut. Mr. Lawrence offered the car for sale in late 1983, and it was subsequently purchased by Ferrari expert Stan Nowak, then of Bob Sharp Motors, on behalf of his client, an enthusiast residing in Bethlehem, Pennsylvania. At this point the odometer showed 77,229 kilometers (47,988 miles).
The new caretaker took delivery circa May 1984, commencing a remarkable period of almost four decades of uninterrupted ownership. As evidenced by maintenance invoices dating to 1984, the owner regularly serviced and maintained the 250 GT, helping to preserve its highly original character. The owner initially enjoyed the car during the 1980s while commissioning small bouts of work, including the installation of new Wilton wool carpets, and a new piston assembly. During the 1990s the Lusso was stored for an extended period of time, but it was re-commissioned in 2006 with maintenance that included rebuilding the fuel pump. More recently, the master cylinder and brake booster were rebuilt in May 2016, and the carburetors were rebuilt in June 2020. The Ferrari was rarely driven during this time, and the odometer displayed 80,357 kilometers (49,932 miles) at the time of cataloguing, indicating an accrual of only 3,128 kilometers (1,944 miles) over the course of 39 years. While the paint color was at some point changed to a shade approximating Rosso Corsa, the interior is believed to be largely original. It is important to note that the Lusso desirably retains all of its significant matching-numbers mechanical equipment, as demonstrated by correct stampings on the engine, gearbox, and rear axle».

Chassis-Nummer: 5141GT

Motoren-Nummer: 5141 (soso)

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2022, verkauft für 2’205’000 Dollar. Dieser Ferrari 250 GT/L Lusso wurde im Oktober 1963 nach Turin ausgeliefert, in Rosso Duco mit einer feinen Connolly-Lederausstattung in Nero Vaumol. In den späten 60er Jahren kam das Fahrzeug in die USA und wurde Silbergrau-Metallic lackiert. In den 70er Jahren wurde der Lusso dann Hellblau. Und in den 90er Jahren erhielt er dann die dunkelblaue Lackierung, die er auch jetzt noch trägt. Und auch gleich noch ein neues Interieur.

Chassis-Nummer: 5163GT

Wurde kürzlich über The Cultivated Collector verkauft, angeboten mit folgendem Text: «Delivered new to the United States through Luigi Chinetti’s Chinetti Motors, 5163GT would lead an easy life, finding its way out to sunny Southern California during very early ownership. In the mid 1980’s, 5163GT was restored to exacting standards, wearing Rosso Corsa. In the ensuing years, 5163GT was used sparingly, and cared for regularly, ensuring the highest standards of operation. In the mid-2010’s 5163GT was acquired by its previous owner, who, after enjoying the car for a few years, undertook a second restoration spanning close to three years, which would prove to be as authentic as it was painstaking. Those efforts were rewarded with a highly coveted (and extremely difficult to achieve) Platino award at the Cavallino Classic in 2017. These efforts were further rewarded when Ferrari SpA exhibited 5163GT at the Pebble Beach Concours d’Elegance as part of its 70th Anniversary celebration display, cementing its status as one of the finest Lussos extant».

Chassis-Nummer; 5179GT

Motoren-Nummer: 5179GT

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2014, verkauft für 2’117’500 Dollar. #5179GT war über Otto Zipper in Los Angeles an einen gewissen Peter Jennings ausgeliefert worden. Nach zwei Jahren tauschte dieser Herr den Lusso gegen einen 275 GTB, der Ferrari wurde im Showroom von Zipper abgestellt. Ein gewisser Larry Bloomer, damals noch ein junger Mann, der ganz in der Nähe wohnte, sah das Fahrzeug – und kam in den nächsten sechs Monaten täglich vorbei, um das Fahrzeug zu bewundern. Eines Tages war es dann weg, der Verkäufer erzählte Bloomer, der Lusso werde hübsch gemacht, ein potentieller Kunde wolle ihn sich anschauen. Am nächsten Morgen, ganz früh, kam Larry Bloomer vorbei, zählte das Geld auf den Tisch – und behielt #5179GT für die nächsten 46 Jahre, viele Jahre lang als «daily driver».

Chassis-Nummer; 5233GT

Motoren-Nummer: 5233GT

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2014, verkauft für 1’980’000 Dollar. Ursprünglich war #5233GT blau. Im Winter 1964 wurde er in Rom von einem Geschäftsmann aus Pakistan als Neuwagen gekauft, dann nach Karachi verschifft, wo er am 5. Mai 1964 eintraf. Der Rest der Geschichte ist unbekannt, denn der Lusso blieb die nächsten 50 Jahre in Pakistan, wurde in dieser Zeit nur gerade 26’000 Kilometer weit gefahren, irgendwann rot lackiert. Erst 2014 tauchte das Fahrzeug wieder auf, abgesehen von der Lackierung war alles noch original.

Chassis-Nummer: 5339GT

Verkauft über Tom Hartley Jr.. Erstaunlich ist in erster Linie, dass man so ziemlich gar nichts weiss zu diesem Fahrzeug.

Chassis-Nummer; 5379GT

Motoren-Nummer: 5379GT

Auktion: RM Sotheby’s, The Ray Boniface Collection 2020, verkauft für 1’496’000 Dollar. «Avorio» ist nicht Weiss-Weiss, mehr so elfenbeinfarben, zahnbelagsweiss. 5379GT ist der einzige Lusso, der in der Farbkombination Avorio/rotes Interieur ausgeliefert wurde – und das auch noch an Luigi Chinetti persönlich. Die ewige Ferrai-Legende fuhr das Fahrzeug während vier Jahren. 1974 kaufte Dr. Raymond Boinface den fast weissen Ferrari – und behielt ihn fast bis zu seinem Ableben, 2020.

Chassis-Nummer; 5885GT

Motoren-Nummer: 5885GT

Auktion: RM Sotheby’s, London 2015, verkauft für 1’232’00 Pfund. Heut ist das ja nicht mehr modisch, im Trend, doch dieser Lusso hatte eine wahrlich bewegte Jugend. Drei Monate, nachdem er an seinen ersten Schweizer Besitzer verkauft worden war, hatte er schon knapp 6000 Kilometer auf der Uhr. Und 1968 waren es schon knapp 28’000 Kilometer. So sollte es doch eigentlich sein – genau wie die Original-Farbe Grigio Argento. Und was wir hier auch noch bemerken wollen: Remi Dargegen ist einer der besten Photographen klassischer Automobile.

Mehr Ferrari hat es selbstverständlich im Archiv.

2 Kommentare

  1. Toller Artikel, danke.
    Es wäre wundervoll wenn es hier noch mehr zu diesem Typ gäbe.

    • Peter Ruch Peter Ruch

      wie – mehr?

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