Mehr – oder weniger
Die Sportwagen-Weltmeisterschaft 1954 umfasste nur noch sechs Läufe. Zwar kam das 1000-Kilometer-Rennen von Buenos Aires dazu, dafür fielen die 24 Stunden von Spa sowie die 1000 Kilometer auf dem Nürburgring weg. Prinzipiell war alles gleich wie im Vorjahr, bei der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953, für einen Sieg gab es acht Punkte, dann 6-4-3-2-1; die drei «schlechtesten» Rennen waren Streichresultate. Was auch gleich war: Wieder wurde Ferrari Weltmeister, auf dem zweiten Platz folgte jetzt aber Lancia, Jaguar wurde Dritter.
1000 Kilometer von Buenos Aires (24.1.1954)
Der argentinische Diktator Juan Peron hatte sich 1952 ein schönes Autodrom bauen lassen, doch für den ersten Lauf zur Sportwagen-Weltmeisterschaft 1954 reichte das nicht aus, die 9,48 Kilometer lange Strecke führte zudem über zwei ewig lange Geraden mitten in die Stadt. Ferrari trat mit Farina/Maglioli in einem 375 MM (#0370AM) an, Maserati schickte einen A6GCS (#2040) mit Giletti/Musso, Aston Martin gleich drei DB3S mit Collins/Griffith, Parnell/Salvadori und Mieres/Tomasi, Jaguar über die Ecurie Ecosse ebenfalls drei C-Type mit Sanderson/Scott-Douglas, Stewart/Stewart und Schwelm-Cruz/Schroeder. Die Pole-Position holte sich allerdings Carroll Shelby auf einem von Roy Cherryhomes gemeldeten Allard-Cadillac J2X.
Das Rennen wurde zur leichten Beute für die Scuderia Ferrari, Farina/Maglioli plätten die Konkurrenz mit einem Schnitt von fast 150 km/h, hatten am Schluss drei Runden Vorsprung auf den privat gemeldeten Ferrari 250 MM (#0390MM) von de Portago/Schell, der Collins/Griffith im Aston Martin eine weitere Runde distanzieren konnte. Bei den Sportwagen bis 1,5 Liter Hubraum holten Juhan/Asturias Hall den Klassensieg auf einem Porsche 550 Spyder.
12 Stunden von Sebring (7.3.1954)
Es musste eine klare Sache werden für Lancia, gleich vier D24 brachten die Italiener nach Florida. Und dazu die besten Fahrer: Fangio/Castellotti, Ascari/Villoresi, Taruffi/Manzon sowie Rubirosa/Valenzano. Auch Aston Martin meldete drei DB3S mit Shelby/Wallace, Collins/Griffith und Parnell/Salvadori, dazu kam noch ein Werksfahrzeug von Maserati (Musso/Gatta auf einem A6GCS) und Healey (Macklin/Huntoon auf einem Austin-Healey 100). Ferrari trat gar nicht erst an, ausser mit privaten Teams, so schickte Cunningham seinen 375 MM (#0372AM) mit den Vorjahressiegern Fitch/Walters an den Start, William Spear meldete sich mit Phil Hill ebenfalls mit einem 375 MM (#0382AM), de Portago/Schell versuchten es nach ihrem überraschenden zweiten Rang in Buenos Aires wieder mit dem 250 MM.
Vor dem Rennen hatte es noch geregnet, während dem Rennen blies ein starker Wind. Die Lancia machten zu Beginn mal alle nass (Stirling Moss sagte: «Wiping the floor with us»), doch dann fielen Fangio/Castellotti und Ascari/Villoresi mit Brems- und Getriebeproblemen aus. Bis eine Stunde vor Rennschluss führten Manzon/Taruffi, dann blieb mitten auf der Strecke stehen. Taruffi rannte zum Lancia – und schob den D24 fast zwei Kilometer weit an die Box. Um sogleich disqualifiziert zu werden. So kam es am Ende zu einer der grössten Überraschungen im Rennsport: Stirling Moss und Bill Lloyd gewann im von Cunningham gemeldeten Osca MT4 1450 das Rennen, mit fünf Runden Vorsprung auf den Lancia D24 von Rubirosa/Valenzano. Es sollte aber nicht der einzige Gesamtsieg eines hubraumschwachen Fahrzeugs bleiben in der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1954.
Mille Miglia (1.5.1954)
Alfa Romeo hatte sich Ende 1953 vom Rennsport zurückgezogen, Jaguar hatte keine Lust mehr, sich in Italien einmal zu blamieren. Aston Martin meldete zwar zwei DB3S mit Parnell/Klemantaski und Collins/Griffith, auch Healey schickte zwei Fahrzeuge mit Werk-Unterstützung, Frazer-Nash eines – und Porsche gleich drei. Doch es war von Anfang an klar, dass es auf ein Duell zwischen Ferrari und Lancia hinauslaufen musste. Die Turiner meldeten vier D24 mit Villoresi, Taruffi, Valenzano und Castellotti (einen Beifahrer brauchte es 1954 offiziell nicht mehr); Villoresi verletzte sich kurz vor dem Start, er wurde durch Alberto Ascari ersetzt, der die Mille Miglia hasste, Team-Chef Vittorio Jano aber den Gefallen tat. Ferrari trat erstmals mit dem neuen 375 Plus an, die Monster wurden Farina (#0386AM), Maglioli (#0384AM) und Vorjahressieger Gianni Marzotto (#0392AM) anvertraut. Paolo Marzotto erhielt einen 375 MM (oder doch auch einen 375 Plus?), Vittorio Marzotto einen 500 Mondial (#0404MD) – und die ewige Legende Biondetti noch einen 250 MM (#0276MM). Ausserdem waren noch vier private Ferrari 500 Mondial am Start. Und ein sehr schräger Autobleu.
Vorne gab Taruffi gleich mal den Tarif durch, in Rom führte er vier Minuten vor Ascari – die Ferrari waren chancenlos, die Aston fielen früh aus. Doch dann geschah, was bei der Mille Miglia immer passierte: Der Führende in Rom konnte nicht gewinnen, Taruffi kam von der Strecke ab, musste aufgeben. Und Ascari, der eigentlich gar nicht antreten wollte, gewann mit 34 Minuten Vorsprung vor Vittorio Marzotto und Musso/Zocca in einem Maserati A6GCS.
24 Stunden von Le Mans (12./13.6.1954)
Jaguar kam mit dem neuen D-Type nach Le Mans – und mit Hamilton/Rolt, Whitehead/Wharton sowie Moss/Walker. Aston Martin versuchte es mit DB3S als Coupé, dies mit Parnell/Salvadori, Bira/Collins und Stewart/Whitehead; Shelby/Frère fuhren einen offenen DB3S, Thompson/Poore wagten es mit dem neuen Lagonda D115 mit 4,5-Liter-V12. Cunningham gab nicht auf, brachte die bärenstarken C-4R, Porsche eine ganze Armada von 550er, spannend waren auch die drei Bristol 450. Und Ferrari vertraute auf den 375 Plus, dies mit Froilan Gonzalez/Trintignant (#0396AM), Manzon/Rosier (#0392AM), Maglioli/Marzotto (0384AM); ein 250 Monza war zwar gemeldet mit Hawthorn/Farina, war dann aber nicht am Start.
Die Jaguar hatten die besseren Bremsen, kamen auf die höhere Geschwindigkeit und waren im strömenden Regen einfacher zu fahren – und trotzdem dominierte der Ferrari von Gonzalez/Trintignant eigentlich das ganze Rennen. Zwei Stunden vor Schluss kam aber noch einmal Spannung auf, als der 375 Plus nach einem Boxenstopp nicht mehr ansprang, Gonzalez etwa 10 Minuten verlor. Plötzlich war Rolt wieder in der gleichen Runde, doch als der Regen nachliess, konnte der völlig übermüdete Argentinier wieder schneller fahren und brachte den ersten Le-Mans-Sieg für die die Scuderia Ferrari nach Hause. Rolt/Hamilton kamen im Jaguar auf den zweiten Platz, den dritten Rang sicherten sich Spear/Johnston im Cunningham C-4R. Den in Le Mans so prestigeträchtigen Index of Performance sicherte sich wieder einmal Deutsch & Bonnet.
RAC Tourist Trophy (11.9.1954)
Auch 1954 mussten die Briten wieder ihren Extra-Zug fahren – es gab zwei Gewinner bei der in Dundrod ausgetragenen RAC Tourist Trophy. Da war einerseits das ganz gewöhnliche Rennen, das Hawthorn/Trintignant auf einem Ferrari 750 Monza vor Taruffi/Fangio und Manzon/Castellotti, beide auf Lancia D24, gewannen. Doch für Weltmeisterschaft galt der Index of Performance, also jene komische Formel aus Leistung, Hubraum und Gewicht, die auch bei den 24 Stunden von Le Mans galt. Diese gewannen Paul Armagnac und Gérard Laureau auf ihrem DB HBR – obwohl sie im Gesamtklassement nur auf den 21. Rang kamen. Einfach als Beispiel: Der Lancia D24 durfte erst 4 Runden, 5 Minuten und 11,7 Sekunden nach dem Deutsch & Bonnet auf die Strecke gehen. Eigenartig ist nun, dass der Sieger am Schluss 17 Runden Vorsprung hatte auf den französischen Kleinwagen, aber trotzdem nur als Zweiter gewertet wurde. Ferrari konnte es egal sein, die Italiener den Weltmeistertitel schon wieder in der Tasche.
Carrera Panamericana (23. – 27.11.1954)
Weil die Weltmeisterschaft schon entschieden war, sparten sich die Werkteams den teuren Ausflug nach Mexiko. Doch Ferrari hatte ja auch in den USA und Mexiko treue Unterstützer – und so stellte Erwin Goldschmidt Umberto Maglioli seinen Ferrari 375 Plus (#0392AM) zur Verfügung, Allen Guiberson vertraute seinen Ferrari 375 MM (#0286AM) in die Hände von Hill/Ginther. Das Rennen wurde zur grossen Demonstration des Könnens von Maglioli: Er erreichte auf auf den acht Etappen und 3070 Kilometer einen Durchschnitt von 173,7 km/h – auf öffentlichen, nicht abgesperrten Strassen. Hill/Ginther wurden Zweite, auf den dritten Rang schaffte es Hans Herrmann auf einem Porsche 550. Bei den Serienfahrzeugen gewann wie fast immer ein Lincoln Capri. Eine Anekdote noch: Carroll Shelby ärgerte sich so sehr über das langsame Tempo seines Co-Piloten Ray Jackson-Moore, dass er den Beifahrersitz demontierte und den Amerikaner am Strassenrand stehenliess.
«radical» will in einer neuen, grossen Serie mit dem Namen «related» die Geschichten erzählen, die Rennen, die Fahrzeuge, die Fahrer in den Mittelpunkt stellen. Und dabei Zusammenhänge herstellen. Sie dürfen gespannt sein, das dürfte interessant werden. Was wir schon haben, mit ganz vielen Links: Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953. Und dann ist da ja noch das Archiv.
Was hier neu dazu kommt:
Cars:
Personalities:
- Hans Herrmann (ein schon älteres Interview)
Einmal mehr ein perfekter Artikel.
Danke, Danke, Danke