Ans Meer
Also, ich habe es auch schon in unter vier Stunden geschafft, 3:57 Stunden, um genauer zu sein, von mir daheim im Emmental bis zum ersten Blick aufs Meer, dort auf der Autobahn oberhalb von Genua. Gut, das war mit einem ziemlich sportlichen Fahrzeug und einer eher offensiven Auslegung der (italienischen) Verkehrsregeln. Und im Morgengrauen, die Strassen gehörten mir allein. Denn manchmal überkommt mich diese Sehnsucht nach dem Meer, nach einem Espresso am Strand, nach diesen Trofie mit Kartoffeln, grünen Bühnen und Genoveser Pesto (unbedingt ohne Pistazien). Und dann fahr ich um 02.30 Uhr in der Nacht los, seh dann so um halb sieben oberhalb von Genua erstmals das Wasser, steh eine halbe Stunde später am Meer. Es kam schon vor, dass ich tatsächlich nur zwei Espressi trank, Pasta kaufte und ein paar Tomaten – und am Mittag wieder daheim war.

Mit dem Dacia Jogger würde es wohl späterer Nachmittag werden, er taugt eher nicht so zum flotten Vorwärtsstürmen (dazu dann noch mehr weiter unten). Doch das ist auch gar nicht nötig, denn wenn man die richtigen Kreuzchen macht, wenn man so einen Rumänen neu bestellt und das «Pack Sleep» für 1590 Franken hinzufügt, dann kann man auch länger bleiben. «La dolce vita» bis zum Nachtessen geniessen, sogar noch ein Fläschchen Weisswein zu ebendiesem bestellen – und dann Im Auto übernachten, irgendwo am Strand. Denn mit dieser Campingausrüstung verwandelt man den Dacia mit nur wenigen Handgriffen in eine günstige Schlafmöglichkeit.

Wobei: Es ist sicher nicht falsch, wenn man die Gebrauchsanweisung vorher liest. Und nicht erst im Dunkeln und nach dem dritten Glas Wein mal den ersten Versuch unternimmt. Denn bei mir begann es mit einem Blutbad: Nach etwa drei Sekunden habe ich mir beim ersten Versuch, das Bett aufzubauen, einen Finger ziemlich grob eingeklemmt. Was den Aufbau um mindestens eine Viertelstunde verzögerte, denn die Wunde musste zuerst verarztet werden. Was ich wiederum dazu nutzte, die Gebrauchsanweisung zu lesen, dies im nun schmerzhaften Wissen, dass ich das besser vorher gemacht hätte.

Nun sind aber nicht alles solch handwerkliche Volltrottel wie ich, etwa 105 Prozent der Menschheit wird das «Pack Sleep» vor keinerlei geistige oder körperliche Schwierigkeiten stellen. Hintere Sitzbank runterklappen, ein paar sauber passende Holzteile aus- und ineinanderklappen, eine dreiteilige Holzunterlage aufklappen, die Matratze drauf, fertig. 18 Minuten, wenn man unfähig ist wie ich; eine Viertelstunde schneller, wenn man handwerklich einigermassen begabt ist. Ist man eh nur zu zweit unterwegs, braucht man es auch gar nicht mehr auseinanderzubasteln nach Gebrauch. Und ja, zu zweit ist der Aufbau einfacher.

Es ist sicher besser, wenn man sich gut kennt, die Nähe nicht scheut oder sie sogar sucht, wenn man die Liegefläche im Jogger zu zweit nutzen will. Denn breit ist die Schlafgelegenheit nicht, 1,30 Meter, und 1,90 Meter lang. Allein ist perfekt, zu zweit eng. Zumal man gegen oben auch nur gerade 60 Zentimeter hat. Wilde Turnübungen oder schreckhafte Momente im Tiefschlaf können da leicht zu Kopfschmerzen führen. Doch man schläft gut, die mitgelieferte Matratze ist zwar relativ dünn, aber bequem genug, die Konstruktion stabil – und sie bietet unter dem Bett noch 220 Liter Stauraum. Und so ein kleines Tischchen, auf dem sich bestens ein Apéro oder am Morgen das Frühstück servieren lässt.

Und wer mehr Platz braucht, für den gibt es auch noch ein Zelt. Das ist wie die Matratze und die Verdunklungsblenden im Preis inbegriffen, wenn man den Neuwagen mit dem «Pack Sleep» bestellt. Ansonsten kostet es 450 Franken zusätzlich – und bietet allen Liebhabern von Tetris schon beim Aufbau und dann vor allem bei der Befestigung am Fahrzeug reichlich Spielraum. Wir haben es gar nicht erst versucht, fanden auch gar nicht den passenden Platz – und sahen auch schon einfachere Lösungen. Aber gerade, wer mit Kinder reist, für den ist das Gesamtpaket wahrscheinlich spannend, der Nachwuchs wird im Auto parkiert, die Erwachsenen nächtigen im Zelt, und alles ist gut. Eine passende Kühlbox gibt es übrigens für kleines Geld auch noch.

Das Gesamtpaket «Pack Sleep» ist absolut überzeugend. Wohl nicht für drei Wochen Ferien, aber für dann und wann einmal einen Ausflug ans Meer. Oder als Übernachtungsmöglichkeit an einem Festival, wenn man sich das Hotel sparen will. Oder für Bikerinnen, die nicht nach jedem Ausflug durch die Gebüsche dieser Welt wieder nach Hause fahren wollen. Zumal der Preis auch für den nachträglichen Einbau wirklich vernünftig ist – da spricht man bei anderen Anbietern von ganz anderen Preisen, mehr so in der Nähe eines neuen Dacia Jogger. Einmal mehr zeigt die coole Renault-Tochter, dass noch so Vieles für faires Geld möglich ist, wenn dem Hersteller die Kunden lieb sind.
Es wäre nun für die Kundschaft noch feiner, wenn der Dacia dem Jogger als 140 PS starken Hybrid auch all die Verbesserungen hätte angedeihen lassen, die der erneuerte Renault Clio schon erhalten hat. Leider wirkt der Rumäne in so ziemlich allen Fahrsituationen etwas überfordert, was nicht an mangelnder Leistung liegt, sondern an seinem sonderbaren Multimode-Automatik-Getriebe, das irgendwie nie den richtigen Gang findet. Auf der italienischen Autobahn, ganz besonders in den Hügeln vor oder nach Genua, ist das ziemlich anstrengend – und will man nicht komplett abfallen, steigt auch der Verbrauch mit über 8 Litern auf ein Niveau, das wirklich nicht mehr zeitgemäss ist. Am Mehrgewicht des «Pack Sleep» liegt es nicht, das beträgt nur gerade 45 Kilo. Das ist schade, man muss auf ein baldiges Software-Up-Date hoffen.

Denn ansonsten ist der Jogger ja auch ohne «Pack Sleep» ein interessantes Angebot. Es gibt ihn mit dem völlig ausreichenden TCe 110 und mit manuellem 6-Gang-Getriebe als Fünfplätzer für weniger als 20’000 Franken – das ist weiterhin eine ausgezeichnete Ansage, viel Platz in viel Auto für sehr vernünftiges Geld. Nimmt man die günstigste Variante, die absolut genügt, dann hat man für keine 22’000 Franken ein fahrendes Hotelzimmer. Das gibt es sonst nirgends, nicht einmal als schon betagter Gebrauchtwagen.

Ansonsten empfehlen wir: Ligurien. Nie ist der Weg ans Meer kürzer aus der Schweiz (falls man nicht gerade tief in der Ostschweiz wohnt). Von Alessandria auf der im Süden so abenteuerlichen A7 nach Genua, nach Osten weiter ins so romantische Camogli oder das mondäne Portofino – oder dann nach rechts in Richtung San Remo, was wir bevorzugen. Weil es dort am Meer weniger schick ist, irgendwie italienischer, auch günstiger (ausser San Remo). Dort findet man auch diese Campingplätze direkt am Meer, die ausserhalb der Hauptsaison nicht völlig überlaufen sind. Und genau dafür ist der Dacia Jogger mit dem «Pack Sleep» perfekt: Hinfahren, hinstellen, kurz aufbauen, ab ins Meer. Genau solche kleine Fluchten sollte man sich öfter gönnen, immer wieder, sie machen das Leben schöner.

Mehr hübsche Geschichten haben wir in unserem Archiv.
Bella!
Ich mach das etwas weiter drüben, die Berge runter nach Triest.
Nur Landstraße. Alfa 164 3.0 erste Distro ( die wunderbaren
Lenkradeinflüsse).. Ist so. 4h 400km.. Keine Sau. keine Touristen.
Und dann das Meer. 🙂