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Fahrbericht Mercedes-Benz G 500

Es war einmal

Gut, man könnte sich nun auch darüber auslassen, dass bei Porsche die Stromer teilweise mit «Turbo» angeschrieben sind und bei Audi weiterhin niemand versteht, was die Buchstaben-Zahlen-Kombinationen am Heck bedeuten könnten. Und ja, wir wissen auch, dass bei Mercedes die Zahlen längst sinnbefreit sind, der G 63 AMG hatte nur ganz kurz 6,3 Liter Hubraum, 2002/2003 als Zwölfzylinder, dann erhielt er einen 5,5-Liter-V8, seit 2018 sind es nur noch 4 Liter. Auch die «ewige» 500 hat schon länger nichts mehr mit 5 Liter Hubraum zu tun, bis vor kurzem war so ein G 500 (W463) noch mit einem 4-Liter-V8 bestückt, jetzt, als W465, ist es ein 3-Liter-Reihensechszylinder mit Hybrid-Unterstützung. Das ist jetzt die neue Basis-Motorisierung, immerhin braucht sich niemand mehr mit einem G 350 zu blamieren, der sich mit einem kümmerlichen 2-Liter-Vierzylinder in Bewegung zu setzen versuchte.

Es fehlt uns nun im neuen G 500 nicht bloss das einst so feine V8-Blubbern, das so gut zu diesem reinen Lifestyle-Gefährt gepasst hatte. Es fehlt uns in erster Linie das Verständnis, was dieser doch ziemlich hochdrehende Reihensechser (roter Bereich bei 6400/min) in diesem einst als Geländefahrzeug konzipierten Wagen zu suchen hat. Er tönt so rein gar nicht (ausser vielleicht: bemüht) – und irgendwie hat er auch Mühe, das doch 2,5 Tonnen schwere Gerät einigermassen standesgemäss voranzubringen. Theoretisch würden dank elektrischer Unterstützung ja stolze 760 Nm maximales Drehmoment zu Verfügung stehen, doch bis sich die 9-Gang-Automatik bei einem festeren Tritt auf Fahrpedal vom Schreck der Leistungseinforderung erholt hat, vergeht ein langer, stiller Moment, der dann von einer aufjaulenden Maschine akustisch jäh unterbrochen wird. Passieren tut dann aber doch erschreckend wenig, wir haben es hier mit einem klassischen GNC zu tun, einem «Gasoline-to-Noise-Converter». Wahrscheinlich haben wir nicht so ein feines, Tod’s bewehrtes Füsschen, dass wir den G 500 ausreichend stilvoll bewegen können, doch diese Motorisierung erscheint uns unpassend. Ob sie hartes Gelände könnte, wissen wir nicht, aber danach fragt die einschlägige Kundschaft schon seit Jahren nicht mehr.

Ach ja, wir plaudern hier von 161’900 Franken (Deutschland: 132’328 Euro, steht so im Konfigurator) Basispreis für so einen G 500. Was unser gutes Stück, das wir über Landstrassen und Waldwege gefahren sind, kostete, das wollen wir gar nicht wissen, wahrscheinlich ein Mehrfamilienhaus. Allerorten war es mit «Manufaktur» gekennzeichnet, und das Mensch, das es konfiguriert hat, besuchte sicher den Vorvorkurs einer Modeschule oder eines Influencer-Lehrgangs, verstand aber leider nichts vom manchmal auch praktischen Zweck eines Automobils. Andererseits, die seit 1979 gebaute G-Klasse will ja auch längst kein Geländewagen mehr sein, mit den auf dem Testwagen montierten Falken-Reifen kommt man wahrscheinlich nicht einmal mehr von einer feuchten Wiese, da passen helles Leder und mundgeblasene Ziernähte im Interieur sowie eine matte Tarnfarbe aussen dann schon zum martialischen Auftritt. So ganz allgemein könnte man sich vielleicht noch fragen, was denn der Bestimmungszweck eines solchen Fahrzeugs sein könnte, doch es ist uns klar, dass auch der Förster gepflegt unterwegs sein will, sich im Strom-Modus nun besser an den noch zu erlegenden Hirsch anschleichen kann, die Mami ein hohes Fahrzeug braucht, wenn sie ihre Kids vom Chinesisch-Frühkurs abholt, weil ihre Brut sie sonst nicht findet in der SUV-Masse der anderen Helikopter-Mütter. (Wir hätten da aber einen Tipp, schauen Sie mal hier, scrollen Sie runter bis #12162.)

Und wir sind dann wieder böse, weil wir zu schreiben wagen, dass so eine G-Klasse im Alltag keine Freude macht, automobiltechnisch. Das Fahrwerk, unterdessen mit Einzelradaufhängung vorne, ist zwar nicht ganz so knüppelhart wie bei einem Ur-Defender, aber komfortabel bleibt anders. Und flott um die Biegung kommt man definitiv auch nicht, man sitzt hoch, der Aufbau ist sehr hoch, das Fahrgefühl ist wie in einem Lieferwagen mit Anhänger. So richtig viel Platz haben die hinteren Passagiere definitiv nicht, das kann ein EQC besser (oh, den gibt es ja gar nicht mehr, still und heimlich hat uns dieses Erfolgsmodell verlassen). Immerhin fasst der Kofferraum 640 bis 2010 Liter, aber das darf man von einem Nutzfahrzeug auch erwarten. Ob man ihn auch nutzen kann, ist dann wieder fraglich, unser «Manufaktur»-Gefährt hatte hinten einen solch feinen Teppich vernäht, dass wir uns nicht getraut hätten, eine profane Kiste Bier darauf abzustellen. Aber mit einer aktuellen G-Klasse fährt man ja auch vor den Feinstkost-Laden, nicht zu Netto. Was man ihm zugute halten kann: Er ist trotz seiner Mächtigkeit (4,82 Meter lang, 1,93 breit, 2,04 Meter hoch) sehr übersichtlich. Und er hat einen 100-Liter-Tank.

Über 500’000 G-Klassen hat Mercedes seit 1979 verkauft. Einst war so ein Ding ein ganz ernsthafter Geländewagen, (qualitativ) besser als der Defender, auf einer Stufe mit einem Land Cruiser. Zum Protz-Stahl wurde er nur langsam, 1993 gab es den ersten 500 GE, dazu auch gleich noch die ersten AMG-Umbauten (mit 6-Liter-V8), es wurde über die Jahre immer weniger Dreck, dafür viel teurer, immer mehr (oder ausschliesslich?) Selbstdarstellung. Ja, es gibt auch von der jüngsten Version noch einen vernünftigen Diesel, G 350 d, nur 286 PS, doch vom einstigen Charakter ist rein gar nichts mehr übrig geblieben. Das ist der Lauf der Dinge, die Marge ist selbstverständlich ungleich höher als einst bei einem 240 GD mit 72 PS, bekannt als «Wanderdüne», da hat die Finanzerin unbedingt Freud’. Und allein schon deshalb ist es wohl unser ganz persönlicher Fehler, wenn wir den Zweck, die Sinnhaftigkeit eines solchen G 500 nicht ergründen können. Und da haben wir noch gar nicht über den G 63 AMG nachgedacht. Und auch nicht über den rein elektrischen G 580 mit seinen 415 Kilo Zuladung.

Wir fuhren dem Mercedes-Benz G 500 im Rahmen einer Veranstaltung von #gcoty. Sinnvollere Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv.

8 Kommentare

  1. Nick Nick

    Vorschlag: Für den Basispreis dieser rollenden Influenzer-Blase gibt es auch ein gut erhaltenes G400 CDI Cabrio, sprich kurzer Radstand.
    So ein Gerät fährt auf der Straße noch bescheidener und „schnell“ ist absolut nicht Seine Geschwindigkeit. Dafür ist das die richtige Mischung aus echtem Benz [Steyr], wie er mal für einen echten Einsatzzweck gemacht wurde, Freizeittauglichkeit und angemessener Motorcharakteristik. Damit kann man auch keinem Twingo über Basismotor entkommen, aber das Ding zieht gefühlt ein Fertighaus weg (in dessen DIN-Garage er locker reinpasst) ohne die Stimme zu erheben. Und es ist halt ein Led-freier Kasten in Schwarz oder Silber mit einem Innenraum, dem man schlimmstenfalls mit Eimer und Schwamm zu Leibe rücken kann, falls mal eine erlegte Sau auf der nur dafür zumutbaren Rückbank mitfahren musste.

  2. Es scheint der Lauf der Dinge zu sein, der Range Rover ist auch weit entfernt von dem universell zu nutzenden Fahrzeug, als das er einst geschaffen wurde, der richtige Defender ist tot, aber wurde in den letzten Produktionsjahren auch immer mehr zum Lifestyle-Produkt, den Mercedes G hat es eben besonders schlimm getroffen, im mattschwarzen Fascho-Outfit wurde er in den Großstädten zum Dienstwagen der bildungsfernen und bargeldnahen, eher speziell auftretenden Halbwelt, automobiles Prekariat eben.
    Daß kaum ein G im den letzten zwanzig Jahren je im Gelände war, versteht sich von selbst, beim Range Rover dürfte das nicht anders sein, es ist vorbei, solche Autos kann man nicht mehr fahren, wenn man noch ein Funken Selbstachtung hat.
    Schluß. Ende. Aus.
    Grüße aus einem Defender TD5 mit Stahlfelgen und ohne Aircondition!

    • Peter Ruch Peter Ruch

      diesen Defender kenn ich, meiner hat grad in weiss mit Rost-Flecken die 300k geknackt.

      • Gut, in der Schweiz fährt man mit einem Defender mehr als wenn man Großstadtbewohner mit sporadischen Ausflügen aufs Land ist, meiner hat in 17 Jahren erst 120.000 km abgespult und bewohnt eine beheizte Wagenhalle, insofern und mit Mike Sanders Hilfe blieb er bis jetzt vom Rost weitestgehend verschont…
        Ich nehme aber an, daß Ihrer auch deutlich artgerechter eingesetzt wurde und wird.

  3. Rolf Rolf

    2016 gab es mal den G Professional, der hatte irgendwie noch etwas.
    Die Karositze gingen wohl auf das Design der Küchentücher von Berta Benz zurück.

    Es ist zum heulen, in den 1980ern bis in die 1990er hinein gab es noch viele bezahlbare echte Geländewagen, die durchaus straßentauglich waren. Pajero, Patrol etc..

    Letztes Jahr fuhr ich ein paar tausend Kilometer durch Schweden.
    Man fährt dort sehr entspannt und gefühlt sind 90 % der Neuwagen elektrisch.
    In diesem Umfeld tauchte auf einem Autobahnstück plötzlich ein G63 AMG mit Probefahrtkennzeichen auf. Der wirkte so peinlich und deplaziert (obwohl es in Schweden tausende Kilometer Schotterpisten gibt), das war der Moment, ab dem ich kein G-Freund mehr war. Er passt inzwischen doch besser nach St. Pauli (wie der Kollege oben so herrlich treffend schrieb „bildungsfern und bargeldnah“).

    • Stimmt, der G Professionell mit der geteilten Hecktür was ziemlich cool, bei mir in der Straße wohnt so ein Auto, aber der Eigner pflegt auch immer mit 80 km/h durch die Villenbebauung zu brettern…
      Nein, das Thema Mercedes G ist durch, ähnlich wie eine S-Klasse sind diese Autos für Menschen mit einem Funken Selbstachtung nicht mehr fahrbar.
      Überhaupt scheint sich für mich das Thema Auto immer mehr zu erledigen, von den Klassikern abgesehen, das hat sicher auch mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu tun, der Auflösung bürgerlicher Strukturen, dem geborgten Wohlstand aka Leasing, der autofeindlichen Einstellung des Juste Milieus.
      Heute fragte mich mein Autoaufbereiter, bei dem ich meinen 20 Jahre alten Jaguar XJ abholte, wo ich denn in dieser ruppigen Stadt mit so einem feinen Auto hinfahren würde?
      In der Tat stellt sich diese Frage immer häufiger, insbesondere bei richtigen Geländewagen, und auch ich gehöre zu den Leuten, die ihren Defender viel zu selten artgerecht bewegen, immerhin besitze ich ein Segelboot, was ich mit dem Wagen ziehe, ein Landhaus mit entsprechendem Land drumherum und ziehe ab und zu sogar einen Anhänger mit Gartenabfällen damit. Aber viel mehr als ein paar morastige Feldwege hat er auch noch nicht bewältigen müssen, von einer Reise nach und durch Island abgesehen.
      Der Mercedes G ist zu einem zynischen Marketing-Tool mutiert und durch seine martialische Anmutung bedient er eben inzwischen eine Klientel, die weder fein, noch elegant und schon gar nicht freundlich wirken möchte, sondern gewaltbereit und scheinbar respekteinfößend. Sehr unangenehm.

  4. maxi moll maxi moll

    Mein 1999 er V8 G ist gut!
    der wurde 2012 voll gepanzert und aufgerüstet.
    Du kannst durch den Kugelhagel fahren, das ferngesteuerte Turm Mg
    vom Computer bedienen und dich ansetzen.

    coppy?

    Am getarnten Sammelpunkt x wird das zerfallende Wrack gegen gepanzerten
    Toyota Landcruiser getauscht und man zieht sich weiter in die dunklen Wälder
    zurück.

    Anfang September 2027.. Nach dem die Front einbrach und wir gingen..
    2028 am 2 Mai war Frieden.
    Die Übergangsregierung in Moskau tagt.

    und weiter… OTAN

  5. Martin Martin

    Hey Leute, wenn Ihr wieder einmal einen satten V8-G hören wollt: Fliegt nach Ulaan Bataar, Mongolei; dort gibts die noch zu Hauf, mit beachtlichen km-Leistungen (auch über 500kkm), ein akustischer Schmaus erster Güte! Die artgerechte Haltung ist da auch garantiert, schon 15 Kilometer ausserhalb beginnen die ersten Pisten, und Feldwege mit Grünstreifen zwischen den Rädern werden in der Strassenkarte als Hauptverkehrsachsen geführt. Und: wen wundert’s, dass Brabus da eine Niederlassung führt 🙂

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