Falsch verstanden
Vor bald drei Jahren verkaufte ich meinen Fiat Panda 4×4, Jahrgang 1988. Mechanisch war er noch bestens, der unzerstörbare FIRE-Motor, aber optisch halt so, wie so ein über 30-jähriger Fiat mit mehr als 150’000 Kilometern aussieht: sehr gebraucht. Ein Bekannter (mit einer eindrücklichen Sammlung) wollte mir aber trotzdem und unbedingt deutlich mehr bezahlen, als das Auto damals noch wert war, er hatte mitbekommen, dass diese allradgetriebenen Panda hip seien – und überhaupt habe er ein Haus in St. Moritz, da gehöre so ein Panda einfach hin. Schweren Herzens, aber für ein paar unverhoffte Taler trennte ich mich von meinem langjährigen Winterauto. Und ich wusste ja, wo ich wieder einen kriegen würde, sollte ich Bedarf haben, schon das gerade verkaufte Stück hatte ich für zwei warme Mahlzeiten im ligurischen Hinterland erstanden.



Kürzlich sah ich «meinen» Panda wieder (nein, es ist nicht jener auf den Bildern oben). Ich erkannte ihn nicht wieder, Zwei-Farben-Lackierung, höhergelegt und verhältnismässig fette Reifen, der Innenraum besser wie neu (denn Leder-Einzelsitze gab es für den Panda nie), Chromstahl-Gepäckträger und -Auspuff, eine ganze Batterie an Rallye-Scheinwerfern, die wohl schwerer wiegt als das ursprüngliche Gefährt. Mindestens 30k hatte mein Bekannter in dieses Fahrzeug investiert, auch einen neuen Motor spendiert, die genaue Zahl wollte er mir nicht nennen. Was ich aber genau sehen konnte, weil ich es halt noch wusste: 57 Kilometer waren in den vergangenen drei Jahren auf den Tacho gekommen, in St. Moritz war der Fiat also definitiv noch nie. Er wollte, erzählte mir der neue Besitzer dann, doch seine Beifahrerin habe ihn nach ein paar Kilometern gebeten, doch wieder nach Hause umzukehren, mit dem Cayenne GTS sei es doch viel bequemer. Und ja, seither habe er ihn nicht mehr gefahren, den aufgebretzelten Panda. Aber er sei ganz, ganz toll, nie wieder würde er ihn hergeben, für kein Geld der Welt.




Das ist wahrscheinlich das Schicksal praktisch aller Fiat Panda 4×4, die derzeit in Mitteleuropa für teilweise absurde Summen gehandelt werden. Und wenn ich dann in den Inseraten noch Dinge lese wie «Erstlack» und den entsprechend irrwitzigen Preiszettel sehe, dann ist ganz klar: Da wird wieder ein Panda keinen Schnee mehr sehen, keinen Forstweg, wahrscheinlich nicht einmal eine nasse Gasse. Selbstverständlich darf ein jeder mit seinen Autos machen, wie es ihm gefällt, man darf auch Pandas konservieren, pimpen, aufmotzen, sammeln, in klimatisierte Garagen stellen. Und ich versteh jede Händlerin, die mit so einem Fiat eine schnelle Mark machen kann, weil es weiterhin einen Hype gibt, es in gewissen Kreisen anscheinend zum guten Ton gehört, auch solch einen italienischen Zwerg am Hof zu halten. Aber schade ist es halt trotzdem: Noch selten gab es ein klassenloseres Automobil als die «tolle Kiste» – und jetzt verkommt auch die noch zum Spielzeug gelangweilter Bonzen. Doch auch diese sollten den Fiat unbedingt einmal etwas ausführlicher fahren, bevor sie ihn zum Lifetsyle-Objekt up-graden. Dann merken sie vielleicht, dass er winzig ist, unbequem, laut, langsam, all das nicht, was gut Betuchte von ihren Automobil erwarten. Und die Drittfrau mag das sowieso nicht, es könnte sie an ihre Vergangenheit erinnern.



Ach ja: Jetzt hat es so ein Panda 4×4 gar zum renommierten Auktionshaus RM Sotheby’s geschafft. Gut, es ist das Exemplar, das einst Fiat-Boss Gianni Agnelli gehörte, es kommt gerade frisch aus der Restauration. Erwartet werden zwischen 20’000 und 40’000 Euro.
















Mehr feine Automobile haben wir in unserem Archiv.
Es scheint dies das Schicksal von so vielen „Kultautos“ zu sein, kreative „Designer“ beschäftigen sich damit, frugale Hartplastik-Innenräume mit feinen Stoffen und weichem Leder zu veredeln, exotische Lacke wie „Grigio Ingrid“ auf das dünne Blech zu applizieren, Nardi-Lenkräder in Gebrauchsautos zu verpflanzen und das Ganze dann für viel Geld als Fashion-Accessoire nach St. Moritz, San Remo oder Sylt zu verkaufen.
Dem Panda 4×4 geht es nicht anders als dem klassischen Defender, beide sind zu Modeartikeln geworden, einerseits werden sie so angemessen gepflegt, andererseits verlieren sie natürlich ihren Charakter.
Ich selber bin nicht ganz frei davon, mein Defender ist auch mit feinem Teppich und einem Moto-Lita-Holzlenkrad „veredelt“, der Mittelteil des Armaturenbretts ist als Reminiszenz an die Series-Land Rover in Wagenfarbe lackiert und Schalter und Schalthebelknöpfe sind aus poliertem Aluminium, ich bilde mir ein, daß der Charakter des Defenders mit diesen Modifikationen noch gewahrt bleibt, äußerlich ist er weitestgehend serienmäßig und die Alufelgen, die er bei der Auslieferung hatte, habe ich sofort gegen weiß lackierte Stahlfelgen getauscht und regelmäßig angemessen benutzt wird er auch, dieses Jahr soll es nach Island gehen, zum Lachse fischen.
Besonders absurd finde ich diesen High-End-Veredelungswahn vor allem, weil es sich beim Panda und beim Defender ja eher um Arbeitstiere handelt, die zu der Zeit, als man sie ganz normal beim Händler kaufen konnte, nie solche Behandlung erfuhren, anders als beim klassischen Mini-Cooper, der, trotz seiner Bestimmung als Massenverkehrsmittel für das Volk, schon bald zum Town-Car der Happy Few mutierten und durch Firmen wie Harold Radford oder Wood & Pickett verändert und veredelt wurden, anders auch als die Käfer-Cabrios der letzten Serie, die mit Lederpolstern, Cibie-Scheinwerfern, Oettinger-Motoren und Chromfelgen schon in den siebziger Jahren vor den Häusern mit den hohen Hecken parkten.
Und wie lächerlich diese High-End-Pandas wirken, zeigt der bis auf die Lederpolster komplett serienmäßige Panda 4×4 des Avvocato aus Turin, vermutlich hatte seine Frau auch keine Handtasche mit den Initialen des Herstellers drauf…
Traurig.
Die Exemplare, die von Jägern und Winzern endverbraucht wurden, haben es definitiv besser getroffen.
Hier in der Ecke gab es einen hemdsärmelig modifizierten 4×4, der regelmäßig bei lokalen Slaloms und Bergrennen antrat. Scharf gefahren hat dieses Gerät regelmäßig genau das Klientel an „Sportfahrern“ verscheucht, das jetzt solch absurde Preise zahlt. Damals wurde freilich nur die Nase gerümpft und gebeten, „mit dem langsamen Auto doch gleich die Strecke frei zu machen.“ Ging meistens nach hinten los 😉
Vielleicht sollten wir uns alle den Nachfolger Panda Cross genauer anschauen. Zwar beileibe keine Schönheit, aber ebenfalls grundehrlich und für jeden Spaß bereit. Kostet auch nicht mehr, als das Aufgeld bei den Auktionen der aufgebrezelten 4×4…
So negativ würde ich das Ganze nicht sehen …
Vorab: Ich beschäftige mich mit der »Kiste« seit vielen Jahren. Fahre. Stehe drunter. Handle auch damit. Bin also einigermaßen im Thema.
Man kann das eine oder andere mit Argusaugen betrachten. Muss selbst ja nicht jeden »Trend« mitmachen. Und dass vor allem die Allrad-Pandas (141) mittlerweile halt den Weg vom Nutztier zum Liebhaberfahrzeug gefunden haben, muss auch nicht nur Negatives bedeuten. Ich kenne viele Leute, die heute den Panda gerne fahren (und pflegen und genießen), ohne ihm das Ledersitze-Gedöhns und die St. Moritz-Dachkörbe umzuhängen. Und keine Bergbauern oder Hüttenwirte sind. Auch die »kids« mögen den Panda – Ich habe mal einen verde-olivo-farbenen (ja, dieses schrille Türkis …) an eine Schülerin verkauft – die ist 2 Jahre lang damit Tag für Tag in die Ausbildung gefahren. Ganz normal. Bis er quasi auseinanderfiel …
Weiß nicht, ob hier Platz für eine solche Geschichte ist …
https://www.prossinger.at/verflixte-7-jahre-welli-laeuft/
Es lebe der Bär!
…zwar kein Allrad aber 36 Jahre beim Erstbesitzer, deutlich benutzt, verbeult mit Flechten bewachsen, seit Anfang nur einmal gewaschen und ausschließlich unter der Laterne geparkt…
vor ein paar Monaten, war ich bei der Vernissage zum Bildband „Henscheids Panda“…
„ein einziges Mal ist er nicht angesprungen, kurz gewartet, dann lief er wieder…“
die Besitzer haben wenig Begeisterung für Autos, der Panda ist deren Einziges…der ist bequem!…trotz einiger Versuche – nein, wir möchten ihn nicht verkaufen… „der läuft doch, der hat doch noch TÜV…“
meiner ist ein Welly aus 85 von Steyr-Puch, in Graz und Mailand gebaut… nein, nicht zu verkaufen – er hat so graziles Campinggestühl und sonst spartanisch – er braucht nicht mehr!
Ja, ja, die Zeit heilt alle Wunden. Vom Billigauto, Primitivauto, Wegwerfauto, zum Kultauto und Statussymbol.
Die „tolle Kiste“ hat schon eine erstaunliche Entwicklung hinter sich gebracht.
wir haben 2025…. das ist noch Luft nach UNTEN..
Toller Artikel. Die Drittfrau.
Als ausgebildeter Designer hatte ich von Anfang an ein ganz großes Herz für dieses herzige Bärchen. Mit dem asymetrischen Grill (unbedingt!!!). So einen hatte ein Kommilitone und er hat so manchen Kilometer in HH mit mir überstanden. Auch der Aschenbecher – Design vom Feinsten.
Die lustigste der tollen Kisten? Für mich der, dem ich auch in HH begegnet war. Hinten (auf der Scheibe?) ein Aufkleber: „Ich bin ein rezyklierter Ferrari“ (evtl. einer, der auf die Agentur Jung/vonMatt angemeldet war? So wie ich es erinnere, waren die für den Slogan der tollen Kiste verantwortlich).