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Der erste Porsche-Hybrid

Semper Vivus

Es war so: Ferdinand Porsche, «Vater» der später legendär gewordenen Sportwagenschmiede, liess sich den Hybridantrieb bereits 1896 patentieren. Vier Jahre später präsentierte er an der Pariser Weltausstellung seinen «Semper Vivus» mit zwei Radnabenmotoren und zwei Einzylinder-Benzintriebwerken von De Dion Bouton. Bereits ein Jahr früher, also 1899, gab es aber bereits ein anderes Hybridauto, und das kam aus Spanien. Der spanische Admiral Emilio de la Cuadra liess vom Ingenieur Carlos Vellino ein Fahrzeug entwickeln, das ebenfalls über Elektromotoren verfügte und dessen Batterien per Dynamo von einem 5-PS-Benzinmotor geladen wurden. Weil Porsche aber das Patent bereits viel früher angemeldet hatte, darf man den Namen Porsche getrost mit der Erfindung des Hybridantriebs in Verbindung bringen.

Doch zurück zu Porsche und Lohner: Ferdinand Porsche, geboren 1875, begann seine Karriere als noch junger Mann beim Elektro-Unternehmen Egger in Wien. Egger lieferte damals die Elektromotoren für den Kutschenfabrikanten Lohner, der an die Zukunft des Automobils glaubte und auch mächtig investierte. Porsche, der bei seinem Vater eine Lehre als Klempner gemacht hatte, war bei Egger innert vier Jahren vom einfachen Arbeiter zum Leiter des Prüfraums aufgestiegen. In seiner Freizeit belegte er Kurse an der Technischen Hochschule in Wien. Und er war unermüdlich: Innert zweier Jahre legte Ferdinand Porsche Lohner das Konzept für einen elektrischen Antrieb vor.  Der Vorteil war offensichtlich: Der neue Motor konnte direkt in die Räder montiert werden (nicht in die Radnaben, wie oft kolportiert wird), ein Getriebe entfiel. Doch dieser erste Lohner-Porsche hatte auch seine Nachteile: Das Gewicht war zu hoch, die Reichweite von maximal 80 Kilometern nicht überragend (die Geschichte vom Egger-Lohner Elektromobil haben wir schon erzählt, hier).

1901 folgte dann der «Semper Vivus» (lat. «immer lebendig»). Leider gibt es kein Fahrzeug von damals mehr, und ausser ein paar Bildern und zeitgenössischen Texten konnte keinerlei Material über dieses Fahrzeug beschafft werden. Keine technischen Zeichnungen, nur vergilbte Fotografien sollten also den Grundstein für den Neuaufbau des Lohner-Porsche-Hybrid bilden. Mit der handwerklichen Durchführung beauftragte das Porsche-Museum ein Expertenteam um den Karosseriebauer Hubert Drescher, der bereits zuvor seine Kompetenz bei zahlreichen schwierigen Restaurationsprojekten unter Beweis gestellt hatte. Neben mehreren Rennwagenprojekten stammt auch die im Museum ausgestellte Aluminium-Karosserie des Porsche Typ 64 aus der Werkstatt des Karosseriebauers aus Hinterzarten.

Bevor das Projekt starten konnte, stand zunächst eine ausführliche Recherche in verschiedenen Archiven in ganz Europa an. Am Ende bildete eine Handvoll Schwarzweiss-Bilder sowie eine einzige originale technische Zeichnung eine erste Grundlage. Da keine hilfreiche Aufzeichnungen überliefert waren, erstellten Experten zunächst in alt bewährter Form, handschriftlich auf Millimeterpapier, Rechentabellen und Konstruktionspläne. Fotos und Zeichnungen wurden dazu genauestens studiert und vermessen. Da kein Radnabenmotor existierte, mussten technische Details wie Fahrleistung und Reichweite von Grund auf neu erdacht und berechnet werden. Auch die Teilebeschaffung war manchmal abenteuerlich. Schliesslich findet man Motoren von De-Dion Bouton auch nicht an jeder Strassenecke – und für den «Semper Vivus» brauchte man ja gleich deren zwei. Drei Jahre arbeitete das Team um Drescher an ihrem Baby. Eine Anekdote ist dem schelmischen Badener besonders in Erinnerung geblieben. Die lange Suche nach einem Hersteller für die Vollgummireifen für die riesigen Hinterräder endete mit einem mächtigen Paket vor der Werkstatt. Der Durchmesser passte, aber der Gummi war fast drei Mal so breit wie die Felge. Also baute Drescher kurzerhand einen Drehbank um, spannte das Rad auf und schabte in bester Drechslermanier kiloweise Gummi ab, bis die Lauffläche perfekt aussah.

Und wie fährt das Ungetüm? Wie eine Kutsche halt. Im reinen Elektrobetrieb setzt sich die Fuhre völlig lautlos in Bewegung. Die Lenkung ist unglaublich schwer zu bewegen, eine S-Kurve mit dem Lohner-Porsche zu durchfahren, bringt dem Bizeps mehr als ein dreistündiger Besuch in einer Mucki-Bude. Rappeln die beiden Einzylinder hinter dem Fahrer, um die Batterie zu laden, ist es mit der Stille vorbei. Neben Lärm und Vibrationen muss der Beifahrer auf den Rücksitz auch aufpassen. Die offenliegenden Kontakte an den Zündkerzen sorgen sonst für unschöne Gefühle an den Händen – falls er das nach dem Einatmen der Abgase überhaupt noch bemerkt…

 

Es ist dies ein älterer Text von Markus Chalilow – mehr Porsche haben wir in unserem Archiv.

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