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Ford Cortina Lotus Mk1

Lichthupe serienmässig

106 PS, das schafft heute jeder elektrische Hilfsmotor in einem Plug-in-Hybriden, auch wenn er nur den Zigarettenanzünder unterstützen muss. Doch als 1963 der Ford Cortina Lotus (oder auch Lotus Cortina) auf den Markt, da waren diese 106 PS aus einem 1,6-Liter-Motor in einer nur etwa 850 Kilo schweren Limousine – grossartig. Einfach zur Erinnerung: der so legendäre VW Golf GTI wurde erst 12 Jahre später vorgestellt, war quasi gleich schwer und hatte nur gerade 4 Pferdchen mehr. Und: Frontantrieb. Und es gab den GTI auch nicht nur in Weiss mit diesem grünen Streifen.

Wer die Idee hatte, darüber gibt es verschiedene Geschichten. Sicher ist, dass Colin Chapman 1961 einen neuen Motor brauchte, weil ihm die Coventry-Climax-Maschinen zu teuer wurden. Er beauftragte Harry Mundy, der den Coventry-Motor entwickelt hatte, auf Basis des 1-Liter- und des 1,3-Liter-Ford-Kent-Aggregats eine neuen Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen (Twin Cam) zu konstruieren, als 1962 der Ford-116E mit 1,5 Liter Hubraum auf den Markt kam, verlegte man sich mit Hilfe von Keith Duckworth (der zweite Teil von Cosworth) auf dieses Aggregat. Schon 1962 konnte Jim Clark im Lotus 23 auf dem Nürburgring einen ersten Sieg mit diesem Motor einfahren, kurz darauf wurde der Hubraum durch eine grössere Bohrung auf 1577 cm3 erhöht. Ob es nun Chapman war, ständig in Geldnot und durch die kurz bevorstehende Lancierung des Elan noch klammer als sonst, der Ford den Twin Cam anbot oder eben doch Ford-Manager Walter Hayes, der bei Lotus anklopfte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Man wurde sich auf jeden Fall sehr schnell einig, dass Lotus 1000 Exemplare des 1961 lancierten Ford Consul Cortina mit der neuen Maschine (und einigen weiteren Verbesserungen) ausrüsten würde, damit man das Fahrzeug für die Gruppe 2 homologieren konnte.

Die Hallen von Lotus befanden sich damals noch in Cheshunt – und es muss ein emsiges Treiben gewesen sein dort. Denn Ford lieferte zwei die zweitürige Cortina-Variante und übernahm auch das Marketing, doch Lotus baute nicht nur den Twin-Cam-Motor ein, sondern auch das kürzer abgestufte Getriebe aus dem Elan. Dazu kamen Türen, Motorhaube und Kofferraumdeckel aus Alu. Auch das Fahrwerk verbesserte Lotus, doch das musste anscheinend etwas schnell gehen, denn die Hinterradaufhängung erwies sich schnell als Schwachstelle des Cortina Lotus. Ach ja, nur Girling-Bremsen erhielt das Fahrzeug auch noch. Obwohl der Mk1 nur bis Ende 1966 gebaut wurde, erhielt er in der kurzen Zeit vier ziemlich tiefgreifende Überarbeitungen, die jüngsten Modelle sind sicher die besten. Und ja, es gab auch verschiedene Versionen, wie die Schweizer «Automobil Revue» schrieb: «Der im Februar 1963 angekündigte Cortina Lotus wird in drei Varianten gebaut. Die von uns geprüfte Normalausführung mit 106 PS ist für täglichen Gebrauch in den Händen von Liebhabern eines sportlichen Wagens bestimmt, die eine geräumige Limousine benötigen, sie kann auch für die Teilnahme an Sportveranstaltungen in der Kategorie der serienmässigen Tourenwagen dienen. Ihr Preis beträgt 14’500 Franken. Die Sonderausrüstung (1600 Fr.) besteht aus anderen Nockenwellen und steigert die Motorleistung auf 115 bis 120 PS. Eine letzte Stufe ist die eigentliche Rennlimousine mit einem 140-PS-Motor von sehr beschränkter Lebensdauer, dem hohen Preis von 27’250 Fr., nur als Staffage dienenden Hintersitzen und zahlreichen technischen Änderungen.»

Ach, das waren noch Zeiten, als die Helden der Testberichterstattung der «Automobil Revue» noch Satzgebilde schufen wie diese: «Die Beschleunigung des Cortina Lotus ist schlechtweg hervorragend, sofern man die Drehfreudigkeit des kernigen Motors und das Getriebe sinngemäss ausnützt. Aus einem Bummeltempo von 80 km/h auf offener Strasse lässt sich durch Zurückschalten in den 2. Gang und vollem Beschleunigen im 2. und 3. Gang eine Geschwindigkeit von 140 km/h in weniger als 500 m erreichen. Man kann sich vorstellen, wie sehr sich das Überholen dadurch verkürzt und damit an Gefährlichkeit verliert.» Heute würde der Pilot lebenslänglich verwahrt, wenn er auf der Landstrasse nur schon in den 3. Gang schaltet, die Motorenlärm- und sonstigen E-Dings-Jünger würden ihn steinigen. Wobei, sie wissen ja gar nicht, was schalten bedeutet; die AR-Zeilen oben sind bald 56 Jahre alt und erschienen im Mai 1964 unter dem Titel «Vom Familienfahrzeug zur Sportlimousine mit den Leistungen eines Vollbluts». Die AR beklagte sich damals auch noch darüber, dass die Zeitspanne für einen vollständigen Test zu kurz gewesen sei, man habe nur 3000 Kilometer fahren können.

Aber sie müssen die wahre Freude gewesen sein: «Die so sportlich ausgelegte Maschine gibt alles, was man von ihr erwartet. Bei aller Rasse erwies sie sich über die Prüfstrecke von 3000 km als unempfindlich und gebrauchstüchtig, Im Leerlauf ist ein deutliches Geklapper vom Ventilantrieb her zu vernehmen, und zwischen 5500 und 6000 U/min nehmen die Geräusche erneut sehr stark zu; dazwischen ist der Motor nicht übermässig laut, und sein Auspuff wird auch bei Vollgas nicht als lästig empfunden. Es ist aber nicht angezeigt, bei weniger als etwa 2200 U/min voll zu beschleunigen, da sonst der Motor Vibrationen und Schüttelbewegungen erzeugt. Bei etwas über 3000 U/min steigt das Drehmoment rasch an und erreicht bei rund 4000 U/min sein Maximum. Von 5500 U/min an sinkt die Leistung wieder, und beim Testwagen setzte die Zündung bei 6200 U/min aus. Das ist kein Konstruktionsfehler, sondern volle Absicht, denn der Motor ist mit einem Drehzahlbegrenzer (Fliehkraftregler im Unterbrecher) versehen, der jedes Überdrehen ausschliesst.»

Damals schien der Verbrauch auch noch nicht wirklich ein Thema zu sein: «In der von uns gefahrenen Einstellung lag der Verbrauch bei etwa 15 Liter auf 100 km. Es ist möglich, durch sparsame und zurückhaltende Fahrweise weniger zu verbrauchen, doch ist der Wagen nicht dafür gedacht. Im Stadtverkehr steigt der Verbrauch in die Nähe von 20 Liter, da man hier die hervorragende Beschleunigung im 1. und auch im 2. Gang immer wieder ausnützt.» Doch man braucht sich auch nicht zu wundern, dass die Testfahrer auf solche Zahlen kamen, wenn man ihre Beschreibung des Fahrverhaltens liest: «Dass sich die enorme Kraftreserve des Cortina Lotus in Sicherheit ausnützen lässt, so verdankt man das den Aenderungen am Fahrwerk. Gewiss sind die Fahreigenschaften nicht ebenso aus einem Guss wie bei einem teuren Spitzenfahrzeug; aber das Resultat entspricht dem gesteckten Ziel. Im gesamten fährt der Wagen straffer, genauer und verfügt über eine ungleich höhere Radhaftung als die normalen Cortinas. Unter keinen Umständen war es das Fahrwerk, das uns eine Tempomässigung auferlegte, sondern stets die Konfiguration der Strasse, der Verkehr oder die Sicht. Wir erhöhten sehr bald den vorgeschriebenen Reifendruck um etwa eine halbe Atmosphäre auf 2 atü vorn und 2,4 atü hinten, wodurch sich die anfänglich übermässige Tendenz des Vorderwagens zum Geradeausfahren, in der Kurve auf ein leichtes Untersteuern reduzierte und die Lenkung wesentlich leichter ging. Die Einbusse an Reifenfederung nahmen wir um so eher in Kauf, als die SP-Pneus ohnehin ziemlich hart ablaufen. Dafür ergeben sie eine gute Seitenführung auf trockener wie auf nasser Fahrbahn und in Kurven auf guter wie auch auf schlechter Strasse. Im richtigen Drehzahlbereich lässt sich das Heck mit Gas nach aussen anstellen, und bedient man Gas und Lenkung richtig, so werden die Kurven alsobald zur Quelle reinster Freude.» Noch ein schöner Satz: «Eine Lichthupe, wie sie nunmehr serienmässig vorgesehen ist, gehört bei einem so raschen Wagen zu den Notwendigkeiten.»

Schon 1963 waren die Cortina Lotus homologiert – und fuhren bei ihrem ersten Rennen beim Oulton Park Gold Cup die vorher fast unschlagbaren 3,8-Liter-Jaguar in Grund und Boden. Einige der berühmteren Helden hatten ihren Spass im äusserlich so zurückhaltenden Ford, Jim Clark gewann 1964 die britische Saloon-Car-Meisterschaft locker, auch Jackie Stewart oder Jacky Ickx fuhren Siege ein; die härtesten Gegner waren die GTA von Alfa. Die heissesten Geräte hatten Ende der 60er Jahre über 200 PS und drehten auf bis zu 9500/min; heute gehören die Cortina Lotus im Historic Racing zu den beliebtesten Fahrzeugen überhaupt. Was auch erklärt, weshalb sie nicht ganz günstig sind. Und ja, wir wissen auch, dass es nie einen Ford Cortina Lotus als Station Wagen gab, das Fahrzeug, das wir hier zeigen ist ein späterer, sehr professioneller Umbau und stammt aus der grossartigen Elkhart-Collection, die am 1./2. Mai 2020 von RM Sotheby’s versteigert wird. Wir würden ihn mit Handkuss nehmen, ihm auch ein ganz liebevolles Daheim bieten…

Mehr spannende Klassiker haben wir in unserem Archiv.

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