Auf Anhieb
So ganz ohne Erfahrung mit Strom ist Toyota nicht, die Japaner waren mit dem Prius vor unterdessen 25 Jahren die wahren Hybrid-Pioniere. Als die e-Hysterie vor einigen Jahren ausbrach, hielt sich Toyota vornehm zurück, auch mit der Begründung, dass man die Technik als noch nicht ausreichend ausgereift betrachte – und dass insbesondere bei der Langlebigkeit doch noch einige Fragezeichen bestehen würden. Kein Wunder, dass die Japaner jetzt genau in diesem Bereich ein Ausrufezeichen setzen: Zehn Jahre oder eine Million Kilometer Garantie auf die Batterie gibt kein anderer Hersteller. Da muss man sich seiner Sache schon sehr sicher sein – man kann Toyota zu diesem Schritt nur gratulieren, er dürfte das Vertrauen in die (ganze) e-Mobilität entscheidend steigern.
Dass der erste reine Stromer von Toyota und Subaru ein SUV werden durfte, ist selbstverständlich dem Markt geschuldet, der SUV-Boom hält weiter an. Dass die Japaner den bZ4X wie auch den optisch nur in Details veränderten Solterra mit einem doch recht klassischen Design mit klar akzentuierter Fronthaube auf die Strasse bringen, überrascht auch nicht weiter. Toyota hat zwar versprochen, «no more boring cars» zu bauen, aber als wilder Vorreiter sieht sich der weltgrösste Auto-Hersteller dann doch nicht. Wie auch immer, der bZZ4X macht schon gut was her – und grenzt sich zudem gut vom RAV4 Hybrid ab, ohne aufdringlich modernistisch zu wirken. Die Dimensionen sind auch etwas anders: Gegenüber dem Toyota RAV4 tritt der bZ4X mit einer 85 Millimeter geringeren Aussenhöhe, kürzeren Karosserieüberhängen und einem 160 Millimeter längeren Radstand an. Der Subaru Solterra hat ja keinen internen Konkurrenten.
Auch in Sachen Technik bleiben die Japaner auf der sicheren Seite. Wir beschränken uns hier auf die allradgetriebenen Varianten (beim Subaru gibt es nur diese), weil diese in der Schweiz den grösseren Marktanteil haben wird – und weil wir nur diese bisher auch gefahren sind. Für Vortrieb sorgen zwei 80-kW-Elektromotoren hinten und vorne, die Systemleistung beträgt umgerechnet 218 PS, das maximale Drehmoment 336 Nm. Ihren Strom beziehen die e-Motoren aus einer Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 71,4 kWh. Beim Allradler gibt Toyota eine Reichweite von 415 Kilometern nach WLTP an, der Verbrauch soll bei 14,4 kWh/100 km liegen. Das ist optimistisch, aber nach einem ersten Fahreindruck sind wir der Überzeugung, dass es machbar ist – die japanischen Hersteller sind bekannt dafür, ihre eigenen Verbrauchsangaben auch im wahren Leben sehr gut einhalten zu können. Das würde wiederum bedeuten, dass Solterra/bZ4X zu den sparsamsten e-Autos auf dem Markt gehören könnten. Wobei wir ja auch da wissen, dass es sehr auf die Fahrweise ankommt. Und die Temperaturen. Und welche Nebenaggregate noch mitlaufen, also etwa die Klimaanlage.
Auch in Sachen Ladegeschwindigkeiten will Toyota keine Rekorde brechen. Das onboard-Ladegrät schafft die klassischen 11 kW, am Schnelllader sind maximal 150 kW möglich. Die Begründung dafür haben wir oben schon erwähnt: Langlebigkeit der Batterie. Wird sie nicht dauernd gestresst, hält sie länger. Und da kommt nun eine Mischung ins Spiel, die Toyota und Subaru wohl sehr bedacht gewählt haben: konservative, sehr verlässliche Technik trifft auf ein Fahrzeug, dessen Charakter auch von Zurückhaltung geprägt ist. Zwar hat Japaner seinem ersten e-SUV viel Bodenfreiheit sowie das gemeinsam mit Subaru entwickelte Allradprogramm X-Mode verliehen, damit man auch «off road» seinen Spass haben kann, doch ansonsten ist die Auslegung des Fahrwerks definitiv auf der komfortablen Seite. Zu hohe sportliche Ambitionen sind das Ding des bZ4X nicht, man fährt mit ihm besonnen und folglich auch ressourcenschonend. Die rein elektrische Lenkung dürfte noch etwas mehr Rückmeldung von der Strasse geben; schon im nächsten Jahr wird der bZ4X mit der «steer-by-wire»-Option erhältlich sein (haben wir schon mal ausprobiert, darüber berichten dann auch noch).
Der Subaru ist noch etwas mehr auf unschönere Strassenbedingungen ausgelegt als der Toyota, er verfügt auch noch über zusätzliche Fahrprogramme. Für die Schweiz besonders interessant dürfte der Tiefschnee-Modus sein; schön auch, dass Subaru da seinen eigenen Zug fahren darf. Bei ersten Fahrversuchen zeigte der Subaru Solterra die ganz allgemeine Überlegenheit der Stromer im Gelände. Weil viel Drehmoment sofort und bestens dosierbar zur Verfügung steht, schaffte der Japaner steilste Steigungen und schlammige Passagen mühelos. Das ist schon ziemlich beeindruckend.
Ebenfalls sinnvoll ist der Rekuperations-Boost. Sobald der Fahrer den Fuss vom Fahrpedal nimmt, setzt während des Ausrollens eine auf 0,15 g verstärkte Bremsenergie-Rückgewinnung ein. Dieses «Single Pedal Drive» vermittelt tatsächlich ein sehr natürliches Fahrgefühl und soll rund 80 Prozent der sonst im normalen Betrieb anfallenden Bremsmanöver ersetzen. In Sachen Beschleunigung gehen beide Modelle in etwa 7 Sekunden von 0 auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit wird auf 180 km/h limitiert.
Man sitzt hoch und man sitzt bequem im Toyota bZ4X und auch im Subaru Solterra, typisch für ein SUV. Dank einer neuen Klimaanlagen-Einheit, die 30 Prozent kompakter baut als bisher, fällt das Armaturenbrett bemerkenswert schmal und flach aus, damit wird das luftige Gefühl des Innenraums noch unterstrichen. Wer es noch heller mag, dem sei das Panoramaglasdach empfohlen; bald soll auch ein Dach mit Solarpaneln zur Verfügung stehen. Toyota und Subaru wagen es, auf ein Handschuhfach zu verzichten, dafür bietet die Mittelkonsole ein Stauvolumen von insgesamt 20 Litern, ist für alle Mitfahrenden gut erreichbar. Dazu kommt ein offenes Fach, in das auch eine Handtasche passt, sowie individuelle Ablagen etwa für grössere Flaschen, Tablets oder Smartphones. Innen hat der Subaru seinen eigenen Charakter, wirkt etwas rustikaler, robuster. Auch bei den Infotainment- und Assistenz-Systemen geht Subaru seinen eigenen Weg – in Details.
Je nach Ausstattungsniveau verfügt das Multimediasystem des der beiden Japaner über einen acht oder 12,3 Zoll grossen Bildschirm. Wir waren ja nur ein paar wenige Stunden unterwegs, hatten aber keinerlei Probleme mit dem Bediensystem, es erscheint alles sehr logisch, ist gut auffindbar. Erfreulich ist zudem, dass die Spracherkennung bestens funktioniert, man kann diverse Funktionen zum Beispiel für die Bedienung des Entertainmentsystems und der Klimaanlage oder auch das Öffnen und Schließen der Fenster direkt mit dem Auto «besprechen».
Auch die hinteren Passagiere fühlen sich wohl – Toyota und Subaru haben es tatsächlich geschafft, die Vorteile der e-Plattform in ein deutlich verbessertes Raumangebot umzumünzen. Kopf- und Beinfreiheit hinten befinden sich auf Oberklasse-Niveau. Das variable Gepäckabteil verfügt über einen Boden, der sich in der Höhe zweistufig einstellen lässt, dazu kommt ein darunter liegendes Ablagefach, das bei Bedarf die Innenhöhe des Kofferraums um weitere 71 Millimeter vergrössert. Bei aufgestellter Rückbank und dem Ladeboden in unterster Position bieten der Solterra/bZ4X ein Kofferraumvolumen von 452 Liter, das ist in diesem Segment klar überdurchschnittlich. Die asymmetrisch geteilte und neigungsverstellbare Rücksitzlehne kann im Verhältnis 60:40 nach vorn umgeklappt werden, in einem zusätzlichen Ablagefach unter dem Kofferraumboden mit 10 Liter Volumen finden neben dem Bordwerkzeug beispielweise auch das Warndreieck und das Ladekabel Platz. Die abnehm- und zusammenfaltbare Gepäckraumabdeckung passt dort ebenfalls hinein. Clever.
Selbstverständlich verfügt der bZ4X über alle Connectivity-, Assistenz- und Sicherheitssysteme, die heute üblich sind – und noch über ein paar mehr. Die jüngste Entwicklungsstufe des Toyota Safety Sense, T-Mate, weist als präventives Sicherheitssystem eine grössere Funktionalität auf und überwacht das Umfeld des Wagens inklusive anderer Verkehrsteilnehmer noch detaillierter als bisher. Dank drahtloser «Over-the-Air»-Updates über das DCM (Data Communication Module) des bZ4X bleiben die Sicherheits- und Assistenzsysteme des Elektrofahrzeugs auch stets auf dem aktuellen Stand. Der Besuch einer Werkstatt ist für diese Updates nicht notwendig. Aber das gehört heute einfach dazu.
Dazu gehört auch, dass wir hier jetzt noch etwas über die Kosten schreiben. Noch sind für die Schweiz die «Rundumsorglos»-Pakete, die von Toyota in anderen Ländern schon ausgeschrieben werden, nicht bekannt. Der Basispreis für die frontgetriebene Variante des Toyota bZ4X liegt bei 47’900 Franken, für den Allradler werden mindestens 54’900 Franken fällig, in der höchsten Ausstattungsversion «Premium» sind es dann 60’400 Franken. Damit bewegt sich der Toyota selbstverständlich in seinem Konkurrenzumfeld, da schenkt man sich nicht viel. Die Preisskala für den immer allradgetrieben Subaru Solterra beginnt bei 55’900 Franken.
Günstig ist das alles nicht. Doch der Toyota und natürlich auch der Subaru können neben ihrem fortschrittlichen Allradantrieb und folglich besseren Geländeeigenschaften auch noch eine extreme Garantie auf die Batterie sowie ein hohes Mass an Qualität bieten – man darf sich auf einem sicheren Weg in die Zukunft fühlen mit dem Subaru Solterra und dem Toyota bZ4X. Auch wenn Toyota sein e-Programm anscheinend schon wieder ganz grundsätzlich in Frage stellt.
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