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Peugeot 205 Turbo 16

Kalkulierter Wahnsinn

Es war oft nicht ganz klar, was sich die Funktionäre der FIA dabei dachten, wenn sie wieder einmal ein neues Reglement vorstellten. Sie haben mit ihren Fürzen noch so manche feine Rennserie zerstört, insbesondere bei den Sportwagen, sie haben immer wieder Hersteller benachteiligt (Abarth, Lotus), dafür andere bevorzugt (Porsche). Manche Änderungen kamen buchstäblich über Nacht, wieder andere hatten so viel Vorlauf, dass sie von der Aktualität überholt wurden und gar nie in Kraft traten (dazu kommen wir dann noch). Auch die Gruppe B ist so ein Regulatorien-Monster, sie wurde Anfang der 80er Jahre angedacht und auf die Saison 1982 eingeführt – und war eigentlich nur als Vereinfachung der schon länger geltenden Bestimmungen der Gruppe-4-Homologationen geplant. Von diesem Gruppe-4-Geräten war eine Mindestanzahl von 400 Exemplaren gefordert gewesen (deshalb, zum Beispiel: Opel Ascona 400) – für die Gruppe B waren dann nur noch 200 Stück gefordert. Und es gab eine praktisch unbeschränkte Freiheit für die Entwicklung von Evolutionsmodellen, von denen es dann nur noch 20 Stück brauchte. Das bedeutete in erster Linie eine ziemlich heftige Entspannung in den Budgets für die Hersteller – und gleichzeitig viel mehr Geld für die Entwicklung. Denn jetzt lohnte es sich, ein Basis-Fahrzeug zu konstruieren, das schon ziemlich nahe am Rennsport lag; vorher ging man meist von eher braven Kutschen aus, die man für den Motorsport ein wenig umbaute.

Es waren eh spannende Zeiten. Zwar war der Allradantrieb schon lange ein Thema, der Lohner-Porsche von 1900 hatte je einen Radnaben-Elektromotor an allen vier Rädern, ein Spyker von 1903 gilt als erstes Fahrzeug mit Verbrennungsmotor mit 4×4, es gab die Jeep von American Bantam/Willys (1940/1941) und den Unimog (1948) und den Jensen FF (1966). Richtig Musik ins Geschäft kommt dann im Frühjahr 1980, als am Autosalon in Genf der Audi quattro präsentiert wurde. Mit seiner neuartigen Antriebskonstruktion versetzt er das Publikum und noch mehr die Fachleute ins Staunen. Hinter dem Getriebe ist ein Differenzial angeordnet, gefolgt von einer Antriebswelle, die hohl ist, so dass darin eine zweite Antriebswelle laufen kann – eine Konstruktion, die deutlich leichter ist als die damals üblichen, schweren Verteilergetriebe. Damit wird es möglich, das Drehmoment nicht nur auf das Vorderachsdifferenzial, sondern auch auf die Hinterachse zu leiten. Dazwischen erlaubt das dritte Differenzialgetriebe unterschiedliche Drehzahlen zwischen den beiden Achsen – und ermöglicht so den permanenten Allradantrieb. Zu überschaubaren Kosten. Und dass so ein 4×4 auf den Rallye-Pisten dieser Welt klar im Vorteil sein musste, das war schnell einmal klar.

Auch Peugeot entwickelte seit Ende der 70er Jahre unter dem Projektnamen M24 ein neues Automobil. Am 24. Februar 1983 wurde der Peugeot 205 der Öffentlichkeit vorgestellt – und sollte stolze 15 Jahre lang das meistverkaufte Fahrzeug der Franzosen bleiben. Doch schon einen Tag vorher hatte Peugeot den Vorhang von einem ganz anderen 205 gehoben, einem Gerät, das zwar ein bisschen so aussah wie der 205, aber gar keiner war: der 205 Turbo 16. Selbstverständlich hatten auch die Franzosen mitgekriegt, was bei Audi geschah, natürlich wussten sie um das neue Reglement der FIA – und der damalige Chef Jean Boillot wusste auch noch, dass er den richtigen Mann für ein wirklich gewagtes Projekt in seinen Reihen hatte. Jean Todt, der ein nur mittelmässiger Pilot gewesen war, aber ein hervorragender Beifahrer und ein noch besserer Organisator, erkannte zusammen mit Boillot das Potential der Gruppe B auch für eine Verbesserung des Image der damals eher biederen Marke Peugeot. Und er konnte aus dem Vollen schöpfen, Gitterrohrrahmen, Mittelmotor, Allradantrieb – und auch noch so ein bisschen Ähnlichkeit mit dem neuen 205. Gleichteile waren, neben der Seriennummer, die Türen, die Frontscheibe, die vorderen Lampen, der Kühlergrill.

Die Rennsportabteilung von Peugeot verlängerte den Radstand des 205 auf 2,54 Meter, konstruierte einen neuen 1,8-Liter-Vierzylinder-Turbo mit zwei obenliegenden Nockenwellen und vier Ventilen pro Zylinder, der es im «Serien»-Produkt auf 200 PS bei 6750/min brauchte. Und baute innerhalb weniger eines Jahres die 200 für die Homologation erforderlichen Fahrzeuge. Es gab vorn und hinten doppelte Dreieckquerlenker und eine Sperre für jede Achse, dazwischen ein Mitteldifferential von Ferguson, das 2/3 der Kraft nach hinten leitete. Ein kleines Problem: es gab weder einen Kofferraum noch sonst irgendwie Ablageflächen, es heisst, dass bei den Renn-Maschinen die Helme der Crews in den Begleitfahrzeugen transportiert wurden. In Deutschland, wo 15 dieser Peugeot 205 Turbo 16 angeboten und relativ schnell auch verkauft wurden, kostete so ein Ding 1984 happige 94’000 DM; die Antenne auf dem Dach war serienmässig, das Radio allerdings nicht.

Und der Löwe brachte seine Leistung. In «auto, motor und sport», nicht gerade berühmt dafür, nicht-deutschen Automobilen besonders viel Liebe entgegenzubringen, schrieb Götz Leyrer: «Schon eine kurze Bekanntschaft mit dem Wagen lässt erahnen, dass der Peugeot auf kurvenreichen Strecken wohl kaum ernsthaft einen Gegner zu fürchten hat. Mit minimalen Lenkausschlägen lässt er sich präzis dirigieren, die Gänge rasten leicht und sicher ein, die Lenkung erfordert relativ wenig Kraftaufwand. Auch mit dem Fahrverhalten kommt man auf Anhieb zurecht, denn im Gegensatz zu anderen allradangetriebenen Autos legt der Peugeot ein genau definiertes Eigenlenkverhalten an den Tag. Das Ergebnis jedenfalls wirkt überzeugend; der Peugeot erinnert in seinem Fahrverhalten an herkömmliche Mittelmotor-Autos, besitzt aber dennoch den Vorzug unnachgiebiger Traktion auf losem Untergrund.» Die Strassenversionen gingen auf Asphalt in relativ beschaulichen 7,3 Sekunden auf 100 und waren, weil aerodynamisch nicht wirklich überzeugend, nur 211 km/h schnell. Im Gegensatz zu allen Konkurrenten brachten sie diese Fahrleistungen aber auch auf losen Untergrund. Die ersten Renn-Versionen, etwa 350 PS stark und unter 1000 Kilo schwer, schafften den Paradesprint dann in 4,4 Sekunden. Weil der Franzose mit seinen 3,83 Metern Länge und 1,68 Metern Breite so unglaublich kompakt und entsprechend handlich war, musste Audi dann vom quattro den «Kurzen» auflegen.

Es gibt einen klaren Plan von Boillot: erste Siege beim WM-Läufen 1984. Und schon 1985 musste der Marken-Titel her. Jean Todt konnte liefern. Schon beim ersten Auftritt bei der Rallye Korsika lag Ari Vatanen lange in Führung, bevor er den Peugeot in die Wand trieb. Beim nächsten Rennen in Finnland räumte Vatanen souverän ab. 1985 wurden Salonen/Harjanne auf dem Peugeot Weltmeister, den Markentitel gab es gleich mi, gleich wie 1986, dann allerdings mit Juha Kankkunen als Weltmeister. Es heisst, der 205 Evo in seiner höchsten Ausbaustufe auf 520 PS kam (Peugeot meinte: 430 PS); 1987 gewann Vatanen dann auch noch die Paris-Dakar. Da war die Gruppe B allerdings schon tot. Sie hätte 1987 von der noch offeneren Gruppe S (10 Evo-Fahrzeuge…) abgelöst werden sollen, doch dazu kam es nach diversen tödlichen Unfällen nicht mehr. Die Peugeot 205 Turbo 16 kommen selten auf den Markt, schaffen auch nicht die ganz groben Preise, was unter anderem daran liegt, dass der Unterhalt teuer ist und Ersatzteile noch teurer. Das gilt noch viel heftiger für die Evo/Rallye-Exemplare.

Es kann nie vollständig werden, aber allein der Versuch macht doch Freud‘:

Renn-Fahrzeuge:

Chassis-Nummer: VF3741R76F5531507

Auktion: Bonhams, Monaco 2008, Schätzpreis 300’000 bis 350’000 Euro, nicht verkauft, angeboten mit folgendem Text: «This Peugeot 205 Turbo 16 was used by the works team during the 1984 and 1985 seasons of the World Rally Championship. Known by the works as chassis number ‘C4’, the car was driven by Jean-Pierre Nicholas (later Peugeot’s Sporting Director) on the Acropolis Rally in 1984 and used as a practice vehicle by Ari Vatanen on the 1984 and 1985 Safari Rallies and the Rally of Sweden 1985. Retired from competition at the end of 1985, the car was totally restored by the factory (Peugeot Sports) in 1986/87 and on completion was retained by Musée de l’Aventure Peugeot, the official Peugeot Museum at Sochaux. In October 2007 the Museum sold the car directly to the current owner. First registered for road use on 17th April 1986, the car is offered with a copy of the original Carte Grise (recording Automobiles Peugeot as owner), Certificat de Cession (dated 23rd October 2007) and current Carte Grise. Presented in running order, ‘C4’ represents a rare opportunity to acquire an original, ex-works, Group B rally car with known history, restored by the factory and kept in museum storage since the end of its competition career».

Chassis-Nummer: VF3741R76E5200009

Auktion: Artcurial, Paris 2021, verkauft für 977’440 Euro (die Geschichte ist zu gut, die behandeln wir dann noch gesondert)

Chassis-Nummer: VF3741R76E5200012

Auktion: RM Sotheby’s, Monte Carlo 2016, Schätzpreis 600’000 bis 800’000 Euro, nicht verkauft (Bilder oben).

Strassen-Fahrzeuge:

Chassis-Nummer: VF3741R76E5100012

Auktion: Artcurial, Paris 2021, verkauft für 250’320 Euro; schon früher einmal angeboten, damals noch im Renn-Trimm, Paris 2017, verkauft für 172’840 Euro.

Chassis-Nummer: VF3741R76E5100076

Auktion: Artcurial, Paris 2017, verkauft für 184’760 Euro

Chassis-Nummer: VF3741R76E5100091

Auktion: Broad Arrow, Monterey 2023, Schätzpreis 350’000 bis 450’000 Dollar. Dieses Fahrzeug ist aus mehreren Gründen aussergewöhnlich. Zuerst einmal ist eines von wahrscheinlich 30 Exemplaren mit dem «PTS Clubman Package», da packte Peugeot alles rein, was gut und teuer sowie den 205 Turbo schneller machte. So gab es 300 PS sowie über 100 Kilo weniger Gewicht. Doch dann ist 091 auch einer von zwei Peugeot 205 Turbo 16, die Lotus im Auftrag von General Motors kaufte. Damals forschten die Engländer im Auftrag der Amerikaner an einem aktiven Fahrwerk – und bauten alles, was sie hatten, in diesen Franzosen ein. Ein wildes System von elektronischen Sensoren und hydraulischen Systemen und mechanischen Komponenten sollte das Fahrzeug so «flach» wie möglich auf dem Boden halten, auch bei schnellen Kurvenfahrten (es grüsste der Citroën Xantia Activa…); sogar eine Vierrad-Lenkung verpasste Lotus dem Peugeot. üBer 15’000 Test-Kilometer fuhren die Engländer mit dem 205 Turbo 16 (die Resultate sind unbekannt), dann wurde 091 zwischen 1984 und 2018 in der ständigen Sammlung von GM ausgestellt.

Chassis-Nummer: VF3741R76E5100117

Auktion: RM Sotheby’s, London 2014, verkauft für 156’800 Pfund (mehr Bilder oben)

Chassis-Nummer: VF3741R76E5100127

Auktion: Bonhams, Quail 2017, verkauft für 198’000 Dollar

Chassis-Nummer: VF3741R76E5100148

Aber das ist doch kein Strassen-Fahrzeug? Doch, eigentlich schon, lesen Sie die Geschichte bei unseren Kollegen von Classic Driver. Auktion: Aguttes, Paris 2023, Schätzpreis 450’000 bis 600’000 Euro

Chassis-Nummer: VF3741R76E5100152

Auktion: RM Sotheby’s, London 2015, Schätzpreis 120’000 bis 150’000 Pfund, nicht verkauft (mehr Bilder oben)

Chassis-Nummer: 177

Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2023, 350’000 bis 450’000 Dollar. Erstbesitzer war Scheich Abdullah bin Khalifa Al-Thani, es dürfte dies der einzige Peugeot 205 Turbo 16, der ab Werk schwarz lackiert war.

Chassis-Nummer: VF3741R76E5100184

Auktion: Artcurial, Paris 2023, Schätzpreis 350’000 bis 400’000 Euro, nicht verkauft.

Chassis-Nummer: VF3741R76E55100189

Auktion: Bonhams, Quail 2016, verkauft für 198’000 Dollar. Dann: Gooding & Co., Amelia Island 2024, noch kein Schätzpreis.

Chassis-Nummer: VF3741R76E5100192

Auktion: Aguttes, 2020, Schätzpreis 170’000 bis 200’000, verkauft für 291’760 Euro

Chassis-Nummer: 200

Auktion: Artcurial, Monaco 2021, verkauft für 274’160 Euro (gehörte einst zur Sammlung von Jacky Stettin, ist anscheinend das letzte der Homologationsfahrzeuge)

In Sachen Gruppe B gibt es noch so einigen Klärungsbedarf, ansonsten. Und deshalb stellen wir hier die Frage: Welches dieser Fahrzeuge wurde für die Gruppe B/S konstruiert? Alfa Romeo Alfasud Sprint 6C – Audi Sport quattro S1BMW M1Citroën BX 4TCCitroën Visa 1000 PistesFerrari 288 GTO EvoluzioneFord RS200 – Lada 2105 VFTS – Lancia 037 RallyLancia Delta S4 – MG Metro 6R4 – Mitsubishi Starion 4WD – Mazda RX-7 4×4 – Nissan 240RS – Opel Manta 400 – Opel Manta 200 – Peugeot 305 V6 – Porsche 911 SC RS – Porsche 959Renault 5 Turbo – Škoda 130 LR – Toyota 222D – Toyota Celica Twin-Cam Turbo – Wartburg 353 WR? Die Antwort ist einfach: Alle. Mehr Peugeot haben wir in unserem Archiv, eine Zusammenfassung der Gruppe B: hier.

1 kommentar

  1. claude MALL claude MALL

    der Sammler heißt Jacky Setton und war damals der Boss von Pioneer Frankreich.

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