Herzklopfen
Es musste etwas geschehen, auch wenn die Verkaufszahlen des 1975 vorgestellten Porsche 924 gut waren. So gut, dass der «Hausfrauen-Porsche» dem Stuttgarter Unternehmen das Überleben ermöglichte (auch wenn das die gusseisernen Porsche-Freunde jetzt nicht gerne lesen). Ein Problem gab es allerdings schon: Für Vortrieb sorgte der gleiche 2-Liter-Motor, der auch den VW-Transporter LT in Bewegung versetzte. Mit seinen 125 PS war er wirklich nicht das, was den Pilotinnen Tränen der Freude in die Augen trieb. 1979 hatte Zuffenhausen dann endlich ein Einsehen und spendierte dem Vierzylinder einen neuen Zylinderkopf mit hemisphärischen Brennräumen sowie einen KKK-Turbolader, der die Leistung bei 0,7 bar Ladedruck auf 170 PS brachte. Damit beschleunigte der Porsche 924 Turbo (Typ 931) in weniger als 8 Sekunden von 0 auf 100 km/h und wurde über 220 km/h schnell.
Dann geschah tatsächlich so einiges. Mit der Einführung des Turbo wurde ab 1979 die Basis geschaffen, damit diese ersten wassergekühlten Porsche auch auf der Rennstrecke eine gute Figur abgeben konnten. In jenem Jahr begann die Entwicklung eines Fahrzeugs, das dem Gruppe-4-Reglement entsprach und folglich auch bei den 24 Stunden von Le Mans antreten konnte. Es gab ein 5-Gang-Klauen-Getriebe, ein Sperrdifferential hinten, die Bremsen aus dem 935er, jede Menge Leichtbau, Trockensumpfschmierung – und etwa 375 PS für ein Gewicht von weniger als einer Tonne. Der als 924 GTP (Typ 939) bezeichnete Porsche schaffte es in Le Mans auf einen beachtlichen 6. Gesamtrang – die «Transe» war auf der Rennstrecke angekommen.

Diese Erfahrungen flossen dann ein in den 924 Carrera GT (Typ 937), von dem 1981 genau 406 Exemplare entstanden. Er ist aber nicht nur ziemlich selten, er ist auch ziemlich grob. Schon optisch macht er viel her, die Kotflügelverbreiterungen aus Glasfaserkunststoff sind zusammen mit der Lufthutze ein Hingucker, das Interieur entspricht aber weitgehend dem des 924 Turbo. Höhepunkt war sicher der Zweiliter-Turbo, der mit leichteren Schmiedekolben, gehärteten Nockenwellen, einem überarbeiteten Zylinderkopf, einer von 7.5 auf 8.5:1 erhöhten Verdichtung und mehr Turbodruck (0.75 bar) auf 210 PS gebracht wurde. Auch das Fünfgang-Getriebe wurde verstärkt, auf Wunsch gab es ein Sperrdifferenzial. Ein Beschleunigungswert von 6.9 Sekunden von 0 auf 100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h machten den damals rund 60’000 D-Mark teuren Typ 937 zu einem sehr feinen Sportwagen. Man muss das auch einordnen: ein 911 SC kam Anfang der 80er Jahre auf 204 PS, war 1180 Kilo schwer und «nur» 235 km/h schnell.

Mit dem schnell ausverkauften Carrera GT war aber noch nicht Schluss. Porsche verstand es schon damals, dass man mit den Sonderfahrzeugen nicht bloss gutes Geld verdienen, sondern auch jede Lücke im Reglement ausfüllen konnte, sofern das entsprechende Basisfahrzeug in entsprechender Stückzahl auf die Strasse kam. Es folgte also die Geburtsstunde des Porsche 924 Carrera GTS (weiterhin als Typ 937 bezeichnet). Wahrscheinlich 44 Exemplare fanden ihren Weg zu den Kunden, trotz eines horrenden Preises von 110‘000 D-Mark; wer noch 15 Riesen drauflegte, erhielt dann einen Clubsport, da war dann für mehr Geld noch etwas weniger drin. Die Karosserie wurde abermals wilder, vor allem dank umfangreicher Leichtbaumassnahmen. So bestanden Hauben und Türen aus leichtem Kunststoff, sämtliche Scheiben bis auf die vordere aus Makrolon. Selbst die charakteristischen Klappscheinwerfer musste einer feststehenden und von Kunststoff-Scheiben abgedeckten Lösung weichen. Das auf nur noch 1‘121 Kilogramm reduzierte Kampfgewicht durfte dafür auf einen nochmal deutlich leistungsgesteigerten Motor vertrauen. Der Ladedruck wurde auf nun 1,0 bar erhöht und die Peripherie darauf angepasst. Porsche selbst gab den Motor mit eher pessimistischen 245 PS und 335 Nm maximalen Drehmoment, dies dafür schon ab 3000/min an. Die Höchstgeschwindigkeit erhöhte sich auf 250 km/h und die Sprintzeit verkürzte sich auf 6,2 Sekunden. Das Sportfahrwerk verfügte klassisch über Dreieckslenker und McPherson-Federbeine vorn, Aluminiumguss-Schräglenker mit Schraubenfedern hinten, Stabilisatoren und Bilstein-Gasdruckstossdämpfer; die innenbelüfteten und gelochten Zweikreis-Scheibenbremsen stammten ebenso wie die Radnaben vom 911 Turbo.
Und dann steht er da hinter dem Porsche-Museum in Stuttgart und vor uns, der selbstverständlich knallrote Porsche 924 Carrera GTS (es gab anscheinend einen in Weiss, den Prototypen – und dann noch einen güldenen, aber das ist dann noch eine ganz andere Geschichte, die wir auch noch erzählen werden). Wir setzen uns mal rein und staunen über den Komfort: Es gibt nämlich keinen. Die Sportsitze aus dem Porsche 935 sind knochentrocken, der gesamte Innenraum ist mit fiesem Nadelfilz ausstaffiert, auf Dämmmaterial wollte Stuttgart verzichten. Das ist gut so, wer braucht ein Radio, wenn er etwas flotter unterwegs sein will? Und das machen wir dann auch, ab Zuffenhausen in Richtung Weissach ein paar schöne Runden auf kurvigen Landstrassen.
Auch wenn wir in den vergangenen Jahrzehnten das eine und auch andere ganz nette Fahrzeug gefahren sind, so passierte es uns doch ziemlich selten, dass wir uns gleich auf Anhieb wohlfühlten, uns verstanden empfanden vom Automobil sowie umgekehrt. Die Strassenlage ist perfekt, die Balance sowieso, die Lenkung ein Gedicht. Mit dem Getriebe ist es ein bisschen ein Kampf, erster Gang hinten links, also muss man umdenken. Und Kraft aufwenden. Die 2-Liter-Maschine will bei Laune gehalten werden, ohne Turbo-Unterstützung ist nicht viel los, mit zusätzlicher Beatmung herrscht dann aber Sturm. Der Tritt aufs Bremspedal darf durchaus herzhaft erfolgen, dann wird der Porsche vor der Kurve aber hinten leicht, das gilt es dann zu beachten. Aber genau so soll es doch auch sein, wir wollen alert sein, die Reaktionen des Wagens verstehen, wissen, was geht und was nicht so – und das alles selbstbestimmt, nicht mit Hilfe von zwei Rechenzentren voller Elektronik. Der Porsche 924 Carrera GTS ist nicht komplett übermotorisiert, dafür leicht, agil, wunderbar beherrschbar, so, dass man als Pilot nicht überfordert ist, auch mal an die Grenzen gehen kann. Und irgendwann stellt sich ein wunderbares Gefühl ein: Ja, genau dieses Automobil ist es, genau diese «Transe», die immer hinter dem 911er im tiefen Schatten stand, ist so etwas wie unser Traum-Auto. Wir mögen uns, gegenseitig. Sehr sogar. Es ist Liebe auf der ersten Ausfahrt.

Mehr feine Wagen finden sich in unserem Archiv. Oder haben Sie schon mal die Suche ausprobiert?
Wow, ein echt schöner Porsche. Danke für den ausführlichen Bericht!