Das ungeliebte Kind
Ferrari, man sollte es bei allem Ruhm der Marke nicht vergessen, hat sich oft zu Erfolgen geschummelt. Die Italiener hatten – wie Porsche – immer ein enges Verhältnis zu den Funktionären, sogar Einfluss auf die Ausgestaltung der Reglemente; oft nahmen es die Kommissäre auch beim Zählen nicht so ganz genau, verliessen sich auf die Versprechen der jeweiligen Hersteller, dass die restlichen Exemplare dann schon noch gebaut würden. Doch das klappte auch nicht immer, wenn 100 Stück gefordert waren, man aber nur 32 hatte, dann wurde das Wegsehen allerdings auch schwierig.

Doch der Ferrari 250 LM hatte es eh schwer, er war ein ungeliebtes Kind. Enzo Ferrari hatte sich lange gesträubt gegen mittig eingebaute Motoren («bei einer Kutsche ziehen die Pferde auch vorne», soll er gesagt haben»). Dabei war es Anfang der 60er Jahre absehbar, dass der Mittelmotor auch bei den Sportwagen das Mass aller Ding werden würden, Carlo Chiti und Giotto Bizzarrini hatten es «il drago» immer wieder versucht zur erklären. Noch einigermassen halbherzig durfte ein Ferrari Dino 246 SP (Chassisnummer 0796) der erste Mittelmotor-Versuchsträger werden. Daraus wurden dann der 250P und seine Prototypen-Nachfolger entwickelt. Chiti und Bizzarrini gingen ihrer Wege, Pininfarina setzte dem 250 P ein Dach auf – und fertig war der 250 LM. Wobei diese Bezeichnung ja gar nicht stimmte, es wurde der 3,3-Liter-V12 eingebaut, das Fahrzeug hätte folglich 275 LM heissen sollen. Ob Enzo Ferrari wirklich gehofft hatte, dass die Funktionäre seinen schlechten Hubraum-Taschenspieler-Trick nicht bemerken würden, ist unbekannt.
Ausserdem: die Strassenversion, also der Stradale (oben), mit dem man noch zu retten versuchte, was nicht mehr zu retten war, hob gar nie ab. Mit seiner gewaltigen Heckscheibe machte er zwar Eindruck, doch der Bestellungseingang hielt sich in sehr engen Grenzen (man spricht von 16 Zusagen). Weil sich das beim besten Willen nicht rechnete, verzichteten Ferrari/Pininfarina komplett auf die Produktion, es blieb bei einem Prototypen (Chassisnummer #6025) und einem nachträglich umgebauten Exemplar (Chassisnummer #5995). Der 250 LM hatte aber als bei Scaglietti eingekleideter Rennwagen trotzdem Erfolg. Obwohl er nie vom Werk eingesetzt, sondern nur an Privatteams verkauft wurde und in der Prototypen-Klasse starten musste, konnten Rindt/Gregory 1965 die 24 Stunden von Le Mans gewinnen.

Es entsteht hier wieder einmal eine Sammlung. Etwas anders als sonst, denn die meisten dieser Ferrari 250 LM haben eine wilde Geschichte. Auf die wir teilweise gerne etwas vertiefter eingehen. Oder auch nicht.
Chassis-Nummer: 5899
Auktion: RM Sotheby’s, Arizona 2015, verkauft für 9’625’000 Dollar, dazu haben wir eine feine Story: hier.
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Chassis-Nummer: 5901
Anfang Februar 2023 kam der Ferrari 250 LM mit der Chassis-Nummer #5901 bei Artcurial in Paris unter den Hammer, Chassis-Nummer #5901. Dieses Fahrzeug hat für einen Rennwagen eine ziemlich aussergewöhnliche Geschichte. Ende 1964 wurde der Ferrari an den amerikanischen Importeur Luigi Chinetti in New York ausgeliefert und an Raymond John Augusterfer, aus Philadelphia verkauft. Bloss gefahren wurde er nicht. Erst im Februar 1966 stand er bei den 24 Stunden von Daytona als Ersatzfahrzeug in der Box. Aber dort kam er nicht zum Einsatz. Chinetti kaufte #5901 zurück, verkaufte ihn weiter, er kam über die Jahre zu verschiedenen Besitzern, bloss ein Rennen hat er nie bestritten. Das ist sicher auch der Grund, weshalb dieser aussergewöhnliche Ferrari (wahrscheinlich) auch heute noch über den originalen Motor und das originale Getriebe verfügt. Einen Schätzpreis wollte Artcurial vor der Auktion nicht angeben. Es wurde etwas gemunkelt von: mindestens 25 Millionen Euro. Das höchste Gebot lag dann aber bei «nur» 20 Millionen, der Ferrari 250 LM wurde nicht zugeschlagen.
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Chassis-Nummer: 6045
Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2014, verkauft für 11’550’000 Dollar, gehörte einst William F. Harrah.
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Chassis-Nummer: 6105


Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2015, verkauft für 17’600’000 Dollar, eine ausführlichere Beschreibung gibt es: hier.
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Chassis-Nummer: 6107
Auktion: RM Sotheby’s, New York 2013, verkauft für 14’300’000 Dollar, eine ausführlichere Beschreibung gibt es: hier.
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Chassis-Nummer: 6173

Auktion: RM Sotheby’s, London 2008, verkauft für 2’255’000 Pfund.
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Mehr klassische Ferrari haben wir in unserem Archiv. Und dann gibt es da ja immer auch noch unsere Sammlungen.
Gibt’s einen Grund warum alle abgebildeten Fahrzeuge Rechtslenker sind?
Rennwagen. Das war damals üblich.
Super, danke!
Ähm, kleine Anmerkung, Il Drake in Anlehnung an Francis Drake (Freibeuter, Pirat) und dessen „halblegale“ Handlungsweisen wodurch England zur Weltmacht wurde…. Ferrari vielleicht auch…
und, ja, das Cavallino rampante aber Il Drake sagte „Die Ochsen ziehen den Wagen und schieben ihn nicht“ (I Boi tirano il carro, non gli spurtano) – auch wenn`s mit Perden besser passt, Ach ja und der m.E. nach Beste Spruch „Der Lauda hat sich für ein paar Stangen Salami an die Engländer (damals Ecclestones Brabham-Team) verkauft. Ja, Gott hab ihn seelig, in der F1 fuhren die damals um Lebensmittel….
Aber, gute Informationen zum 250 LM und schöne Bilder – Danke!!!
VG Christian