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Die Mopfen

Und Sonder-Modelle

Für einen anderen Online-Kanal beschreiben wir ganz sachlich und emotionslos die Neuheiten auf dem Auto-Markt. Und schreiben dann so weltbewegende Sätze wie: «Erkennbar ist das Modelljahr 2024 an neuen Leuchtgrafiken, neuen Farben und Felgenformaten. Zudem wurden Kühlergrill und Frontschürze leicht modifiziert». Das ist auch alles in Ordnung so, die Hersteller machen, was sie seit vielen Monden schon machen: sie verpassen ihren Fahrzeugen etwa nach der Hälfte des Lebenszyklus eine Modellpflege, von Insidern gern auch einfach Mopf genannt (Mehrzahl dann also Modellpflegen, Mopfen?). Heute heisst das gern «Facelift», man schreibt ja Englisch, auch wenn das durchaus verstörend wirken kann (siehe oben).

Besonders fleissig war in den vergangenen Wochen wieder einmal Mercedes. Sie haben die Modelle GLABCE und manchmal auch noch deren Coupé-Varianten einem Facelift unterzogen. Wir müssen es hier zugeben, wir haben so ziemlich gar keine Ahnung, was was ist, es ist uns auch egal, aber: wir können auch bei genauerer Betrachtung oft neu von alt gar nicht unterscheiden, zumindest nicht von aussen. Schon, eben, andere Farben auf den Bildern, aber sonst? Innen ist das anders, das sieht man all die neue Software blinken auf noch riesigeren Displays, das ist die neue Weltordnung. Aber mit nur so ein bisschen Make-up stehen die Stuttgarter nicht allein, in München ist das ebenso, in Ingolstadt auch. Alfa Romeo erneuert seine Giulia und den Stelvio gar jährlich in minimalen Details, damit auch wirklich niemand mehr den Überblick hat. Warum?

Psychologisch ist es klar: Je weniger neu aussieht, desto weniger sind die Kunden verärgert, die ein dann veraltetes Modell besitzen. Das will ja niemand, am 15. März kriegt man seinen GLABCE ausgeliefert, am 16. März sieht er schon alt aus. Weil: diese Mopfen kommen ja gern aus dem heiteren Himmel, zack, neu. Obwohl noch gar nicht der halbe Lebenszyklus vorbei ist. Oder schon lange war. Oft sind auch die Händler überrascht. Oder gar nicht, beim VW ID.3 wurden die Neuerungen (auch beim Preis) schon Monate vor dem eigentlichen Modellwechsel auf dem Konfigurator dargestellt. Ja, auch so ein Facelift, das niemand versteht, aber das haben wir ja schon erzählt, hier.

Einst, als es der amerikanischen Automobil-Industrie noch gut ging (also vor langer, langer Zeit), gab es jährlich eine Modellpflege. Die war meist tiefgreifend, entweder wurde eine neue Optik angeboten. Oder dann neue Motorisierungen. Meist schön abwechselnd. Aber damals war man auch noch optimistisch, obwohl die Verkaufszahlen eines Modells in der Regel über die Jahre abnahmen – aber das war halt schon einberechnet. Und man konnte immer wieder ein ganz neues Produkt (oder einfach einen neuen Namen) raushauen, das fuhr dann die Verluste locker wieder rein. Heute scheint dieses Selbstbewusstsein zu fehlen – oder es sind einfach schon alle Nischen derart überfüllt, dass nichts mehr geht. Und es gilt halt auch noch feine Manager-Regel: Wer nichts tut, macht auch nichts falsch.

Kleinhersteller, die sich solche Schminkkurse nicht leisten können (oder wollen), gehen gern einen anderen Weg: Sonder-Modelle. Bei Lamborghini gab es einst teilweise mehr «special editions» als tatsächlich verkaufte Fahrzeuge, derzeit fährt Aston Martin diese Schiene – um dann gleich bei der Ankündigung zu verkünden, dass alle Exemplare schon verkauft sind (ausser vielleicht jene, die noch nicht verkauft sind). Das ist ja auch ganz nett, das mit diesen Editionen, uns gefällt aktuell zum Beispiel die Alpine A110 «San Remo 73», die zum 50. Jubiläum eines Rallye-Sieges lanciert wurde. Andererseits: Warum müssen es gleich 200 Stück sein? Weniger wäre doch in einem solchen Fall: mehr Begehrlichkeit? Denn: es hätte heuer einiges an 50ten zu feiern gegeben, 1973 gewann Alpine neben der San Remo die Monte, in Portugal, in Marokko, die Akropolis und auf Korsika. Danach war dann übrigens fertig mit Siegen.

Tatsächlich spannende Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv.

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