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Erinnerungen: Lamborghini Diablo

Trotzdem

Nein, der Lamborghini Countach lässt sich durch nichts ersetzen. Aber irgendwann musste es halt doch sein. Die damaligen Lamborghini-Besitzer Jean-Claude und Patrick Mimran schoben im Juni 1985 das Projekt 132 an. Im Lastenheft stand nicht viel (sie verstanden ja auch mehr von Marketing als.von Ingenieursleistungen), aber immerhin dies: Der Nachfolger musste über 200 Meilen, also mehr als 320 km/h schnell sein. Und noch etwas war ganz klar: Marcello Gandini war als Designer gesetzt.

Die Gebrüder Mimran waren so ein bisschen ein Glücksfall für Lamborghini. Sie machten für wenig Geld aus dem Urraco/Silhouette den Jalpa, konnten den LM002 so auf die Strasse bringen, dass man in Sant’Agata sogar etwas Geld verdiente, vielleicht zum ersten Mal. Es war nicht so, dass den Mimrans das Geld ausgegangen wäre in jenen Jahren, als sie Lamborghini besassen, sie hatten (und haben) eh mehr als genug. Es war mehr so, dass sie ihre Investition von drei Millionen Dollar, die sie 1981 eingebracht hatten, bestens vergolden konnten: Am 23. April 1987 kaufte ihnen Chrysler ihre Beteiligung für 25,2 Millionen Dollar ab. Heute lächerliche Beträge, damals richtig viel Spaziergeld. Warum Chrysler an Lamborghini interessiert war, darüber gibt es manch ein Gerücht, die Wahrheit liegt vielleicht hier: Viper.

Es kam nicht so gut unter der Chrysler. Die Amerikaner mäkelten am Design von Gandini, bis dieser entnervt das Handtuch warf (und seinen kantigen Entwurf an Cizeta-Moroder verkaufte). Die Ausarbeitung der finalen, deutlich weniger aggressiven Optik oblag dann Tom Gale, der später den Diablo als seine beste Arbeit überhaupt bezeichnete. Nun ja, er zeichnete ja auch für solch grosse Würfe wie den Plymouth Prowler verantwortlich. Die Bezeichnung «Diablo» kam übrigens in feiner Lamborghini-Tradition von einem Stier, der am 11. Juli 1869 einen sicher heroischen Kampf gegen den Matador José Lara Jimenez «Chicorro» verloren hatte.

Präsentiert wurde der neue Lamborghini Diablo am 21. Januar 1990. Und angetrieben wurde er vom V12, der einst von Giotto Bizzarrini entwickelt worden war, unterdessen aber über 5,7 Liter Hubraum, vier Ventile pro Zylinder und eine Multipoint-Benzineinspritzung verfügte. Als Leistung wurden damals 492 PS und 580 Nm maximales Drehmoment angegeben, als Höchstgeschwindigkeit 325 km/h. «auto. motor und sport» schaffte den Sprint von 0 auf 100 km/h in 4,5 Sekunden, die 200 km/h dann in 13,7 Sekunden – kein Automobil war damals schneller.

Etwas Gutes hatte das Engagement von Chrysler: Im Gegensatz zum Countach war sogar etwas Komfort vorhanden, die Sitze liessen sich elektrisch verstellen, es gab eine Stereoanlage von Alpine, gegen Aufpreis sogar einen CD-Wechsler, einen Heckspoiler, massgeschneiderte Gepäckstücke (2600 Dollar) und eine Breguet-Uhr für das Armaturenbrett (10’500 Dollar). Interessant: Manche der frühen Fahrzeuge verfügten über ABS, andere nicht – ein klares Muster war nicht zu erkennen. Ab 1993 gab es für die Warmduscher und Schattenparker sogar eine Servolenkung. Und einen Roadster. Und Allradantrieb.

Es war knapp vor den grossen Ferien in Italien, 1990, ich fuhr im Auftrag der Auto-Redaktion von Ringier nach Sant’Agata, zum ersten Mal in meinem Leben. Zur Hand hatte ich eine Einladung für eine Testfahrt mit dem neuen Diablo, unterschrieben vom damaligen PR-Chef Sandro Munari. Ich war schon etwas von einer sanften Nervosität, weniger verursacht von der Aussicht auf den Diablo, viel mehr dafür: Sandro Munari. Er war damals vielleicht mein grösster automobiler Held, ich hatte ab 12 Jahren «sport auto» und vor allem «rallye racing» gelesen, Munari war Lancia Stratos und Monte Carlo und überhaupt eigentlich alles, was mir als grossartig erschien. Dann sass da im Büro ein bescheidener, dürrer Mann, der kaum englisch sprach (also etwa so gut wie ich Italienisch), mir ein paar Papiere und einen Schlüssel in die Hand drückte, sich dann wieder an seinen sehr aufgeräumten Schreibtisch setzte. Und doch hatte ich weiche Knie: Sandro Munari.

Gut möglich, dass mich dieses Treffen etwas beeinflusste. Ich stand dann da im Diablo bei der Firmenausfahrt auf die Hauptstrasse, der Verkehr war heftig, ich musste eine Ewigkeit warten, bis ich nach links abbiegen konnte. Dann endlich die Lücke, winzig nur, Kupplung kommen lassen, heftig auf den Pinsel, einlenken. Der Lambo schiesst nach vorne, die Räder kriegen Grip – und zack, leg ich eine saubere 180-Grad-Drehung hin, die Front zeigt wieder in Richtung Haupteingang. Nach einer Schrecktausendstel kupple ich durch, rolle langsam wieder zurück zum Ausgangsort, stelle den Diablo in den Schatten, tue so, als ob ich etwas vergessen hätte, steige in aller Ruhe aus, hol mir etwas aus meinen Auto, was gar nicht existiert. Gerne hätte ich in die Hosen geschissen vor lauter Scham, aber anscheinend hatte es niemand bemerkt. Der zweite Versuch klappte dann. Aber irgendwie war die Freud’ komplett dahin, ich kann mich auf jeden Fall nicht mehr erinnern, wie die Testfahrt verlief.

Blöd ist nur: Es war dies nicht das einzige Missgeschick, das mir mit einem Lamborghini Diablo unterlief. Es ist noch nicht lange her, da rief ein so werter wie diskreter Sammler zu einer Ausfahrt mit seinen verschiedenen Diablo. Es war natürlich eine Ehr’ und vor allem eine Freud, wir hobelten fröhlich durch die Innerschweiz und vor allem den einen Hügel hoch und runter, immer in einem anderen Modell. Als der Photograph (© Dario Fontana) dann endlich zufrieden war, ging es zurück zur Sammlung, ich machte im Diablo SE30 das Schlusslicht – und kurz vor der Autobahneinfahrt geht mir das italienische Ding einfach: aus. Und dann ging mitten auf der Kreuzung gar nichts mehr. Die anderen Diablo waren schon weit weg, während ich einen sauberen Stau verursachte, niemand kam an mir vorbei, zwei Lastwagen verkeilten sich auch noch – und wer war der grösste Depp auf Erden?

Aber bevor ich da auf der Kreuzung stehenblieb, hatte ich ja einen ganzen Tag das Vergnügen mit drei verschiedenen Diablo, SE30, GT, VT Roadster. Die Platzverhältnisse sind nicht übermässig, was aber in erster Linie daran liegt, dass ich in den vergangenen 30 Jahren zwar nicht mehr grösser, aber doch etwas praller geworden bin; vor allem die Füsse, die ja auf den drei Pedalen tanzen sollten, fühlen sich ziemlich beengt. Und wenn man heute so einen freisaugenden 5,7-Liter-V12 bewegt, dann ist man auf den ersten paar Metern etwas enttäuscht, wie wenig das vorwärtsgeht – wir haben uns an diese Turbo-Drehmomentmonster gewöhnt, die schon ab 1500/min abgehen wie Zäpfchen. Im Diablo muss man aber handgerissen etwas dafür tun, bis es grob wird, es ist viel mehr Arbeit. Hat man den Zwölfzylinder aber dann mal bei Laune (so ab 4000/min), dann ist es halt allein schon akustisch ein ganz anderes Vergnügen, auf einer anderen Ebene, vielviel, sorry, geiler.

Es ist alles bretterhart, die Kupplung, die Schaltung, die Lenkung, das Fahrwerk, die Sitze. Der SE30 ist irgendwie ein bisschen luxuriöser (und violett), der GT ist noch geiler, weil lauter und noch härter und ganz allgemein von einer herrlichen Konsequenz, der Roadster ist das alles auch, aber noch unmittelbarer, weil offen. Und doch verharren wir irgendwie in den 90er, sie sind alle spitz in in ihrem Fahrverhalten, nicht wirklich agil, wer etwas schneller fahren will, muss all seine Sinne sehr beisammen haben. Heute bringt jeder Supra deutlich mehr Grip auf die Strasse, ist viel einfacher zu fahren, wahrscheinlich sogar schneller auf dem Berg. Aber das zählt nicht, der Diablo ist ein Teufel, er verhilft dem Piloten zu einer schönen Form von Befriedigung: Ja, ich kann das, ich beherrsche das Gerät, auch wenn es zickt.

Ich liebe ihn trotzdem, den Lamborghini Diablo. Er hat zwar nicht die unglaubliche Konsequenz eines Countach, aber es kann ihn eigentlich jeder Depp (m/w) fahren (ausser ich, anscheinend). Er wurde grob über die Jahre, auch wieder kantiger (Gandini wird es mit Genugtuung gesehen haben), sicherte der Marke das Überleben (Chrysler verkaufte sie 1994 an wohl kaum koschere malaysische Investoren, die 1998 mit Volkswagen einen für sie guten Deal machten), trug seinen stolzen Namen mit Würde. Zwischen 1990 und 2001 gab es reichlich Varianten des 4,46 Meter langen, 2,04 Meter breiten und 1,11 Meter hohen Sportwagens, der zu Beginn seiner Karriere knapp 1,6 Tonnen wog, bis auf 1385 Kilo abspeckte (Diablo SV-R) oder dann auf gut 1,7 Tonnen kam (Diablo 6.0 VT). Der bekannte V12 schaffte bis zu 603 PS (SE30), wurde 1999 auf 6 Liter Hubraum vergrössert. Klar, Rennversionen gab es auch, sie sind in der Diablo-Ahnenreihe zu finden (und unten, kurz zusammengefasst) – insgesamt wurden 2884 Diablo gebaut, damit wurde er zum bis dahin meistverkauften Lamborghini aller Zeiten.

Die Strassen-Versionen:
Lamborghini Diablo (1990 bis 1998, ca. 900 Ex.)
5,7-Liter-V12, 492 PS, 580 Nm, 1576 kg

Lamborghini Diablo VT (Allradantrieb, 1993 bis 1998, ca. 400 Ex.)
5,7-Liter-V12, 492 PS, 580 Nm, 1625 kg

Lamborghini Diablo SE30/SE30 Jota (1993, 150 Ex.)
5,7-Liter-V12, 530 PS, 580 Nm, 1451 kg

Lamborghini Diablo SE30/SE30 Jota (1995, 25 Ex.)
5,7-Liter-V12, 603 PS, 639 Nm, 1450 kg

Lamborghini Diablo SV (1995 bis 1998)
5,7-Liter-V12, 517 PS, 560 Nm, 1576 kg

Lamborghini Diablo VT Roadster (Allradantrieb, 1995 bis 1998, ca. 200 Ex.)
5,7-Liter-V12, 492 PS, 580 Nm, 1625 kg

Lamborghini Diablo SV (1998/99, ca. 100 Ex.)
5,7-Liter-V12, 536 PS, 605 Nm, 1530 kg

Lamborghini Diablo SV Roadster (1998/2 Ex.)

Auf dem Genfer Salon 1998 präsentierte Lamborghini den Prototypen eines SV Roadster. Zu einer Serien-Produktion kam es nicht, Lamborghini fehlte das Kleingeld. Doch Emanuele Conforti, Chef des Mailänder Lamborghini-Händlers Touring Auto S.r.l. bestellte sich trotzdem so einen Roadster, das Fahrzeug, das wir hier sehen, Chasis-Nummer ZA9RE31A0WLA12960. Der in einer «sealed»-Auktion bei RM Sotheby’s angeboten wird (13. bis 15.12.2023).

Lamborghini Diablo VT/VT Roadster (Allradantrieb, 1998-2000, 100 Ex plus 30 Millenium Roadster)
5,7-Liter-V12, 536 PS, 605 Nm, 1625 kg

Lamborghini Diablo GT (1999/2000, 83 Ex.)
6-Liter-V12, 583 PS, 630 Nm, 1460 kg

Lamborghini Diablo VT 6.0/VT 6.0 SE (2000/2001, 40 Ex.)
6-Liter-V12, 558 PS, 620 Nm, 1625 kg

Bilder unten: Chassis-Nummer: ZA9DE01A01LA12689:

Die Renn-Versionen:
Lamborghini Diablo Jota GT1 LM (1995, 1 Ex.)

Lamborghini Diablo JGTC SE Jota R-Series (1995, 3 Ex.)

Lamborghini Diablo SV-R (1996, 28 Ex.)

Lamborghini Diablo GT2 (1996, 1 Ex.)

Lamborghini Diablo GTR (2000, 40 Ex.)

Bilder: Herzlichen Dank an Dario Fontana. Mehr Lamborghini finden Sie unter: Suche. Es kommt dann reichlich, 783 Suchergebnisse. Aber wir haben selbstverständlich aus aktuellem Anlass auch eine schöne Zusammenfassung: 60 Jahre Lamborghini.

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