Farbenspiele
Der Kenner sieht es an der Chassis-Nummer: 9112301609 ist eigentlich kein Porsche 911 Carrera RS 2.7. Das Fahrzeug wird Mitte August 2023 von RM Sotheby’s in Monterey versteigert, es hat auch eine stringente und durchaus spannende Geschichte, wird als «Development Car» dargestellt.
Es war ja so: Die Hubraumerweiterung auf von 2,4 auf 2,7 Liter war bei Porsche schon länger angedacht, auch erprobt. Für den Modelljahrgang 1972 war ein solcher Porsche 911 S 2.7 in der Pipeline, auch als Targa, das Werbematerial war schon gedruckt, es wurden mit verschiedenen Fahrzeugen noch letzte Versuche gefahren. Das waren dann eigentlich immer 2.4 S, die den grösseren Motor erhielten. Erst im Frühling 1972 erfuhr man dann bei Porsche vom neuen Sport-Reglement der FIA, was dann zur sehr schnellen Entwicklung des 911 Carrera RS 2.7 führte – inklusive Entenbürzel und breiteren Kotflügeln und all den anderen Insignien, welche die Legende ausmachen.

Es besteht auch gar kein Zweifel, dass #9112301609 einer dieser 2.4 S (Öl-Klappe) war, die einen der ersten 30 produzierten 2,7-Liter-Motor erhielten – davon zeugt auch die Motorenummer, 6630027 (original montiert war 6322388). Ob dieser Porsche allerdings auch schon den Heckspoiler trug, das hingegen gilt als nicht gesichert; vielleicht erhielt er ihn auch erst später (wobei: wahrscheinlich schon, wenn man sich auf den Wortlauft der Dokumentation stützt). Aber dann ist da noch ein Punkt, der eigentlich sehr wichtig wäre, aber in der Beschreibung von RM Sotheby’s etwas untergeht: die Farbe.
Man sieht es auf den Bildern nicht so gut, auch deshalb nicht, weil es sich nicht mehr um die originale Lackierung handelt, doch #9112301609 war ursprünglich in einem wirklich stark fluoriszierendem Gelb «bemalt», das nicht viel mit dem späteren Carrera-«Signalgelb» (Farbcode 5252) zu tun hat. Porsche versuchte sich Anfang der 70er Jahre öfter mit solch starken Farben, die tatsächlich blendeten, wenn die Sonne direkt darauf schien. Die deutschen Behörden waren aber alles andere als begeistert von diesen Farbspielen, sie wurden auch nicht bewilligt.
Und so sind wir dann auch schon mitten drin in der weiteren Geschichte dieses Fahrzeugs. Es war damals durchaus üblich bei Porsche, dass Versuchsfahrzeug an private Kunden verkauft wurden. Das war auch bei #9112301609 so, über den damaligen Entwicklungsleiter Helmuth Bott kam der Wagen an einen befreundeten Ingenieur, Franz Sussner, der wie Bott in Nekarsulm lebte. Sussner registrierte den Porsche am 18. September 1973 – und erhielt vom Regionalgericht in Stuttgart eine Ausnahmebewilligung für die Fluor-Farbe (und anscheinend auch für den Heck-Spoiler, aber eben, da sind wir nach eigenen Recherchen noch nicht ganz davon überzeugt). Allerdings galt diese Bewilligung nur bis im März 1977 – danach lackierte Sussner seinen aussergewöhnlichen 911er rot.
Seine ersten Jahre durfte #9112301609 mit Sussner in Algerien verbringen, damals noch in Gelb. Der Ingenieur behielt den Porsche stolze 43 Jahre, dies dann zumeist in Rot. Erst 2016 verkaufte Sussner das Fahrzeug an einen deutschen Sammler, der es wieder in den wahrscheinlich ursprünglichen Zustand restaurieren liess. Und jetzt wurde es versteigert, der Schätzpreis lag bei 780’000 bis 900’000 Dollar, zugeschlagen wurde das Fahrzeug dann bei 758’500 Dollar.
Viel mehr von diesen Porsche 911 Carrera RS 2.7 gibt es: hier. Und sonst ist da ja noch das Archiv.
Ihrem Bericht entnehme ich zu Beginn folgenden Satz:“doch ob es sich bei #9112301609 wirklich um einen «Development Car» handelt, das sei jetzt einmal dahingestellt.“
Den durch die Auktion veröffentlichten Zugang zu allen wesentlichen Schriftstücken entnehme ich aus drei Dokumenten folgende Stellungnahmen der Porsche AG:
Im Schreiben vom 17.09.1973, also dem Tag der Auslieferung und des Kaufvertrages zwischen der Porsche AG und dem Käufer:“ …wir bestätigen hiermit, dafü das obengenannte Fahrgestell kein Kfz.-Brief ausgestellt wurde, da das Fahrzeug bisher zu Versuchszwecken in unserem Hause verwendet wurde.“
Im Schreiben der Porsche AG vom 06.06.1997 bezugnehmend auf dieses Auto und seine Fahrgestellnummer: „genannter Porsche 911S wurde im Juni 1972 für den werksinternen Einsatz (Entwicklungsabteilung) gefertigt.
Im Schreiben des Regierungspräsidiums Stuttgart von 19.09.1973, also einen Tag nach Einzelabnahme/TÜV Vollgutachten und Straßenzulassung lese ich: „1. §49a StVZO das Fahrzeug darf mit Tagesleuchtfarbe versehen sein.
§ 30 StVZO Das Fahrzeug darf am Heck mit einem abnehmbaren Spoiler ausgerüstet sein. Der Spoiler ist bei Verwendung so anzubringen, das es ausgeschlossen ist, ihn zu verlieren.“
Was genau brauchen Sie noch außer den im Original vorliegenden, genannten Unterlagen, um diesem Automobil „Entwicklungsfahrzeug-Status“ zuzugestehen, und diese Bezeichnung „Development Car“ nicht in Frage zu stellen?
Mit freundlichen Grüßen von jemandem, der dieses Fahrzeug in-und auswendig kennt…
Wir haben das alles doch auch gesehen, die von Ihnen erwähnten Schriftstücke. Und wir stellen gar nichts in Frage. Aber wir erlauben uns trotzdem mit Menschen zu sprechen, die auch ein bisschen Ahnung von der Materie haben. Und da kam es dann halt zu Diskussionen um die «Wichtigkeit» dieses Fahrzeugs in der Entwicklung. Sollten wir Sie damit verärgert haben, wollen wir uns entschuldigen.
Lieber Herr Ruch,
ich will hier keinesfalls rechthaberisch erscheinen. Ebenso wenig will ich ein Fass darüber aufmachen und nun Haare spalten.
Aber erlauben Sie mir bitte, Ihr eigenes Zitat zu wiederholen:
„doch ob es sich bei #9112301609 wirklich um einen «Development Car» handelt, das sei jetzt einmal dahingestellt.“
Sie stellen also mit obigem Satz nicht in Frage, ob es sich „wirklich“ um ein Entwicklungs-Fzg. handelt? Obwohl nicht nur ein-sondern mehrfach schriftlich von der Porsche AG bestätigt wird, daß dieses Fzg. direkt bei der Montage in Zuffenhausen nach Weissach ausgesteuert wurde und dort für Versuche welcher Art auch immer verwendet wurde?
Ebenso der Bürzel und die Zweifel, ob und wann dieser montiert wurde.
Ihr Zitat:“Ob dieser Porsche allerdings auch schon den Heckspoiler trug, das hingegen gilt als nicht gesichert; vielleicht erhielt er ihn auch erst später. “
Am 17.09.1973 wird das Fahrzeug per vorliegendem Kaufvertrag zwischen der PAG und dem Käufer geschlossen, am 18.09.1973 wird das Einzelgutachten vom TÜV erstellt auf Grund der vorliegenden Unbedenklichkeitsbescheinigung der PAG mit den technischen Daten, abweichend von denen des Basis-Fahrzeugs 2.4S, und am 19.09.1973 wird die Ausnahmegenehmigung vom Reg.-Präsidium Stuttgart erstellt für die Tagesleuchtfarbe UND den Heckspoiler…
Für wie wahrscheinlich halten Sie die Annahme, daß besagter Bürzel „vielleicht“ auch später – wann immer später nun gewesen sein soll – montiert wurde, wenn doch zwischen der Auslieferung und der Ausnahmegenehmigung nur 2 Tage liegen???
Nicht zu vergessen – Dieser Vorgang liegt über 50 Jahre zurück! Sie sprechen mit Menschen, die auch ein bisschen Ahnung von der Materie haben, ok. Diese Menschen müssen zum damaligen Zeitpunkt geschätzt doch auch mindestens 20 oder mehr Jahre alt gewesen sein, um sich explizit an genau dieses Auto zu erinnern, nicht wahr?
Ich stütze mich allein auf die vorliegenden Dokumente und versuche, mir einen plausiblen Reim daraus zu machen und lasse dabei sämtliche hören-sagen-Spekulationen außen vor. (Bis auf den inzwischen wirklich gefestigten Fakt, daß das Werk Porsche in den 70ern so ziemlich alles machte, außer jeden Vorgang ordentlich zu dokumentieren und damit der Nachwelt sichern…so basiert außerordentlich viel heutiges Wissen auf überlieferten „Geschichten“, die sich von Übermittlung zu Übermittlung zum Teil derart verwässerten, daß deren Wahrheitsgehalt zusehens mehr und mehr verwässerte…spannend allemal, den wenigen verbliebenen alten Haudegen zuzuhören! Aber wie gesagt – in Stein meißeln würde ich heute keine dieser Geschichten…
Nichts für ungut, Herr Ruch! Mir liegt es fern, Ihnen in die Parade Ihres Berichtes zu fahren. Ich bitte nur höflich (und in sehr entpannter Art und Weise) um die Prüfung genannter Angaben Ihres Berichtes, um zumindest bei diesem Fahrzeug bei den klaren, harten Fakten zu bleiben.
Nicht mehr, nicht weniger.
Dennoch Besten Dank für Ihre Arbeit und ein entspanntes Wochenende!
Werter Herr Utesch, wir haben das nun, hoffentlich auch in Ihrem Sinne, aktualisiert. Mit freundlichen Grüssen.