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Alfa Romeo 1900

«Mittelstarker Gebrauchswagen»

Der auf dem Pariser Automobilsalon 1950 vorgestellte Alfa Romeo 1900 (einige gute Kunden durften den Wagen einige Wochen vorab schon in Turin sehen) wies gleich mehrere Premieren  auf. Zum ersten Mal bildete die strukturelle Basis eines Alfa Romeo nicht ein Leiterrahmen-Chassis, sondern eine selbsttragende Karosserie. Noch nie zuvor hatte ein Alfa Romeo serienmässig das Steuer auf der linken Seite angebracht gehabt, im nun weitgehend vereinheitlichten europäischen Strassenverkehr war das aber eine eigentlich logische Lösung. Als Antriebsquelle diente ein vergleichsweise kleiner 1,9-Liter-Motor mit nur vier Zylindern; eine Konfiguration, die bei der dank ihrer Sechs- und Achtzylinder berühmt gewordenen Marke zum letzten Mal zuletzt ein Vierteljahrhundert vorher verwendet worden war.

Dieser Vierzylinder (Bohrung x Hub: 82,55 x 88 mm, also 1884 cm3) war allerdings ein feines Stück. Zwei obenliegende, von einer Kette angetriebene Nockenwellen betätigten zwei Ventile pro Zylinder, die Brennräume hatten Halbkugelform. Der Zylinderkopf war aus Aluminium, der Block aus Eisen gegossen. Mit einem Solex-Fallstromvergaser kam die Maschine 90 bhp (wohl etwa 80 echte PS) bei 4800/min; gegen Aufpreis gab es aber einen Weber-Doppelvergaser, dann waren es 93 bhp (82 PS) bei 5400/min, die dann für sportliche Fahrleistungen sorgten, eine Höchstgeschwindigkeit von über 170 km/h lag durchaus drin, 0 auf 100 gingen unter in 17 Sekunden. Auch das Fahrwerk zeugte von der Erfahrung von Alfa Romeo im Sportwagenbau. Die Vorderachse wurde an doppelten Dreiecksquerlenkern geführt; Schraubenfedern und Teleskopstossdämpfer waren für Limousinen zu jener Zeit noch keineswegs selbstverständlich. Gleiches galt für den Stabilisator, der die Seitenneigung der Karosserie in Kurven reduzierte.

Die in Zusammenarbeit mit Touring entwickelte Basis-Karosserie war dem Zeitgeist entsprechend funktionell gehalten. Vier Türen waren Standard, bis zu sechs Erwachsene durften auf den beiden durchgehenden Sitzbänken Platz nehmen. Auch die italienischen Strafverfolgungsbehörden wussten die Vorzüge der sportlichen Limousine zu schätzen: In Tiefschwarz lackierte Polizei-Ausführungen des Alfa 1900 wurden von der Unterwelt als «Panther» gefürchtet. Die Schweizer «Automobil Revue» bezeichnete den Wagen trotzdem etwas despektierlich als «mittelstarken Gebrauchswagen».

Wohl noch tiefgreifender als die technische Revolution waren für Alfa Romeo aber die Fortschritte auf der Produktionsseite. Das Werk in Portello erlebte zum ersten Mal so etwas wie eine Fliessbandfertigung. Dauerte der Zusammenbau eines 6C 2500 noch rund 250 Stunden, schraubten die Arbeiter einen Alfa Romeo 1900 in maximal 100 Stunden zusammen. Statt bisher deutlich weniger als dreihundert Autos pro Jahr verliessen nun mehr als 2000 Neuwagen jährlich die Hallen – Alfa Romeo war auf dem Weg zum Grossserienhersteller. Wir zeigen hier ein Modell aus der ersten Serie (1950 bis 1954, 7407 Exemplare), Baujahr 1953, Chassisnummer AR 1900.06186.

Jetzt wird es etwas komplizierter. Deshalb wollen wir hier zuerst einmal etwas Ordnung in die 1900er-Geschichte bringen. Also:

– 1900 (1950-1954): 1884 cm3, 80/82 PS; Radstand 2,63 Meter; 7407 Exemplare.

– 1900 Sprint (1951-1955): 1884 cm3, 100 PS; Radstand 2,50 Meter; 655 Exemplare (1. Serie), 554 Exemplare (2. Serie).

– 1900 T.I. (1952-1954): 1884 cm3, 100 PS; Radstand 2,63 Meter; 612 Exemplare.

– 1900 Super ((1954-1958): 1975 cm3, 90 PS; Radstand 2,63 Meter; 8512 Exemplare.

– 1900 T.I. Super (1954/55): 1975 cm3, 115 PS; Radstand 2,63 Meter; 483 Exemplare.

– 1900 Super Sprint (1956-1958): 1975 cm3, 112 PS; Radstand 2,5 Meter; 614 Exemplare.

– und dann sind da noch: die Ausnahmen.

Wir beziehen uns da auf die offizielle Chronik von Alfa Romeo (die leider auch nicht über jeden Zweifel erhaben ist). Aber wir haben uns jetzt auch die «Bibel» bestellt, «Millenove» von H.-Jürgen Döhren, schaumermal. Wir vermelden es dann, ob das Teil auch etwas wert ist, doch wir erwarten da schon einiges, vor allem zu den Sonderkarrosserien. (Es ist unterdessen eingetroffen, spannend – und hilfreich.)

Bleiben wir vorerst bei den «braven» Versionen – und zeigen hier eine 1900 Super Berlina aus dem Jahr 1956. So ganz nebenbei: die gibt es noch zu absolut vernünftigen Preisen.

Doch wir wollen nun weitermachen, mit den 1900C Sprint. Denn dieser war so etwas wie: ein letzter Versuch. Vor dem 2. Weltkrieg waren viele der Alfa Romeo von den bekannten italienischen Carrozzerie eingekleidet worden, sie eigneten sich bestens für alle Arten von Aufbauten, das Geschäft lief bestens für beide Seiten. Auch nach dem Krieg war es noch ein buntes Treiben, der 6C 2500 war eine gute Basis für all die Designer, doch die Geschäfte liefen immer zäher, auch den reichen Kunden mit gutem Geschmack wurde es zu mühsam, sich noch um Einzelanfertigungen zu kümmern, die nicht nur teuer waren, sondern halt auch viel Zeit beanspruchten, bis sie dann endlich genau nach den Kundenwünschen fertiggestellt waren. Auch die bekanntesten italienischen Namen, Touring, Bertone, Pininfarina, Zagato, verlegten sich immer mehr auf Kleinserien, die sie selber oder im Auftrag der Hersteller produzierten. Doch auch dieses Geschäft war schwierig, weil die Hersteller das Geld der Kunden lieber selber haben wollten, immer weniger nur simple Chassis mit Motor anboten, die sich noch einkleiden liessen. Mit Ausnahme von Ferrari – und, eben: Alfa Romeo.

Alfa sagte ausdrücklich, dass die 1900C (für den kurzen Radstand) Sprint auch für die Carrozziere vom Band rollten; die Mailänder selber vergaben einen offiziellen Auftrag an Touring für ein Coupé sowie an Pinnfarina für ein Cabrio. Wir wollen hier mit dem Touring-Coupé beginnen, erste Serie, wir zeigen die Chassisnummer #AR1900C 01020 aus dem Jahre 1952 (2014 von RM Sotheby’s für 196’000 Dollar versteigert).

Und das alles unterscheiden zu können, das braucht dann wirklich die Kenner. Wir zeigen hier jetzt zuerst noch einmal: Alfa Romeo 1900C Sprint von Touring, erste Serie von 1953.

Und dann, zum Vergleich: Alfa Romeo 1900C Sprint von Touring, zweite Serie von 1954.

Wo und wie machen wir weiter? Am meisten Sinn macht wohl, wenn wir die klassischen Touring-Superleggera-Coupé zuerst zu Ende bringen, auch wenn wir der Geschichte damit etwas vorgreifen, denn die Serie 3 und 4 waren dann Super Sprint, also die grösseren, stärkeren Motoren. Eine kleine Zusammenfassung und die Unterschiede (wobei, da gab es immer auch Fahrzeuge, da stimmte das alles nicht; oder dann nur teilweise):

Serie 1 (C Sprint, 1951-1953): kleines Heckfenster; die Türen reichen bis über den Schweller.

Serie 2 (C Sprint, 1952-1954): grösseres Heckfenster; die Türen werden gekürzt.

Serie 3 (C Super Sprint, 1954-1958): zusätzlich Nebellampen im Grill, grössere Fondscheiben, höhere Dachlinie.

Serie 4 (C Super Sprint, 1956-1959): sieht dann ganz anders aus, siehe unten.

Man könnte das alles auch festzumachen versuchen an den Türgriffen. Oder an den Stossstangen. Doch dann wird es sehr schwierig, dann wäre die Verwirrung noch grösser.

Machen wir also weiter mit einem Exemplar aus der 3. Serie:

Und dann selbstverständlich auch noch eine 4. Serie:

Man darf davon ausgehen, dass wohl 1465 Exemplare all dieser Touring-Coupé gebaut wurden; wir versuchen dann noch eine Aufschlüsselung nach den einzelnen Serien. Weil er aber so schön ist, und dazu auch noch geschichtsträchtig, gibt es hier noch einen Blick zurück, nochmals 1951, also erste Serie – das persönliche Fahrzeug von Juan Manuel Fangio:

Wie erwähnt: diese Geschichte zu den 1900ern ist kompliziert. Das heisst, es gibt da einige Fahrzeuge, die tanzen etwas aus der Reihe. Zum Beispiel dieser wunderschöne 1900 aus dem Jahre 1953. Man sieht: Touring. Man sieht auch: Corto. Seine offizielle Bezeichnung lautet: Coupe Superleggera 2-3 Posti Speciale Tipo Super Sprint, dem Kenner bekannt ist er als «Corto Gara». Nun gab es 1953 aber noch gar keine Super Sprint, die kamen erst 1956. Man weiss aber, dass Touring von diesen Fahrzeugen acht Stück baute, fünf Rennwagen, und folglich drei Stradale (dies hier ist Chassisnummer #01420, überlebt haben sollen noch ein Stradale, #01362, plus ein Rennfahrzeug, #01047) – und dass sie noch die «kleinen» Motoren hatten (also: 1884 cm3, die Super Sprint hatten ja dann 1975 cm3). Auch so ein Stradale ist ein scharfes Teil, Plexi-Fenster, kaum Innenraum-Verkleidung. Und ein Nardi-Fünfgang-Getriebe. Dieses grossartige Fahrzeug wurde 2012 von RM Sotheby’s (damals noch RM Auctions) in Monaco für lächerliche 240’800 Euro verkauft.

Interessant ist nun aber, dass ein weiterer «Corto Gara» aufgetaucht ist, bei Bonhams im Mai 2018 in Monaco versteigert wird, Chassisnummer #1411 (Schätzpreis 380’000 bis 450’000 Euro). Nein, wir wollen uns (vorerst) noch kein Urteil erlauben, zeigen aber gerne die Bilder.

Touring hat noch weitere, andere 1900er eingekleidet. Man weiss von einigen (wenigen) Touring-Cabriolet, die auf Basis der vierten Serie des Coupé, also 1900C SS, aufgebaut wurden. Da wurde auch mit einem Prototypen experimentiert, der ein über ein elektrohydraulisches, festes Dach verfügte, das sich beim Öffnen der Fahrtür automatisch aufklappte (das war dann quasi der Vorläufer der heute auch schon nicht mehr modischen Coupé-Cabriolets).

Und dann gab es den «Visconteo», gemäss «Millenove» von Döhren entstanden zwei Cabriolets, beide 1955, #01091 und #01963. Das eine Stück basiert auf dem langen Chassis, ein Viersitzer, das andere Fahrzeug war ein «Corto» und folglich ein Zweisitzer. Es gibt aber auch Bilder von einem wunderschönen Coupé, sehr hübsch. Doch leider haben wir von diesen Fahrzeugen keine Bilder.

Wir kommen nun von Touring zu Pininfarina, der zweiten Carrozzeria, die von Alfa Romeo mit einem offiziellen Auftrag ausgestattet wurde. Und dies für ein Cabriolet auf Basis des kurzen Radstands. 88 Stück sollen in zwei Serien entstanden sein, aber es war irgendwie kein Meisterwerk, der offene 1900er sah ein bisschen aus wie: Vorkrieg.

Chassis-Nummer: AR1900C 01192
Motoren-Nummer: AR1308 00228

Auktion: RM Sotheby’s, Villa Erba 2023, verkauft für 146’625 Euro.

Was wir aber haben: das Coupé von Pininfarina. Auch hier gab es zuerst ein paar Exemplare mit langem Radstand, aber wichtiger sind die anscheinend genau 100 Stück des 1900C, die zwischen 1952 und 1954 entstanden. Der Aufwand war nicht ganz so gross wie bei der Superleggera-Konstruktion von Touring, das Gewicht lag deshalb auch etwa 50 Kilo höher. Die Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters, heisst es, doch die Pininfarina-Coupé hatten nicht die Eleganz der Touring-Modelle.

Na, da geben wir uns doch noch einen, es ist dies ein 53er 1900C Sprint, Chassisnummer #01630:

Pininfarina hat auf Basis eines TI 1954 noch einen hübsch(er)en Entwurf vorgelegt. Der aber leider nie in Serie ging. Ein Exemplar soll aber noch existieren.

Nicht zu verwechseln mit Pinin Farina, Pininfarina, sind die Stabilimenti Farina von Giovanni Farina, dem älteren Bruder von Battista. Giovanni hatte schon 1906 sein erstes Unternehmen gegründet, die Stabilimenti entstanden dann 1919 – und gehörten nach dem 1. Weltkrieg zu den besten Adressen unter den italienischen Meisterschneidern, Isotta-Fraschini, Hispano-Suiza, Rolls-Royce und selbstverständlich Alfa Romeo gehörten zu den Kunden. Und die Ateliers von Giovanni waren eine hervorragende Ausbildungsstätte, neben «Pinin» begannen auch Pietro Frua, Mario Boano, Alfredo Vignale und Giovanni Michelotti ihre Karriere bei Giovanni Farina. Die besten Zeiten hatten die Stabiliment Farina nach dem 2. Weltkrieg aber schon hinter sich, als auf Basis eines Standard-1900 ein Cabriolet, genannt Victoria, erstellt wurde. 48 Stück sollen zwischen 1950 und 1952 entstanden sein – und wie die offene 1900er-Variante seines kleinen Bruders wirkt auch diese Version doch eher konservativ.

Man muss nun in der Folge unterscheiden. Da haben wir einerseits Ghia – und dann haben wir Ghia-Aigle. Beginnen wir bei Ghia, gegründet 1916 von Giacinto Ghia, der zuvor ein bekannter Rennfahrer war. Seine Firma macht sich bald einen Namen mit einigen schönen Alfa Romeo, aber 1940 verlässt der Chef das Boot – und stirbt 1946. Zwei Jahre später übernimmt Mario Felice Boano das Ruder – und es entstehen einige 1900er Alfa in Kleinserien, einzig vom «Supergioiello» entstehen als 1900C Sprint wahrscheinlich 20 Stück (oder nur 18? Vielleicht auch: 19; es sollen noch drei Stück existieren). Man sieht da schon gut, dass sich Ghia nach dem 2. Weltkrieg in Richtung Amerika wandte. Wir zeigen hier das letzte gebaute Exemplar des «Supergioiello», #01549, das auch eine schöne Renngeschichte hat.

Und wir haben noch einen «Supergioello», Chassis-Nummer #01531.

Da waren aber noch mehr, Ghia (Torino) hat wahrscheinlich am meisten Einzelstücke von den 1900ern gebaut, sowohl mit langem wie auch mit kurzem Radstand. Da gab es zum Beispiel einen Entwurf von Giovanni Savonuzzi, von dem in den verschiedensten Varianten wohl zehn Exemplare entstanden sind, alle als 1900C Super Sprint.

Wir zeigen hier Chassis-Nummer AR1900L-01089. Der Kenner sieht sofort: L, also Lungo.

Noch ein Ghia-1900er hat eine gewisse Berühmtheit erlangt, der «Americano» nach einem Entwurf von Mario Felice Boanos Sohn Gian Paolo. Zuerst wurde ein Coupé mit langem Radstand gebaut, dieses Design gefiel einem Amerikaner so gut, dass er ein sehr ähnliches Fahrzeug (mit Heckklappe und abklappbarer Rücksitzbank) als 1900C Super Sprint bestellte.

Bei Ghia müssen wir aber unbedingt noch ein ganz besonderes Einzelstück erwähnen, bekannt als «Supersonic» oder auch «Conrero». Gebaut wurde dieses Fahrzeug für den Schweizer Rennfahrer Robert Fehlmann, der Virgilio Conrero beauftragte, auf Basis eines 1900C Sprint ein Gerät für die Mille Miglia 1953 zu entwickeln. Conrero machte den Motor etwas schärfer – und beauftragte seinen Freund Giovanni Savonuzzi, eine aerodynamische Form zu entwerfen. Fehlmann hatte kein Glück mit seinem Alfa an der Mille Miglia, er zerstörte den Wagen – doch der Entwurf von Savonuzzi, der damals Chefdesigner von Ghia war, erlangte grosse Berühmtheit, die «Supersonic» auf Basis des Fiat 8V waren dann Meisterwerke (es gab sie auch als Jaguar, Aston Martin und DeSoto).

Ghia Aigle, oder genauer: Carrosserie Ghia S.A., Aigle, war ein eigenartiges Konstrukt. Gegründet wurde die Firma am 30.4.1948 in Waadtländer Städtchen Aigle, als Präsident fungierte ein Paul Genet, als Direktoren die Herren Edouard Monney und Pierre-Paul Filippi (der ein reicher Industrieller gewesen sein soll und unter anderem Seifen produzierte). Die erste Geschäftsidee soll gewesen sein, Lizenz-Produkte von Ghia zu erstellen, was anscheinend zwischen 1948 und 1951 tatsächlich auch geschah. Ab 1948 werden aber auch die Herren Mario Felice Boano und ein gewisser Giovanni Michelotti als Designer geführt, ab 1951 zeichnet Michelotti alleine verantwortlich – und 1953 macht sich Ghia Aigle selbständig von Turin. Ende 1954 zieht Ghia Aigle nach Lugano um – und ab 1955 werden auch die ersten Alfa Romeo 1900 neu eingekleidet. Oh nein, es waren nicht alles glückliche Entwürfe, wie etwa dieses «Boat Car» von 1955 aufzeigt (das damals mehr gekostet haben soll als ein Mercedes 300 SL).

Am bekanntesten sind sicher die Fahrzeug, welche gerne als «Lugano» bezeichnet werden. Was eine etwas dümmliche Bezeichnung ist, denn quasi alle Alfa Romeo 1900, die von Ghia Aigle karosseriert wurden, wurden an der Via Monte Boglia 50 in Lugano montiert. Bis 1957 war Michelotti verantwortlich, danach folgte Pietro Frua, wahrscheinlich bis 1960. 1958 zog Ghia Aigle aber bereits wieder zurück nach Aigle, ab 1960 beschränkte man sich dann auf Reparaturen, Ambulanzen und Abschleppwagen; das endgültige Ende kam dann 1988. Dies hier ist eines von wahrscheinlich fünf Coupé auf Basis des 1900C Super Sprint – der wohl bekannteste Entwurf von Ghia Aigle.

Da haben wir noch einen «Lugano», Chassis-Nummer AR1900C.10439, Motoren-Nummer AR1308.01385.

Von Mario Felipe Boano hatten wir es ja schon. 1954 verliess er Ghia Aigle und gründete seine eigene «Carrozzeria Boano». Aus seiner Hand stammten einige sehr schöne Einzelstücke des 1900er, alle auf Basis des Super Sprint. Man weiss von einem sehr hübschen Cabriolet, das aber wohl verschollen ist, dazu gab es ein paar aussergewöhnliche Coupé, von denen wir aber leider keine Bilder haben. Das schrägste Teil können wir aber zeigen, Chassisnummer 01846; das Design mag bekannt vorkommen, und ja, es gab da einen berühmten 6C 3000 für den argentinischen Präsidenten Peron. Dieses Fahrzeug wird Mitte Januar von RM Sotheby’s in Arizona versteigert, der Schätzpreis für dieses Einzelstück beläuft sich auf 1,25 bis 1,75 Millionen Dollar. Die «Carrozzeria Boano» schloss ihre Tore übrigens bereits 1957 wieder, als Mario Felipe Boano zum Chefdesigner des Centro Stile Fiat ernannt wurde. (Die Ferrari-Geschichte dazu gibt es: hier.)

Es ist Zeit für den Höhepunkt der Geschichte der 1900er: Zagato. Ugo Zagato hatte sein Unternehmen 1919 gegründet – und er hatte immer gerne Alfa Romeo eingekleidet. Weil Zagato auch Erfahrung im Bau von Flugzeugen hatte, waren seine Fahrzeuge oft leichter und folglich schneller als jene seiner Konkurrenten. Das gilt auch für seine Arbeiten am 1900C SS. Ein Prototyp des so genannten SSZ entstand 1954 – und Alfa-Testfahrer Consalvon Sanesi war derart beeindruckt von diesem Fahrzeug, dass er es den Verantwortlichen in Arese empfahl. Und so kam es zu einer offiziellen Zusammenarbeit zwischen Alfa Romeo und Zagato. Es entstanden zwischen 1954 und 1958 insgesamt 39 Coupé und (wahrscheinlich) zwei Spider, wobei sich praktisch alle Fahrzeuge in Details voneinander unterschieden. Der SSZ ist mehr oder weniger ein Rennwagen, die Karosse wird aus Alu gefertigt, die Seitenscheiben aus Plastik, überhaupt wird stark auf das Gewicht geachtet (950 Kilo waren das Resultat). Das Problem mit dem hoch bauenden Motor konnte allerdings auch Zagato nicht aus der Welt schaffen, trotzdem: ein sehr schönes Fahrzeug. Und auch entsprechend gesucht und: teuer. Das Fahrzeug, das wir unten zeigen, Chassisnummer 01915, wurde im Frühling 2017 von RM Sotheby’s für 1,1 Millionen Dollar versteigert.