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Maserati Khamsin

Gandini, again

Man muss das alles auch in einen Zusammenhang stellen. Maserati, gegründet 1914, durchlief in seiner langen Geschichte noch so manche Krise, 1968 dann gerieten die Italiener vom Regen in die Traufe, als sie von Citroën übernommen wurden. Immerhin beliessen die Franzosen den legendären Chefkonstrukteur Giulio Alfieri auf seinem Posten, nötigten ihn aber, vermehrt Citroën-Teile zu verbauen. Ab 1972 gab es den Bora und den Merak, beide mit Mittelmotor, dann kam die Ölkrise, dazu musste der erfolgreiche Ghibli in Rente geschickt werden. Mitten in diese schwierige Zeit wurde 1973 der Khamsin geboren, wieder ein Wüstenwind, wie bei Maserati immer seit dem Mistral (1963). Doch schauen wir uns auch noch das Umfeld an. Porsche hatte den schon ewigen 911 (der Merak war als Konkurrent gedacht), der dann 1974 erstmals als «Turbo» angeboten wurde, Ferrari hatte seit 1969 den Daytona, der dann 1973 vom 365 GT4 BB mit Mittelmotor abgelöst wurde, bei Lamborghini lag der Miura in den letzten Zuckungen, ebenfalls 1973 wurde der neue Countach zum zweiten Mal gezeigt. Dies auf dem Genfer Salon, auf dem auch der Maserati Khamsin seinen ersten Auftritt hatte. Interessant dabei: Sowohl Khamsin wie auch Countach wurden von Marcello Gandini gezeichnet, beides waren seine eigenen Interpretationen der Keilform. Viel unterschiedlicher hätten sie nicht ausfallen können, was nicht allein daran lag, dass der Maserati den V8-Motor vorne hatte, der Lamborghini seinen V12 dagegen in der Mitte.

Ach, Gandini: Mit den Konzept-Fahrzeugen Lamborghini Marzal (1967), Alfa Romeo Carabo (1968) und vor allem dem Lancia Stratos Zero hatte der Italiener mit der Keilform quasi im Alleingang eine neue Formensprache im Automobil-Design etablieren können, die dann beim Lamborghini Countach (1971 als Prototyp LP500, 1973 dann als seriennaher LP400) in die Serie übertragen wurde. Das ergab bei Sportwagen auch Sinn, ein hohes Heck mit einer Abrisskante funktionierte wie ein Spoiler – und verschaffte den immer stärker und schneller werdenden Fahrzeugen genügend Anpressdruck. Diese frühen Keilformen wurden ausschliesslich bei Sportwagen mit Mittelmotor angewandt, erst der Khamsin war dann der erste Versuch mit Frontmotor. Das wiederum funktionierte nur deshalb, weil Citroën ein paar technische Lösungen im Regal hatte. So gab es etwa ein oberhalb der Vorderradachse verlaufendes Lenkgetriebe aus dem Citroën SM (ebenfalls hellgrün lackiert), das es möglich machte, den doch hoch bauenden V8 weiter nach hinten zu rücken (hinter die Vorderachse) und tiefer zu montieren. Von Citroën stammte auch die Hydraulik, über die die geschwindigkeitsabhängige Lenkung, Bremsen, Kupplung, der Mechanismus für die Klappscheinwerfer und sogar die Sitzverstellung betätigt wurden.

Auch wenn der Khamsin über den gleichen Radstand wie der Ghibli und auch den gleichen Motor verfügte, so war er doch eine komplette Neukonstruktion. Hinten gab es – endlich – keine Starrachse mehr, sondern an Doppelquerlenkern einzeln aufgehängte Räder, vorne waren es Trapez-Dreieckquerlenker und Schraubenfedern. Mit 4,4 Metern Länge war der Maserati doch ziemlich kompakt (der Ghibli war doch fast 20 Zentimeter länger gewesen), das Gewicht war 1550 Kilo für damalige Verhältnisse relativ stattlich. Die Maschine des Khamsin ist bekannt, hat auch eine lange Karriere. Erstmals verwendet wurde sie 1955 mit 4,9 Liter Hubraum im bestialischen Maserati 450 S; es wird berichtet, dass der auf 400 PS ausgelegte Leistungsprüfstand von Maserati schon bei 6800/min explodiert sei, dabei war das Triebwerk für deutlich mehr als 7000/min ausgelegt. Nach einem Umweg als Bootsmotor wurde der V8 leicht gezähmt in den legendären Maserati 5000 GT eingebaut, danach weiter reduziert auf 4,1 Liter Hubraum im Quattroporte, schliesslich für den Ghibli und den Indy zuerst auf 4,2, dann 4,7 und am Ende wieder 4,9 Liter Hubraum vergrössert. Im Khamsin gab es 320 PS bei 5500/min, das war etwas weniger als noch im Ghibli (335 PS), dafür war der Motor unterdessen wirklich standfest, auch bei hohen Geschwindigkeiten. Und die schaffte der Wüstenwind auch tatsächlich, «auto, motor und sport» mass in einem 1978 publizierten Vergleichstest 272,7 km/h.

Zum Erfolg wurde der Khamsin trotzdem nicht. Die Angaben zu den Produktionszahlen schwanken zwischen 417 und 435 Exemplaren, in keinem seiner zehn Produktionsjahre konnten mehr als 100 Stück verkauft werden. Was nicht unbedingt am Preis gelegen haben muss: 1975 kostete der Khamsin in der Schweiz 90’900 Franken, der Lamborghini Countach kam auf 115’100 Franken, der Ferrari 365 GT4 BB gar auf 119’500 Franken (alle Angaben gemäss AR-Katalog-Nummer). Nur der Porsche 911 Turbo war damals noch etwas günstiger, 78’650 Franken, doch der Stuttgarter hatte auch nur 260 PS und war maximal 250 km/h schnell. Es lag wohl am Design, zu gewöhnungsbedürftig erschien es damals. Was wir heute als grandios erachten, etwa die Glasscheibe mit den eingepassten Leuchten als Heckabschluss, war Mitte der 70er Jahre ungewohnt. Doch die Keilform mit der kontinuierlich ansteigenden Seitenlinie und dem aufgesetzten Glashaus wurde von den Medien zwar als «aussergewöhnlich» und «einzigartig» bezeichnet, doch zu wenige Kundinnen empfanden den Khamsin einst als das «gestalterische Juwel» (Classic & Sports Car), als das wir ihn heute sehen. Was aber wiederum einen grossen Vorteil hat: Der Khamsin ist sicher der am meisten unterschätzte Maserati überhaupt. Nur selten werden auch gute Exemplare sechsstellig angeschrieben, wobei die amerikanischen Versionen mit den grösseren Stossstangen und ohne den gläsernen Heckabschluss noch deutlich günstiger sind. Man muss allerdings davon ausgehen, dass sich das noch ändern wird, also, nicht das mit den US-Modellen, sondern ganz allgemein beim Khamsin. Er hat es auch verdient.

Mehr Maserati haben wir in unserem Archiv.

5 Kommentare

  1. Kerris Kerris

    Günstig. Das stimmt. 149K als Einstandspreis ist easy.

    • Peter Ruch Peter Ruch

      hmm, wenn man so sieht, was ganz profane 911er-Porsche kosten, dann – gerne den Khamsin für 149k.

  2. maxi moll maxi moll

    Warum?
    Ich hab mir vor 6 Jahren einen geholt.
    Ähm.. Sie sind nur ein Magazin. Kein Autobauer oder Konstrukteur..
    Also die Grenzen nicht vergessen. Auch nicht den Wahnsinn von Spekulation.
    Der hat mit Liebe nichts gemeinsam. null.
    Immer daran erinnern.. “ Ich hab nicht einmal den Mac am Tisch gedacht, gebaut
    etz..“

    Die Welt ist beinhart. Ihre Branche ist tot. Und gut, dass Sie nur über diese netten
    Preziosen berichten , dafür schätze ich Sie.
    Wenn geht null nichts von der Sektion Mülltonne aka
    1001ter SUV der eig. sofort in die Schrottpresse will.. weil diese Pest sollte langsam vorbei gehen. Lächerlichkeit pur.
    Lg 🙂 maxi

    • Entweder sind Sie besonders sprachlich begabt und ich etwas minderbemittelt oder es ist andersherum, aber ich jedenfalls verstehe Ihren Kommentar nicht!

  3. Eric DeLamotte Eric DeLamotte

    Den im Text erwähnten Vergleichstest der AMS habe ich als Junge in der väterlichen Zeitschrift verschlungen – ich empfand damals den Khamsin auch am wenig ‚toll‘. Das lag aber auch am absolut göttlichen Vorgänger, dem Ghibli, dem nach meiner damaligen Autoquartett-Expertise und Einschätzung einfach schönsten und perfektesten italienische Supersportwagen. Das das gleiche Schicksal erlitt der ungefähr zeitgleich vorgestellen Jaguar XJS als Nachfolger des epochalen E-Type – der ‚Neue‘ besaß einfach keine Chance gegen die Vorgänger-Legende.
    Der Ghibli war der letzte und unerreicht fantastische Maserati – danach begann der Abstieg mit Khamsin, Lonchamps ud Co.. Mit den später präsentierten schrecklichen Biturbos, welche mit der Ausstrahlung eines aufgepimpten Ascona B antraten, versank die Glorie der Marke bis zur Wiedergeburt mit dem 3200 GT in tiefen Tal der Tränen.

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