Eine Übersicht
Das Thema Bugatti ist, zurückhaltend ausgedrückt, etwas unübersichtlich. Und je mehr man sich damit beschäftigt, desto schwieriger wird es. Wir versuchen, (auch uns selber) etwas Übersicht zu verschaffen – hier mit einer (noch lange nicht vollständigen) Sammlung der verschiedenen Aufbauten für den Type 57.

Nochmals, zur Erinnerung: der Type 57 war die von Jean Bugatti entwickelte Weiterentwicklung des Type 49, kam 1934 auf den Markt und wurde bis 1940 gebaut. Je nach Zählweise (und Autor) wurden in drei Serien zwischen 630 und 830 Exemplare gebaut. Es gab den Type 57, den Type 57 S, den Type 57 C und den Type 57 SC, wobei das «S» für «surbaisse» (kurzer Radstand) und das C für die Ausführung mit Kompressor stand. Der 3,3-Liter-Reihenachtzylinder hatte im Type 57 eine Leistung von 135 PS, im S dann schon 175 PS, als C schliesslich 200 PS. Einverstanden, das war auch der 57 G, aber das war ein reiner Rennwagen, mit dem Bugatti 1937 und 1939 die 24 Stunden von Le Mans gewinnen konnte.
In der folgenden Aufstellung geht es weder um Jahrgänge noch Motorisierungen, sondern ganz allein um die Karosserien. Es ist eine wunderbare Vielfalt. Dazu gilt zu wissen: Bugatti besass seit 1923 eine eigene Karosserieabteilung, hatte aber nichts dagegen, wenn sich erfahrene Carrossiers der Fahrzeuge annahmen. Jean entwarf (mit Hilfe des höchst begabten Zeichners Joseph Walter) auch eine Reihe von Karosserieformen für den Type 57, die teilweise 1:1 von auswertigen Meisterschneidern umgesetzt wurden. Es waren dies der Galibier, eine viertürige Limousine (unten #57415):

#57388, aus der Mullin Collection:



#57535, aus der Mullin Collection:



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Davon gab es auch eine zweitürige Version, der Ventoux (die mit Abstand populärste Version unter den Type 57, von links nach rechts #57594, #57614, #57664):



#57297, aus der Mullin Collection:

















#57377, aus der Mullion Collection:
























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Als Cabriolet gab es den Stelvio, dies mit zwei oder vier Türen; fast alle dieser Fahrzeuge wurden von Gangloff eingekleidet. Ein schönes Exemplar, #57435, haben wir schon vorgestellt, hier. Unten zu sehen sind von links nach rechts: #57467, #57569, #57715:



Ebenfalls ein Entwurf von Jean Bugatti war der heute so legendäre Atalante (der aber damals kein Erfolg war, weil: zu teuer, zu unpraktisch). Unten, von links nach rechts: #57254, #57551, #57766:



Wir müssen ihn hier einfach zeigen, er ist grossartig, dieser zweifarbige Bugatti Type 57 Atalante, Chassisnummer #57432. Kommt Anfang Februar 2023 bei Artcurial in Paris zur Versteigerung, ab 2 Millionen Euro kann man vielleicht mitbieten.








Es muss einfach sein, wenn wir einen Atalante finden, dann werden wir ihn hier zeigen. Dies ist #57252:

























Und dann haben wir noch ein ganz aussergewöhnlich schönes Exemplar, #57573, ein SC (das mit dem S und dem SC haben wir andernorts erklärt, also: hier).

















Noch ein Atalante 57 C, ein spätes Modell, gebaut bei Gangloff als «long tail», Chassis-Nummer #57828.

















Da haben wir noch einen, Chassis-Nummer #57570, ausgeliefert am 19. Oktober 1937 an Monsieur Du Pouget, bestellt mit einigen Sonderwünschen wie etwa den Nebelleuchten und den abgerundeten Kotflügeln. In den 60er Jahren kam der Bugatti zu Albert Prost, blieb fast 50 Jahre in Familienbesitz – und wurde nie restauriert. Verkauft über Art & Revs.
















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Weniger berühmt ist der Aravis, quasi eine Mischung zwischen Stelvio und Atalante.

Da müssen jetzt unbedingt ein schönes Exemplar zeigen, Chassis-Nummer: 57768, Auktion: Gooding & Co., Mullin Collection 2024, Schätzpreis 2’500’000 bis 3’500’000 Dollar, angeboten mit folgendem Text: «The history of this Type 57C Aravis can be traced back to November 1938, when Bugatti completed the rolling chassis of 57768, fitted with engine no. 75C. The Type 57C was ordered new by Granat & Fils., Bugatti’s agent in Avignon, on behalf of its first owner – legendary French racing driver Maurice Trintignant. Born in 1917, Tritignant began his racing career in 1938 and went on to have one of the longest careers in the golden age of Formula One, competing at the highest level of motor sports from 1950 to 1964. During his remarkable career, Trintignant served as a works driver for teams including Bugatti, Ferrari, Vanwall, and Aston Martin, and captured wins in a variety of major events, from the Monaco Grand Prix to the 24 Hours of Le Mans. For his personal transport, Trintignant commissioned this spectacular Type 57C Aravis, known by Gangloff body no. 262. According to the American Bugatti Register and Data Book, this Aravis was built to a design drawn by Lucien Schlatter and produced by or under the supervision of Gangloff employee Fantlo. Completed in early 1939, the Aravis was finished in ivory with dark blue fenders and delivered to Trintignant, who registered it as “5451-ZA4.” Although the Bugatti was primarily intended as a high-performance road car, Trintignant entered it in the Grand Prix du Comminges on August 6, 1939. Wearing no. 28, Trintignant placed 11th overall in a competitive race that saw René Le Bègue’s Talbot-Lago MD 90 and Jean-Pierre Wimille’s Bugatti Type 59 Sports finish 1st and 2nd overall. Trintignant retained his Aravis until 1947, when it was sold to Jacques Roblin. From there, ownership passed to a Parisian named M. Carette and then Garage Proust. In 1953, while under their ownership, the Bugatti was struck in the rear driver’s side fender by a Peugeot 203. It was promptly repaired and sold to a M. Chevalier. The Aravis’s next owner, Madeline Mitton, removed the supercharger and then sold 57768, in October 1964, to Rudi van Daalen Wetters of Burbank, California. A devoted Bugattiste, Mr. Van Daalen Wetters kept the Aravis as the star of his small private collection and it remained in his ownership until his death in 1999. In 2002, the Mullin Collection acquired the Aravis from the Van Daalen Wetters family. Eager to return this significant Bugatti to its original splendor, the Mullin Collection eventually commissioned renowned marque specialist Scott Sargent of Sargent Metal Works in Vermont to oversee a complete, concours-quality restoration. Additionally, Peter and Merle Mullin consulted with the Bugatti’s first owner, Maurice Trintignant, who took several trips to California during the restoration process to ensure that the car would be finished in its original colors and to confirm specific details of the original build».

















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(Von der sechsten Version, die zuerst als Aérolithe (ein Exemplar, #57104), dann als Atlantic (4 Exemplare, #57374, #57453, #57473, #57591) bezeichnet wurde, haben wir noch keine schönen Bilder gefunden. Kommt noch.)
Aber eben, es gab auch noch viele weitere Aufbauten, meist nur in ganz kleiner Serie oder gar als Einzelanfertigungen auf Kundenwunsch. Schon gezeigt haben wir die Roadster von Corsica, #57512 mit einer Story, #57503 (unten) wurde kürzlich von Bonham’s für etwas über 4 Millionen Euro versteigert.

Ein ganz grossartiges Stück stammt aus der Schweiz, der «Grand Raid» von Worblaufen (#57260):



Und dieses Exemplar von Vanvooren (#57513) gehört zu den teuersten Bugatti überhaupt:

Noch ein wunderbares Cabriolet, diesmal von D’Ieteren (#57589):

Gangloff war häufig für die Umsetzung der Werkskarosserien zuständig, versuchte sich aber auch mit eigenen Entwürfen (#57731):

Und gleich nochmals ein offener Type 57, eingekleidet von LeTourneur et Marchand (#57587):



Da haben wir noch einen, #57644.









Beim Fahrzeug unten handelt es sich um ein so genanntes «faux cabriolet», #57787 wurde von James Young eingekleidet und ist bekannt unter dem Namen «Charmaine»:

Man stösst, wenn man solche Geschichten verfolgt, dann immer wieder auf ganz spezielle Fahrzeuge, zum Beispiel: #57295. Da dachte man lange, das sei eine Arbeit von Gangloff, doch unterdessen muss man davon ausgehen, dass es sich um ein Einzelstück von Henry Binder handelt, der vor dem 2. Weltkrieg in Paris ziemlich berühmt war. Und, unter anderem, auch einen Bugatti Type 41, also einen Royale, eingekleidet hatte. Auch wenn man vielleicht meinen könnte, es sei dies ein Cabrio, so liegt man damit falsch: das Dach ist fest. Rick Grant III kaufte dieses Fahrzeug 1968 für 1850 Dollar – und hütete es wie seinen Augapfel, bis er im September 2022 verstarb.






Wie eingangs erwähnt: manchmal ist es kompliziert. Bei diesem Cabriolet (#57156) weiss man nicht, von wem der Aufbau stammt.

Unter den Einzelstücken gibt es dann immer auch noch die aussergewöhnlichen Einzelstücke. Ein solches ist sicher #57541, ein Type 57S mit einem Aufbau von Vanden Plas. Bestellt wurde das Fahrzeug von Colonel Sorel, dem englischen Bugatti-Importeur, der auch klare Vorstellungen hatte, wie so ein «englischer» Bugatti auszusehen hatte. Das Design war so gelungen, dass der Bugatti auch in New York ausgestellt wurde, danach wohl nach Paris kam – und im 2. Weltkrieg gut versteckt wurde. Nach dem Krieg war der Type 57S mit seinem damaligen Besitzer Jack Robinson auch einmal auf Trinidad in der Karibik, verblieb mehr als 30 Jahre in dessen Besitz. Ab 2016 wurde #57541 wieder in den Originalzustand restaurierte. Bonhams versteigert den Bugatti auf Amelia Island 2023, der Schätzpreis liegt bei 10 bis 12 Millionen Dollar.









Im Oktober 1934 stellt Bugatti den Type 57 Roadster Grand Raid auf dem Salon de l’Automobile in Paris der internationalen Automobilpresse und den Autoliebhabern vor. Der «Grand Raid» wird speziell für den Wettbewerb konzipiert – «Raid» bezeichnet im Französischen eine lange und anstrengende Rallye. Insgesamt baut Bugatti nur zehn Grand-Raid-Fahrgestelle, das faszinierendste von allen ist der Type 57 Roadster Grand Raid Usine mit seiner ausgefallenen Karosserie, die aus Aluminium besteht. Das einzige bekannte Modell trägt die Fahrgestellnummer 57222 und ist in Schwarz und Gelb lackiert – den Lieblingsfarben von Bugatti-Gründer Ettore Bugatti. Den Bugatti Type 57 Roadster Grand Raid Usine umgeben einige Geheimnisse: So ist „Usine“ nie ein offizielles Markenzeichen von Bugatti. Vermutlich entwirft Jean Bugatti, Sohn des Bugatti-Gründers Ettore, das Modell. Die Modelle des Type 57 Roadster Grand Raid unterscheiden sich von Versionen wie dem Type 57SC Atlantic und dem Type 57S Atalante dadurch, dass sie für den Rennsport konzipiert sind. Das wird an den stromlinienförmigen und verlängerten Kotflügeln, der V-förmigen Windschutzscheibe und den aerodynamischen Kopfstützen deutlich. Bugatti passt unter anderem den Winkel der Lenksäule an, um den Fahrer weiter nach hinten zu versetzen. Auch Schalthebel, Handbremse und Pedale positioniert Bugatti neu. Kurz nachdem Bugatti den Type 57 Roadster Grand Raid Usine mit seinem schönen Design und seinem hochentwickelten Fahrgestell auf dem Salon de l’Automobile in Paris präsentiert, setzt ihn der legendäre Rennfahrer Pierre Veyron bei der Rallye Paris-Nizza ein – nach ihm wurde 2005 der erste Bugatti der Neuzeit, der Veyron-Hypersportwagen, benannt. Im April 1935 belegt der Type 57 Roadster Grand Raid Usine mit dem Grand-Prix-Fahrer Robert Benoist den ersten Platz beim Bergrennen von Chavigny. Im Jahr 1946 wird dieses Modell an einen Bugatti-Enthusiasten verkauft. Der neue Besitzer modifiziert den Roadster, unter anderem verändert er die Scheinwerfer an den Kotflügeln. Da das ursprüngliche Auto nun stark verändert war, wird es später wieder vollständig nach der ursprünglichen Konfiguration mit der Fahrgestellnummer 57222 – so wie er auf dem Salon de l’Automobile zu sehen war – restauriert. Heute steht es im Louwman Museum.











Mehr Bugatti haben wir in unserem Archiv.
Bei Bugatti dürfen natürlich die Gebrüder Schlumpf und der Journalist Jürg-Peter Lienhard nicht fehlen.
https://www.schlumpf-collection.com/interview
https://www.jplienhard.ch/html/artikel/artikel_schlumpf.html