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BMW M3 Competition XDrive

Café Racer

BMW M3 Competition XDrive. Der Name ist Programm. Bei dem neuesten Ableger der gemeinen 3er Reihe handelt es sich nicht nur um das Spitzenmodell der Reihe, sondern grundsätzlich um die extremste und eindrucksvollste Verkörperung der M Modelle. BMWs High Performance Ableger ist nämlich 2022 50 Jahre alt geworden, und hat dies das ganze Jahr hindurch mit einer Reihe von Events standesgemäss gefeiert. Aber viel wichtiger als jede schriftliche Beteuerung sind am Ende immer die Taten, weswegen wir uns diesen Sommer den kraftvollsten 3er aller Zeiten näher angesehen haben.

Der M3 Competition XDrive ist das Flaggschiff der 3er Reihe. Als erste der seit über 30 Jahren angeboten M3 Varianten verfügt dieser XDrive über einen Allradantrieb, der die 510 PS (375 kW) des Dreiliter-biturbo Reihensechszylinder mittels einer ZF 8-Gangautomatik auf die Strasse bringt. Ebenso wichtig ist allerdings das bullige Drehmoment, das dank der zwei Turbos (einem kleineren für die niedrigen Drehzahlen und einem grösseren für das obere Ende) 650 Nm ab 2750/min verspricht.
So ein Auto, das sich „Competition“ auf die Fahnen und die Kofferraumklappe geschrieben hat, ist für viele der Inbegriff der Perfektion. BMW in Vollendung. Ich selbst aber stehe der Unterordnung aller Eigenschaften eines Autos unter den Titel der „Competition“ eher ähnlich skeptisch gegenüber wie dem neuen Frontend Design der Bayern mit den geschmähten „Hasenzähnen“.

Doch wie man sich täuschen kann. Fangen wir mit dem Äusseren an. Vom Geschmack her habe ich es eher mit dem Eleganten, dem Gedeckten, als mit dem schrillen Lauten. Nun steht vor mir im Garchinger Hauptquartier Ms Geheimwaffe, eine viertürige M3 Limousine in bestechendem tansanitblau-metallic mit Karbondach und einem Innenraum in schwarz-orangem „Kyalami“ Merion-Leder. Mattschwarze Schmiederäder mit 275/35 ZR19 vorn und 285/30 ZR20 hinten decken innenbelüftete und gelochte Bremsen mit 400 bzw. 380 mm Durchmesser ab. Der ebenfalls mattschwarze Kühlergrill sorgt im Verein mit der in der Sonne changierenden tiefblauen Farbe für einen wirklich geschmackvollen Auftritt. Am Heck eine völlig neue Ansicht mit vier enger beieinanderstehenden Auspuffrohren, betörend breiten Rädern und den weitesten Kotflügelausbuchten, die es je serienmässig bei einem 3er gab.

Im Innenraum fallen neben der leuchtorangen Farbe vor allem die in Karbon geformten Sitzschalen mit einem harten Unterbau, einer festen Vorderkante und einer leichten Erhöhung zwischen den Beinen auf, die bei meinen mir gewogenen Lesern schnell einen Spitznamen bekamen, den ich hier nicht wiederholen darf.

Wie war es nun, den M3 Competition XDrive über längere Strecken zu fahren? In Kurzform: „wirklich wunderbar, wenn es nicht diese furchtbaren Sitze hätte“. Die Langform: ein über 500 PS starker M3 muss für jeden, der Autos mag, ein Traum sein. Mit 290 km/h möglicher Höchstgeschwindigkeit und einer Beschleunigung von sage und schreibe 3,5 Sekunden auf 100 km/h reiht sich der leer schon 1860 Kilo schwere M-Brocken problemlos neben Supersportwagen vom Schlage eines Lamborghini oder Ferrari ein. Dennoch bietet sich der M3 Competition XDrive im Alltagsgebrauch in einer Form an, die ihresgleichen sucht. So kann er durchaus ganz normal durch den Ort rollen, kann zivil an der Ampel warten, und sich überhaupt ganz im Verkehr um ihn herum einfügen. Aber wehe, wenn er losgelassen. Auf der Autobahn zeigt dieser M3, dass es niemand mit ihm aufnehmen kann. Auf den schnellen, unbeschränkten Passagen der A96 westwärts Richtung Lindau reiht sich immer mal wieder jemand hinter uns ein, wenn wir auf der Überholspur aufgehalten werden. AMG, 911, RS – meistens keine Chance. Wieder und wieder greift das Spiel, wenn sich vor uns die Weite der zweispurigen Autobahn auftut und hinter uns die „Verfolger“ kleiner werden. Kindisch natürlich, aber wunderbar. Verzögert wird mit ähnlich brachialer Gewalt, was den Eindruck unterstreicht, dass man bei diesem M3 nur bestellen muss, und es wird geliefert. Er deckt mit einer unglaublichen Nonchalance einfach alles ab, was abgefragt wird.

Der Komfort (in der Normalstellung durchaus angenehm, in Sport und Sport Plus dementsprechend härter, aber auf normalen deutschen Autobahnen einfach ‚hoppeliger‘). Performance – immer und immer wieder. Die Beschleunigung ist ein Vergnügen, von dem ich nie genug bekommen kann. So schnell bin ich auf 275 km/h, dass sich das Auto im Head-Up Display meldet „Geschwindigkeit zu hoch – Luftdruck erhöhen“. Während der allradgetriebene M3 stoisch in dieser langgestreckten Kurve die Spur hält, bin ich mir sicher, dass ich das jetzt nicht machen werde. Überhaupt, die Elektronikgouvernante. Weil moderne Autos elektronisch so viel können, wollen sie uns ebenfalls elektronisch auch von so viel abhalten. Mit seiner Breite von fast 2,07 m (!) mit Spiegeln fiel der M3 Competition besonders in Italien aus der Reihe. Der breite Hintern mit 285er Reifen macht uns nicht nur in schmalen Gassen das Leben schwer, auch das Parken in engen Buchten gelingt uns nicht immer so, wie es soll. Tür auf, schnell mal rausgeguckt, wie dicht wir da am Rand stehen, Gang rein. Nix da, sagt mein 100.000 Euro-Bolide. „Tür offen“. Ich weiss, ich will doch nur vorrollen und das Auto geraderichten. „Aber nicht so“. M bleibt stur. Gewöhnungsbedürftig.

Und zu Guter Letzt: Sound – jetzt kommen wir zum Eingemachten. Denn richtig sauschnell fahren, jederzeit, ist ja heute gar nicht mehr so möglich. Meistens müssen wir mit anderen dahinrollen, die uns die Geschwindigkeit aufdiktieren. Aber der Sound. Dieser SOUND. Die M Klangmodelleure haben das Unerreichbare geschafft, und dem Spitzen-M einen Groll anerzogen, der zwar da ist, aber nicht laut. Zumindest nicht, wenn man nicht will. Immer präsent, immer im Hintergrund, ohne den geringsten Zweifel, dass es jederzeit losgehen kann. Aber nie aufdringlich. Da können wir über die kommenden M Elektroautos und über Soundgeneratoren und was noch alles wochenlang diskutieren. An diesen Sound kommt niemand ran.

Ach, und ja, die Sitze. Bei der Gestaltung dieses Innenraums hatte man DTM-Fahrermasse im Auge, nicht meine. Während unserer kurzen Testzeit durften immer mal wieder – meistens gleichaltrige – Freunde und Journalisten in diesen Stühlen Platz nehmen. Niemand – und ich meine niemand – kam rein (oder raus), ohne entsprechende Ermüdungslaute von sich zu geben. Ein Track Day Tool, ohne Frage. Langstreckentauglich? Für mich eher nicht.

Sonst noch was? Ja, die verschiedenen Anzeigen, die per Knopfdruck zur Wahl stehen, sind allesamt ein grosser Spass und auch während der Fahrt wechselbar, einfach mal so zur Unterhaltung. Klasse. Das Head-up Display, eine Technik, die es schon Jahrzehnte gibt, ist vorbildlich. Die grössten Pluspunkte allerdings bekommt die Darstellung von gefahrener und erlaubter Geschwindigkeit, die nebeneinander angezeigt wird. Besonders in stark kontrollierten Regionen wie z.B. der Schweiz ein wahrlich unbezahlbares Detail. Am Ende muss auch der dieser BMW zurück nach Hause. Er hat in der Tat einen athletischeren Fahrer als mich verdient – dennoch werde ich ihn vermissen.

Wir bedanken uns bei Axel Catton für diesen Text. Und die Bilder. Mehr interessante Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv.

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