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Ford Sierra RS500 Cosworth

Toni, aber schnell

Und dann zuckt man mal kurz zusammen: Ford Sierra von 1987 – und ein Schätzpreis von 150’000 bis 180’000 Pfund? Man schaut dann genauer hin, ok, Cosworth, aha: RS500. Doch was haben wir verpasst, dass die so teuer geworden sind? Viel – und deshalb wollen wir ein bisschen ausholen.

Als «Toni», so der Projektname für den Nachfolger der Ford Taunus und Cortina, im September 1982 in Paris erstmals der Weltöffentlichkeit gezeigt wurde, war das Erstauen gross. Das von Uwe Bahnsen gestaltete, anfangs nur als Fünftürer erhältliche Schrägheck-Modell brach mit allen Ford-Traditionen und war optisch, nun, Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Und vielleicht war man auch etwas enttäuscht, weil sich der neue Sierra technisch kaum von seinen Vorgängern unterschied. Und unter der Haube war auch nicht wirklich viel los. Doch wie fast immer bei Ford wurde dann fleissig nachgelegt, schon wenige Monate später folgte der Kombi – und 1983 gab es den ausschliesslich dreitürig erhältlichen XR4i, dessen 2,8-Liter-Sechszylinder auf 150 PS kam.

Schon im Frühling 1983 sprach der damals gerade frisch eingestellte Ford-Motorsport-Chef Stuart Turner erstmals mit der Marketing-Legende Walter Hayes (der den GT40 und die Cosworth-DFV-Motoren für die Formel 1 mit auf dem Weg gebracht hatte), ihm schwebte ein sportlicheres Tourenwagen-Modell vor, Gruppe A. Und er wollte die Zusammenarbeit mit Cosworth vertiefen, wo man gerade an einer Turbovariante auf Basis der Ford-T88-Motors arbeitete. Hayes sagte ihm Unterstützung zu (also: Budget), Turner bestellte bei Cosworth die Maschinen. Doch Cosworth hatte da ein paar Bedingungen: Anstatt der von Ford gewünschten 180 PS für die Strassenversion sollten es über 200 sein – und Ford musste einen Vertrag über die Lieferung von 15’000 Motoren unterschreiben.

Turner und Hayes schluckten die Kröte, obwohl sie eigentlich nur 5000 Motoren brauchten für die Homologation des Sierra für die Gruppe A. Und es gab noch ein paar andere Probleme zu lösen, so musste das T5-Getriebe von Borg-Warner, wie es auch im Mustang verbaut war, an die höheren Drehzahlen des Cosworth-Motors angepasst werden. Beim Fahrwerk konnten sich die Engländer hingegen auf die Erfahrungen von Jack Roush verlassen, der einen Sierra XR4Ti für die amerikanische IMSA-Serie aufgebaut hatte, sprich: sauberer Rennsport. Lothar Pinske überarbeitete das Design, was dann zum typischen Heckflügel führte; der war aber nötig, die braven Serien-Sierra hatten die Tendenz, schon bei relativ tiefen Geschwindigkeiten hinten leicht zu werden.

Die ersten Reaktionen auf den Ford Sierra RS Cosworth waren ernüchternd: die Händler waren der Überzeugung, dass sich vielleicht 1500 Stück verkaufen lassen würden. Doch Turner zog das Projekt durch, im März 1985 wurde das 204 PS starke Fahrzeug in Genf vorgestellt, der Plan war, es im September des gleichen Jahres auf den Markt zu bringen und die 5000 Stück an die Käufer. Die Produktion lief dann aber erst im Juli 1986 an – und Turner sollte mit seinem Optimismus recht behalten: 5545 Exemplare konnten verkauft werden. Davon waren wiederum 500 Exemplare die so genannten Ford Sierra RS500 Cosworth, die als «Evo» für den Rennsport benötigt werden.

Diese nun wurden deshalb noch einmal intensiv bearbeitet – und dies erstaunlicherweise bei Aston Martin Tickford. Insbesondere der Cosworth-Motor erhielt eine Kur, einen grösseren Garrett-Turbolader, eine grösseren Ladeluftkühler, diverse weitere Feinheiten, was zu einem Leistungsanstieg auf 224 PS sowie 277 Nm maximalem Drehmoment führte. Unter der «Walflosse» (so wurde der gewaltige Heckspoiler bezeichnet) gab es noch eine zweite Lippe. Alle RS500 sollten eigentlich schwarz sein, doch es gab auch 56 weisse Exemplare – und 52 blaue. Alle waren sie rechtsgelenkt, was die Ford-Fans auf dem Kontinent ziemlich sauer machte. Zumal die erfolgreichsten Renn-Versionen aus der Schweiz stammten, Eggenberger Motorsport holte sich 1987 die Tourenwagen-Weltmeisterschaft, gewann 1989 die 24 Stunden von Spa. Als RS500 gewann die Ford Sierra Cosworth auch Meisterschaften in Australien, Deutschland, England, Japan, Neuseeland – und dies bis 1990.

Wenn man das alles zusammen betrachtet, Rennsport-Erfolge, geschichtliche Bedeutung, Seltenheit, Tickford-Qualität, dann wird klar, dass 150’000 Pfund für so einen 87er Ford Sierra RS500 Cosworth durchaus gerechtfertigt sind; würde Ferrari oder Porsche draufstehen, würde das Fahrzeug ein Mehrfaches kosten. Hier haben wir es ausserdem mit einem extrem gepflegten Exemplar zu tun, knapp über 5000 Meilen auf der Uhr; es kommt bei Silverstone Auctions am 25. Februar 2023 unter den Hammer. Und sagen Sie dann in drei, vier Jahren nicht, wir hätten Sie nicht auf dieses Fahrzeug aufmerksam gemacht.

Nachtrag: Ja, er hat den Preis tatsächlich erreicht. Also, er hat ihn torpediert: Nach einer Bieterschlacht fiel der Hammer, man mag es gar nicht glauben, bei 596’250 Pfund! Nein, kein Verschreiber. Mehr spannende Youngtimer haben wir in unserem Archiv.

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