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Ferrari 857 Sport Spider

Zahlenspiele und Kunstobjekt

Andy Warhol hatte keinen Führerschein. Trotzdem kaufte er sich in den 70er Jahren einen Rolls-Royce Silver Shadow, er sah das als eine Form von Trophäe, er hatte es geschafft, künstlerisch sowieso, aber auch finanziell. Weniger bekannt ist, dass der amerikanische Künstler schon 1966 einen Ferrari gekauft hatte. Er wollte nicht damit fahren, er konnte das ja auch gar nicht, sondern den italienischen Rennwagen zum Kunstobjekt in einem Film machen, der eine Parodie auf «The Yellow Rolls-Royce» (1964, Regie Anthony Asquith, mit Ingrid Bergman, Jeanne Moreau, Alain Delon etc.) werden sollte. Er liess den Ferrari in der Folge gelb lackieren, die Felgen schwarz, doch aus dem Film wurde nichts, der Ferrari wurde wieder verschachert.

Es ist dies nur eine kurze Episode aus dem wilden Leben des Ferrari 857 Sport Spider mit der Chassis-Nummer 0588M. Gebaut 1955, war er einer von nur vier 857 Sport (die anderen drei: #0570M (eigentlich ein 750 Monza), #0578M (ebenfalls ein 750 Monza – später umgestempelt zu #0584M, der wiederum zu #0578M wurde), mit denen Ferrari 1955 den Titel in der Sportwagen-Weltmeisterschaft verteidigen wollte, den man 1953 und 1954 nach Maranello geholt hatte. Angetrieben wurden die 857 vom grössten Vierzylinder, der je in Maranello konstruiert worden war, 3,4 Liter Hubraum (offiziell 3432 cm, geteilt durch: 858…), Bohrung x Hub 102 x 105 Millimeter. Man weiss, was passierte: Ferrari gewann in jenem Jahr nur ein Rennen, die 1000 Kilometer von Buenos Aires mit einem 375 Plus, Jaguar holte sich den Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans mit einem D-Type, Mercedes die Weltmeisterschaft mit den 300 SLR.

Die Geschichte von #0588M ist irgendwie symptomatisch für die Ferrari 857 Sport. Bei seinem ersten Einsatz, der Tourist Trophy im September 1955, wurde der Ferrari von Olivier Gendebien schon im Training derart massiv kaltverformt, dass er einen neuen Aufbau von Scaglietti brauchte. Der unterschied sich deutlich von den anderen 857er, es gab zusätzlich so eine Art Heckflosse hinter der Kopfstütze. Weil es nach der Reparatur zu spät war für weitere Werkseinsätze, wurde #0588M nach Amerika verkauft, John Edgar bezahlte Luigi Chinetti 17’500 Dollar für den fast neuen Vierzylinder.

Die Karriere war dann fein. Jack McAfee und Carroll Shelby holten 1956 diverse Siege für das Edgar-Auto, das 1957 an Stan Sugarmann verkauft wurde (es reichte bis 1960 noch für Klassensiege), irgendwie zu Jim Hall kam – und dann Anfang der 60er Jahre ohne Motor und Getriebe zu Oscar Koveleski. Der einen Chevrolet-V8 installierte, damit Rennen fuhr, bevor er #0588M an Andy Warhol verschacherte. Danach hatte der 857, unterdessen mit einem 3-Liter-V12 ausgestattet, diverse prominente Besitzer, bis DK Engineering 2011 Chassis, Karosse und Antrieb wieder zusammenbringen konnte. 2012 kaufte Leslie Wexner den Ferrari auf einer Auktion für 6,27 Millionen Dollar. Nun will er #0588M wieder loswerden, Gooding & Co. bringen ihn in Pebble Beach 2024 unter den Hammer, Schätzpreis 6 bis 8 Millionen Dollar.

Mehr spannende Ferrari haben wir in unserem Archiv.

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