Langzeitauto
1977, noch mitten in der Entwicklung des M1, änderte die FISA wieder einmal das Reglement und beschloss, dass 400 Autos gebaut werden müssen für die Homologation von Gruppe 4 auf Gruppe 5. Da nutzte BMW-Motorsportchef Jochen Neerpasch seine guten Kontakte zu Max Mosely, und nach drei Gin Tonic in einer damals populären Bar in München, heisst es, hatten die beiden die Idee, die fünf schnellsten Formel-1-Fahrer aus dem Training an Grand-Prix-Wochenenden in nahezu identischen M1 Procars gegen eine Auswahl der besten Tourenwagenfahrer antreten zu lassen. Nachdem Neerpasch auch noch Bernie Ecclestone und die Formel-1-Welt von dieser Idee überzeugt hatte, gab der BMW-Vorstand das Budget für den Bau von 25 M1 Procars für das erste Rennen in Zolder 1979 frei. Es war eine gut organisierte und geniale Marketingmassnahme für die Marke, während gleichzeitig die Anzahl der M1, die gebaut wurden, um die Homologation zu erreichen, erhöht werden konnte. Die Procar-Serie war eine Win-Win-Situation: Die Zuschauer bekamen die Antwort auf die immer wieder gestellte Frage, ob das Ergebnis vom Auto oder vom Fahrer abhängt, während BMW mehr Marketing für sein Unternehmen und für das Serienfahrzeug M1 betreiben konnte.
Die Realität war aber, dass das, was die Zuschauer auf der Rennstrecke sahen, und das, was man für die Strasse kaufen konnte, so unterschiedlich wie Tag und Nacht waren. Paul Rosche, der Leiter der Motorenentwicklung bei BMW, machte sich an die Arbeit, den Motor des M1, der nun die Motorkennzeichnung M88/1 erhielt, weiter zu verbessern. Die Motorleistung stieg drastisch von den serienmässigen 273 PS auf über 470 PS, wobei der Motor mehr als 9000/min drehte. Das Getriebe, das weiterhin im ZF-Gehäuse untergebracht war, verfügte über einen eigenen Ölkühler. Die Aufhängung war komplett neu und hatte einstellbare Stabilisatoren. Die Karosserie erhielt deutlich grössere Radkästen, einen tieferen Frontsplitter und einen grossen Heckflügel. Das Cockpit wurde komplett ausgeräumt, dafür gab es einen stabilen Überrollkäfig zum Schutz des Fahrers auf seinem Einzelsitz. Das von den Ingenieuren präzise ausgearbeitete Gesamtgewicht lag bei 1000 kg, also 360 kg weniger als bei den schon nicht schweren Strassenautos.
Die Procar M1-Rennserie lief zwei Jahre lang, 1979 und 1980, und ihr enorm hoher Bekanntheitsgrad lässt sich an den Seriensiegern dieser beiden Saisons ablesen – keine Geringeren als die späteren Dreifach-Weltmeister Niki Lauda (1975-77-84) im Jahr 1979 und Nelson Piquet (1981-83-87) im Jahr 1980. Nachdem BMW die Homologationsanforderungen für den M1 erfüllt hatte, um in der Gruppe 4 der Langstrecken-Weltmeisterschaft zugelassen zu werden, wurden die M1 Procars von verschiedenen Teams in diversen nationalen Rennserien eingesetzt. Neben den europäischen Veranstaltungen dominierten die M1 Procars 1981 die IMSA GTO-Serie in den USA.
Der hier gezeigte BMW M1 Procar mit der Produktionsnummer 23 und Chassis-Nummer 4301066 wurde am 9. Mai 1979 an das österreichische Konrad Racing Team ausgeliefert. Nur drei Tage später nahm Franz Konrad mit dem M1 mit der Startnummer 88 und einer Baumhüter/Minolta-Sponsorenlackierung am ersten Procar Series Rennen in Zolder in Belgien teil. Die Renngeschichte des Jahres 1979 umfasste 10 weitere Einsätze, wobei Franz Konrad beim hektischen zweiten Lauf der Procar-Serie in Monte Carlo während des Grand-Prix-Wochenendes von Monaco den siebten Platz belegte, beim Rennen zur Deutschen Meisterschaft auf dem Norisring im Juni den siebten und im Juli in Diepholz den neunten Platz. Das 1066 wurde auch von Ralf-Dieter Schreiber (in Zolder) und von «John Winter» (als Louis Krages auch Le-Mans-Sieger) im deutschen Grand-Prix-Procar-Rennen in Hockenheim (zehnter Platz) gefahren.
Im Februar 1980 wurde der Wagen an Jürgen Kannacher aus Krefeld verkauft, der ihn beim Weltmeisterschaftsrennen auf dem Nürburgring (1000 km), bei mehreren Rennen der Procar-Serie sowie bei den Rennen zur Deutschen Meisterschaft einsetzte. In diesem Jahr startete der M1 unter dem Banner von Kannacher GT mit Valvoline als Sponsor und wurde meist von Ralf-Dieter Schreiber bewegt. In der Saison 1981 bestritt Jürgen Kannacher mit seinem M1 14 Rennen zur Deutschen Meisterschaft mit der Startnummer 77 und dem Sponsor ARAL, bevor er den Wagen an den deutschen Rennfahrer Hans Heyer aus Wegberg verkaufte.
Unter Heyer fuhr der BMW-Werksfahrer Dieter Quester dieses Auto 1982 für das GS-Team und gewann das deutsche Grand-Prix-Rennen auf dem Hockenheimring, wurde Zweiter beim Jim-Clark-Gedächtnisrennen auf der gleichen Strecke und belegte weitere zweite Plätze in Hockenheim und auf dem Salzburgring sowie dritte Plätze in Zolder, beim Eifelrennen und auf dem Norisring. Dieter Quester gewann im August auch das Hessen-Cup-Rennen in Hockenheim, bevor er im September auf dem Nürburgring mit einem zweiten Platz seine gute Saisonbilanz ausbaute. Der Bergspezialist Mario Ketterer steuerte den Wagen im August auch zum Sieg beim Bergrennen St. Ursanne-Les Rangiers in der Schweiz. In dieser letzten Saison seiner aktiven Karriere wurde der Wagen auch von Rolf Stommelen in Diepholz gefahren. Eine der Lackierungen dieser Saison war «Alpina exclusive Sportbrillen“, in dem der Wagen heute präsentiert wird.
Der Wagen blieb 23 Jahre lang im Besitz von Hans Heyer, bis er 2005 an Christian Traber aus Toffen in der Schweiz verkauft wurde, der eine umfassende und gründliche Restaurierung in Angriff nahm, die drei Jahre und rund 300’000 FRanken in Anspruch nahm. Die Restaurierung ist gut dokumentiert und brachte den Wagen in einen voll rennfertigen Zustand, wie ein Einsatz bei LeMans Classic im Jahr 2008 beweist. Anfang 2012 wurde das Auto an den deutschen Sammler Biedermann verkauft, der es bis 2018 behielt, bevor es vom jetzigen Besitzer erworben wurde. In den letzten Jahren wurde das Auto regelmässig und mit grossem Aufwand gewartet, einschliesslich eines Umbaus des Motors, des Kraftstoffsystems und der Aufhängung, der vom Schweizer M1-Procar-Spezialisten MK Motorsports (Michael Kammermann) durchgeführt wurde und für den alle Rechnungen vorliegen. Ebenfalls in der Akte enthalten sind: Der originale Wagenpass aus dem Jahr 1979, die aktuell gültigen FIA HTP-Papiere, Fia-Papiere aus dem Jahr 2007 und andere Konformitätsbescheinigungen für Sicherheitsausrüstungen, eine vollständige Auflistung der Rennhistorie von 1979 bis 1982, Bilder und Details von kürzlich besuchten historischen Rennen, eine grosse Auswahl an gedruckten historischen Bildern, die das Auto in verschiedenen Lackierungen zeigen, und eine umfassende fotografische Aufzeichnung der Restaurierung. Der BMW M1 Procar #1066 steht aktuell (Stand August 2022) zum Verkauf bei Weekend Heroes.
Wir haben auch noch die tragische Story des BMW M1 Procar #1053, hier. Und einen Fahrbericht vom sowie eine Sammlung der BMW M1, dies: hier.
Wer ihn sich mal Live anschauen will, das gute Stück steht in der öffentlich und frei zugänglichen sehr feinen Motorworld in München.