Von Verlierern und Ausreden
Für den Branchenverband «auto schweiz» ist es klar: «Ukraine-Krieg, Chipkrise, Teilemangel». Und weiter: «Der weitere Rückgang ist vor allem auf den Mangel an Bauteilen zurückzuführen, der die Produktion und Auslieferung neuer Fahrzeuge während des gesamten Jahres massiv beeinträchtigt hat. Von Mikrochips über Rohstoffe bis hin zu Kabelbäumen, deren Herstellung in der Ukraine durch den Angriff Russlands zeitweise zum Erliegen kam, waren zahlreiche Zulieferprodukte nicht zuverlässig verfügbar. Dies hat eine Erholung der Neuzulassungen nach zwei Jahren Coronapandemie verhindert und gleichzeitig zu teils sehr langen Wartezeiten auf bestellte Fahrzeuge für unsere Kundinnen und Kunden geführt.»
Das sind die Gründe, fasst auto-schweiz-Mediensprecher Christoph Wolnik das Auto-Jahr zusammen, weshalb der Schweizer Auto-Markt das Jahr 2022 «mit einem Minus von 5,3 Prozent zum bereits unterdurchschnittlichen Vorjahr abgeschlossen» hat. Und weiter: «Mit 225’934 neuen Personenwagen blieb 2022 erneut deutlich unter der üblichen Vorkrisenmarke von rund 300’000 Neuimmatrikulationen – nach 2020 und 2021 das dritte Ausnahmejahr in Folge».
Nun denn – schön wäre es, wenn es so einfach wäre. Vielleicht besteht tatsächlich noch punktuell ein (hausgemachtes) Halbleiter-Problem, doch es entsteht derzeit mehr der Eindruck, dass die Hersteller den Markt «lenken» – und zwar hin zu teureren Produkten (also inkl. E-Autos, die sind ja alle teuer). Die wiederum mehr Chips brauchen, also sowohl die teureren Produkte wie auch die E-Fahrzeuge. Dass es dann unten in der Modell-Hack-Ordnung Löcher gibt, ist offensichtlich. Und dazu noch etwas: Es behauptet derzeit kein Hersteller mehr, nicht über genügend Halbleiter zu verfügen. Es mag zwar immer noch zu gewissen Verzögerungen kommen, bis die Fahrzeuge in der Schweiz eintreffen, doch einschneidend sind diese nicht. Entscheidender sind da gewisse «Rückrufe», Auslieferungsstopps bei neuen Modellen – die aber häufig ganz andere Probleme haben als fehlende Halbleiter. Man könnte sie durchaus als konstruktive Mängel bezeichnen.
Wir sehen noch ein ganz anderes Problem: Die Hersteller produzieren an den Bedürfnissen des Marktes vorbei. Gerne warten wir auf die Analyse der Entwicklung der Neuwagen-Preise – und wären sehr überrascht, wenn diese trotz Inflation, Rezession und Währungsgewinnen nicht eklatant gestiegen sind. So im zweistelligen Prozentbereich. Es ist ja nun aber so, dass die Löhne in der Schweiz kaum steigen, nicht einmal ein Teuerungsausgleich gewährleistet werden kann – wer genau soll denn nun all die Autos kaufen, die dann auch noch mehr kosten? Es entsteht gerade eine ungesunde Schere – welche die Hersteller (und Importeure) dafür nutzen, ihre Margen aufzupolieren. Um dabei gleich noch ein paar Händler auszusortieren, welche die Vorgaben nicht erfüllen. Ach ja: weniger Händler, weniger Service – weniger Kundenzufriedenheit. Man hört es immer wieder. Es könnte dies auch ein guter Grund sein für die nicht so glänzenden Neuwagenverkäufe. Die teilweise unerklärlich langen Wartefristen tun ein Übriges.
Doch schauen wir genauer hin. Unter den Top Ten der Marken gibt es einige Verschiebungen, VW bleibt aber klar vorne (25’420, minus 1,5%), auf dem 2. Platz folgt BMW (19’685, minus 6,0%), auf den 3. Rang zurückgefallen ist Mercedes (19’306, minus 10,6%). In der weiteren Folge: Audi (von 5 auf 4, 18’051, plus 6,0%), Skoda (von 4 auf 5, 17’405, minus 6,9%), Toyota (von 7 auf 6, 12’157, plus 14,6%), Seat/Cupra (von 6 auf 7, 10’638, minus 16,8%), Ford (von 9 auf 8, 8878, plus 5,7%), Tesla (von 11 auf 9, 8725, plus 34,4%) und Hyundai (auf 10 geblieben, 7578, minus 7,2%). Es gibt also zwei grosse Gewinner, klar, Tesla, mit dem Model Y stellen die Amerikaner auch das meistverkaufte Auto der Schweiz (4928), dazu Toyota – wo man 2022 noch kein E-Auto im Angebot hatte, aber mit dem Yaris den besten Newcomer.
Genau, diese E-Autos: Über 40’000 Stück wurden im vergangenen Jahr in der Schweiz verkauft, ein Plus von 26,2% sowie ein Marktanteil von 17,8%. Tesla schafft da wie erwähnt den ersten Platz mit dem Y – und den zweiten auch gleich noch, mit dem 3 (3525). Dann folgt der Skoda Enyaq (3246) – und dann lange, lange nichts mehr bis zum VW ID.3 (1632), Cupra Born (1598) und VW ID.4. (1533). Diese sechs Modelle schaffen mehr als die Hälfte aller E-Verkäufe. Man sieht es aber jetzt schon: Der Anstieg der Verkaufszahlen ist bei weitem nicht mehr so steil wie auch schon.
Die grössten Gewinner sind Genesis (plus 346,8%, 487), SsangYong (plus 326,7%, 128) und DS Automobiles (plus 38,5%, 594). Die drei grössten Verlierer sind Jaguar (minus 45,8%, 552), Jeep (minus 43,7%, 1651) und BMW Alpina (minus 43,6%, 57). Wobei, nein, wir sehen das anders: die grössten Verlierer sind die Kunden: Mit dem Toyota Yaris (Rang 6, 3293) und dem Dacio Sandero (Rang 10, 3117) gibt es noch genau zwei bezahlbare Automobile in den Top Ten. Den Rest gibt es nur in Leasing-Silber.
Das beste und wahrscheinlich ehrlichste was bisher zu diesem Thema geschrieben wurde. Ich befürchte allerdings das in dieser Mafiösen Struktur der Hersteller solche Wahrheiten nicht gern gehört werden. Und gerade deshalb….Hut ab vor diesem Text……wieder einmal….
Super Analyse, aber das wollen die „Autobosse“ nicht hören! Sie treffen aber auch genau den wichtigsten Nagel auf den Kopf – Produktion am Kunden vorbei, in jeder Hinsicht, Preis/Leistung (nein, nicht die PS-Zahl) ist nicht mehr gegeben…. Design lockt auch keinen Kunden mehr, weil abstoßend. Aber sind wir uns ehrlich, der Europäische Markt ist von allen Herstellern aufgegeben worden. Marktsättigung, Anspruchsdenken der Kunden, Umweltvorgaben, Energiepreise, absurde Verbotspolitik von Seiten der Staaten – wer will`s verdenken. So einen Markt kann man (Autoboss*innen) sich schenken, wenn Frau (Autoboss*e) andere lukrative Märkte hat. So kann`s gehen. Aber dickes Lob für Euren Artikel!