Bonjour tristesse
Manchmal will man dann auch in die Niederungen der Rangliste tauchen. Bei den 12 Stunden von Sebring 1953, dem allerersten Lauf zur ersten Sportwagen-Weltmeisterschaft, taucht unter «gemeldet» eine spannende Marke auf: Gordini. Da denkt man dann automatisch an Renault, doch wenn man sich dann ein wenig in die Geschichte vertieft, dann sieht man: weit gefehlt. Und auch wenn das Leben von Marken-Gründer und Patron Amadeo Gordini, geboren 1899 in der Nähe von Bologna, ein ständiges Auf und Ab war und zumeist geprägt wurde von finanziellen Schwierigkeiten, so schrieb er doch einige interessante Kapitel in der Automobil-Geschichte.

Gordini machte seine Ausbildung zum Mechaniker bei Isotta Fraschini, dort lernte er auch Alfieri Maserati kennen. Später, er war unterdessen nach Frankreich ausgewandert, spezialisierte er sich auf Fiat – und hatte bald den Übernamen «Hexer», weil er allerorten zusätzliche PS fand. Bald wurde Simca auf ihn aufmerksam, schliesslich baute man in Frankreich Fahrzeuge nach Fiat-Lizenz, es begann eine für bei Seiten fruchtbare Kooperation, die auch nach dem 2. Weltkrieg fortgesetzt wurde. Gordini war selber oft am Steuer, 1939 wurde er Klassensieger bei den 24 Stunden von Le Mans.

Doch genau dann, als es richtig spannend wurde, zerstritten sich die beiden Partner – und Gordini, unterdessen Amédée, wagte sich ohne finanzielle Rückendeckung in die Formel 1. Die Chance kam 1952, als die höchste Rennklasse nach dem Reglement der Formel 2 ausgetragen wurde, Jean Behra fuhr auf einem Gordini beim Grossen Preis der Schweiz auf den dritten Rang, Robert Manzon schaffte gleiches beim Grossen Preis von Belgien. Ganz nach vorne reichte es nicht, dafür waren die Ferrari und Alfa Romeo zu stark.

Für Sebring hatte Gordini einen T15S gemeldet. Das war damals schon ein einigermassen betagter Sportwagen, den Gordini auch erfolgreich an Privatteams verkaufte. Man konnte alles haben zwischen 1,1 bis 2,3 Liter Hubraum, der Hexer konstruierte auf Simca-Blöcken zuverlässige Motoren. Die T15S erreichten bei 116 Rennen 25 Gesamt- und 15 Klassen-Siege. Auch bei den 24 Stunden von Le Mans 1953 starteten mehrere Gordini T15S, Star des Teams war sicher Jean Behra, doch er sah zusammen mit Roberto Mieres das Ziel nicht. Und trotzdem findet sich weit vorne in der Rangliste ein Gordini: Maurice Trintignant/Harry Schell fuhren in einen Gordini T16S auf den 6. Gesamtrang und zum Sieg in der Klasse bis 3000 cm3. Der T16S war eigentlich ein Formel-2-Rennwagen mit 2,5 Liter Hubraum, dem für Le Mans eine Sportwagen-Karosserie übergestülpt wurde.

Doch wenn man nun noch ein bisschen tiefer taucht in die Meldeliste von Le Mans 1953, dann steht dort: Gordini T24S. Mit diesem Fahrzeug wollte Amédée Gordini bei den ganz Grossen mitmischen, er schraubte zwei 1,5-Liter-Vierzylinder zusammen, erhielt so einen 3-Liter-Achtzylinder, der mit seinen 220 PS etwa gleich stark war wie die Jaguar-3,4-Liter-Sechszylinder. Bloss: das bildschöne Fahrzeug wurde nicht rechtzeitig fertig für das Rennen in der Sarthe, Behra musste mit dem veralteten T15S vorliebnehmen.
Die Geschichte dieses Fahrzeugs, Chassis-Nummer #36, ist so ein bisschen symptomatisch für Gordini. Für Le Mans kam das Fahrzeug zu spät, dafür dominierte es dann die Tour de France mit Jean Behra am Steuer. Und kam aufgrund eigenartiger Handicapregeln doch nur auf den zweiten Platz hinter einem 1100er-Osca. Dann wurde der T24S nach Mexiko verschifft, wo Behra auf dem guten sechsten Rang lag, dann aber aufgeben musste. Auf dem Rückweg wurde der Gordini beschädigt, erhielt eine geänderte Front, die Behra aber nicht zu gefallen schien: er knallte ihn einen Jaguar, der Gordini musste wieder repariert werden. 1955 war ein wildes Jahr: #36 fuhr zuerst in Buenos Aires bei den 1000 Kilometern, schaffte einen 5. Rang, dann in Agadir, 3. Rang, dann die Mille Miglia, Ausfall. Für Le Mans 1955 erhielt das Fahrzeug dann den Aufbau, den wir hier zeigen können. In der Rangliste sucht man #36 aber vergebens, Bayol/Manzon verzichteten auf einen Start.
Es folgt nun die schöne Anekdote um Françoise Sagan, die französische Schriftstellerin, die im Alter von 19 Jahren 1954 mit «Bonjour tristesse» einen Welterfolg gelandet hatte. Sagan, die eigentlich Quoirez hiess, soll in Autos vernarrt gewesen sein (und fuhr immer barfuss) und hatte sich bei einem Besuch bei Gordini am Boulevard Victor 69/71 in den dort stehenden T24S verliebt. Sie fragte Amédée Gordini, was das Fahrzeug denn kosten würde. Dieser marschierte zu seiner Buchhalterin, hiess sie, die aktuellen Schulden zu einem Monatslohn aller Angestellten zu addieren – und nannte Sagan dann diesen unverschämten Preis. Die junge Dame aus gutem Haus lächelte – und zahlte.

1956 musste sich Gordini trotzdem aus der Formel 1 und den anderen Rennsport-Klassen zurückziehen, es fehlte einfach an Barem. Dann endlich kommt Renault doch noch ins Spiel, zuerst erhielt der «Hexer» den Auftrag, auf Basis der Dauphine ein Rallye-Fahrzeug zu entwickeln. Was er mit entsprechendem Erfolg auch tat. 1969 wurde Gordini dann von Renault geschluckt, Amédée Gordini durfte noch ein bisschen mitreden bei Motorsport-Projekten. «Le Sorcier» verstarb am 25. Mai 1979.

Ja, das gehört zu «related», Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953. Mehr schöne Geschichten finden sich im Archiv.
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