Sicherheit, wie immer
Es geht Volvo dabei nicht darum, Sicherheitstests nur zu bestehen oder in Hitparaden zum Thema Safety an der Spitze zu stehen. Es geht den Sicherheits-Ingenieuren um mehr als nackte Zahlen. Es geht um die Millionen von Menschen, die täglich auf der Strasse unterwegs sind: «Wir wollen herausfinden, wie und warum Unfälle und Verletzungen passieren, um sie in Zukunft mit Hilfe technischer Lösungen zu verhindern», sagt Thomas Broberg, einer der führenden Sicherheits-Ingenieure von Volvo Cars. Mehr noch: Das Unternehmen will andere inspirieren, seinem Ziel zu folgen: Die Zahl der Opfer im Strassenverkehr weltweit zu reduzieren.

Das Herzstück des Safety Centre: Zwei 108 und 154 Meter lange Testspuren. Auf diesen können die Prüfer die Autos mit Verbrenner- und Elektromotoren mit bis zu 120 km/h crashen. Der Clou: Die kleine Spur kann bis 90 Grad verschoben werden. So können die Sicherheits-Ingenieure die Unfälle zwischen zwei fahrenden Autos bei verschiedenen Winkeln und Tempi simulieren. Für Front-, Heck- und Seitenkollisionen nutzen sie eine 850 Tonnen schwere Crashbarriere. Was in Schweden nicht fehlen darf: Eine Elch-Figur und rund zwei Dutzend weitere feste und bewegliche Hindernisse. Das kommt auch Schweizer Fahrern zugute: Gemäss der Axa-Versicherung geschehen bei uns jedes Jahr 3’000 Wildunfälle.
So funktioniert’s: Dutzende von hochauflösenden Kameras filmen die Crashs aus den verschiedensten Blickwinkeln. Und Sensoren an Auto, den Dummy-Insassen und Hindernissen erfassen das Unfallgeschehen von A bis Z. Das ist nicht alles: Von jedem Fahrzeugmodell gibt es Tausende von am Computer simulierten Tests. All diese Daten nutzen die Ingenieure für die Entwicklung von noch sichereren Autos. Für Thomas Broberg steht fest: «Gleich welches Unfallszenario: Hier im Volvo Cars Safety Centre können wir es nachstellen und im Detail analysieren.» Den Sicherheitsprofi beeindruckt vor allem eins: «Mit jedem Test und jeder Analyse kommen wir unserem Ziel näher: Niemand mehr soll in einem neuen Volvo Fahrzeug ums Leben kommen oder schwer verletzt werden.»

Crashtests sind das eine. In Anlehnung an den TV-Renner «CSI» untersuchen die Experten der Volvo-Unfallforschung unter dem Namen CSI-Team (Crash Scene Investigators) auch jeden wirklichen Unfall in der Volvo-Heimat Göteborg. Rund um die Uhr rücken sie zur Unfallstelle aus. Dort nehmen sie den Hergang im Detail unter die Lupe. Und sie gehen entscheidenden Fragen nach: Wie geht es den verunfallten Menschen? Wie stark war der Aufprall? Wie schnell haben die Sicherheitssysteme eingegriffen? Wie waren die Witterungsverhältnisse? In welchem Zustand waren die Markierungen der Strasse? Später wertet das Team die Polizeiberichte aus, kontaktiert den Fahrer und untersucht das Unfallauto. Wenn die Unfallbeteiligten einwilligen, sichten die Unfallforscher sogar die Krankendaten. Anschliessend analysieren Biomechanik-Experten und Physiker die Details der Verletzungen, um deren exakte Ursache herauszufinden. Alle Daten werden verschlüsselt und anonymisiert den Teams in der Volvo Produktentwicklung weitergeleitet. Diese nutzen sie für die Entwicklung neuer Safety-Technologien, damit Volvo weiter an der Spitze der automobilen Sicherheit fährt. Für die Unfallforscher aus Schweden ist klar: Die schweren Verletzungen sind heute wesentlich seltener als früher.
Aufgrund ihrer Anatomie haben Frauen grundsätzlich ein höheres Risiko für ein Schleudertrauma als Männer. Nicht aber bei Volvo: Das Schleudertrauma-Schutzsystem WHIPS kombiniert eine robuste Kopfstütze mit einer cleveren Sitzkonstruktion. Dadurch werden Kopf, Nacken und Rücken sowohl gestützt als auch geschützt. Ein anderes Beispiel: Das Skelett ist bei Frauen schwächer als bei Männern. Deshalb erleiden diese häufiger eine Brustverletzung. Für einen optimalen Schutz hat Volvo seine Fahrzeugstruktur stetig weiterentwickelt und Seitenairbags eingeführt, die die Auswirkungen auf die Insassen minimieren.

Auch bei der Entwicklung des Kopf-Schulter-Airbags nahmen die Tüftler Mass an den für gewöhnlich kleineren Frauen: Der Airbag deckt das gesamte Fenster ab und schützt so den Kopf bei einem Seitenaufprall – unabhängig von der Körpergrösse. Zusammen mit SIPS und den Seitenairbags reduzieren die Kopf-Schulter-Airbags das Risiko schwerer Kopfverletzungen um etwa 75 Prozent. Speziell: Volvo wollte mehr über Unfälle mit schwangeren Frauen erfahren. Deshalb entwickelte das Unternehmen den weltweit ersten virtuellen Crashtest-Dummy einer Schwangeren mittlerer Grösse. Das Computermodell zeigt die Bewegung der Frau sowie die Art und Weise, wie Sicherheitsgurt und Airbag die Frau und ihren Fötus schützen. Dutzende von Tüftlern und Experten arbeiten seit Jahrzehnten an revolutionären Safety-Innovationen und Meilensteinen bei der serienmässigen Sicherheitsausrüstung.
radical: Welche besonderheiten müssen bei der Sicherheit und den Sicherheitstests für Elektrofahrzeuge berücksichtigt werden?
Thomas Broberg: Unser Ziel ist es, alle unsere Fahrzeuge unabhängig von ihrem Antrieb im realen Strassenverkehr sicher zu machen. Bei Elektrofahrzeugen muss natürlich besonders darauf geachtet werden, dass die Batterie im Falle eines Unfalls intakt bleibt, um Menschen zu schützen. Beim EX90 beispielsweise ist die grosse Hochspannungsbatterie sicher in der Mitte der Karosseriestruktur unter dem Boden eingebettet. Um zusätzlichen Schutz zu bieten, haben wir speziell für die Batterie einen einzigartigen Sicherheitskäfig entwickelt. Er besteht aus einem stabilen Rahmen aus stranggepresstem Aluminium, der die Aufprallkräfte auffangen und abschwächen soll, indem er die Kräfte um die Batterie herum leitet. Der Sicherheitskäfig für die Batterie, der nach den gleichen Schutzprinzipien wie für die Insassen durch den Sicherheitskäfig funktioniert, ist ein integraler Bestandteil der Karosseriestruktur und soll den Schutz bei verschiedenen Arten von Unfällen verbessern, einschliesslich Variationen in der Aufprallrichtung und mit verschiedenen Arten von Fahrzeugen und Objekten.

radical: Die Plattform von E-Fahrzeugen muss besonders stabil sein. Hat dies einen Einfluss auf die Sicherheit?
Broberg: Wir verwenden bei der Entwicklung all unserer Fahrzeuge dieselben strengen Volvo-Sicherheitsstandards. Diese basieren auf unseren Studien zu realen Unfällen, die wir seit mehr als 50 Jahren durchführen – unabhängig davon, ob es sich um vollelektrische, Hybrid- oder Verbrennungsmotorenfahrzeuge handelt. Sie zzielen über die Anforderungen von Ratings und standardisierten Tests hinaus.
radical: Ist der Aufwand für Crashtests an Elektrofahrzeugen höher?
Broberg: Um unsere Autos für echte Menschen im echten Leben sicher zu machen, testen und validieren wir alle unsere Autos in einer Vielzahl von Szenarien gemäss dem Sicherheitsstandard von Volvo Cars, basierend auf dem Wissen, das wir durch die Untersuchung von realen Unfällen seit mehr als 50 Jahren aufgebaut haben. Wir wenden bei allen unseren Autos die gleichen Prinzipien an, da Elektrofahrzeuge im realen Strassenverkehr auf die gleiche Konstellation von Verkehrsteilnehmern treffen würden. Alle unsere Autos sind so konzipiert, dass sie Menschen und das, was ihnen wichtig ist, schützen.
radical: Es gibt immer wieder (dumme) Gerüchte, dass E-Fahrzeuge häufiger in Brand geraten. Was sagen Sie dazu? Und wie können solche Fake News beseitigt werden?
Broberg: Die Sorge ist angesichts der hohen Energie, die in der Batterie gespeichert ist, verständlich, aber wir stimmen den Gerüchten nicht zu. Allerdings gibt es auch in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor einen hohen Energiegehalt (Kraftstoff), der geschützt werden muss. Wir bauen in unsere Elektroautos einen Sicherheitskäfig für die Batterie als Teil der Karosseriestruktur ein, um die Unversehrtheit der Batterie zu gewährleisten (wie oben erläutert), und die Batterie ist so konzipiert, dass sie im Falle eines Unfalls in nur wenigen Millisekunden abgeklemmt werden kann.

radical: Elektrofahrzeuge sind (derzeit) schwerer als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Welche Auswirkungen hat dies auf andere Verkehrsteilnehmer?
Broberg: Die Batterie trägt zwar zum Gewicht eines Autos bei, wird aber auch stark vom Karosserietyp und der Verwendung von Materialien beeinflusst, neben anderen Faktoren. Auf dem Weg zu unserem Ziel, Unfälle vollständig zu vermeiden, sind unsere Elektroautos mit modernsten Sensoren und Technologien zur Kollisionsvermeidung ausgestattet, um Unfälle von vornherein zu verhindern. Das liegt daran, dass das Verkehrsumfeld von Natur aus nicht mit allem kompatibel ist, von Autos unterschiedlicher Grösse bis hin zu grossen Lastwagen und Bussen sowie ungeschützten Verkehrsteilnehmern wie Radfahrern und Fussgängern. Darüber hinaus sind unsere Autos so konzipiert, dass sie im Falle eines Unfalls sowohl die Insassen schützen als auch die Auswirkungen auf andere Autos oder Verkehrsteilnehmer minimieren. So ist beispielsweise die Frontstruktur des EX90 so konzipiert, dass sie im Falle einer Kollision den Aufprall auf ein niedrigeres Auto abmildert, wobei eine niedrigere Struktur so konzipiert ist, dass sie die tragende Struktur eines niedrigeren Autos unterstützt.
radical: Aktuelle Autos könnten bereits miteinander kommunizieren – funktioniert das?
Broberg: Wir haben 2016 die branchenweit erste «Connected Safety»-Technologie eingeführt, mit der Autos miteinander kommunizieren und sich gegenseitig vor rutschigen Strassen oder Gefahren warnen können. Diese Funktionen sind jetzt in kompatiblen Volvo-Fahrzeugen in Europa und den USA verfügbar.

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