Tja, verpasst
Eigentlich ärgere ich mich – jetzt – ja so ein bisschen. Oder sehr. Aber dann auch wieder nicht. Nicht wirklich. Ende Dezember veranstaltete Bonhams den «Christmas Swiss Motor Car Online Sale» mit gut zwei Dutzend Luxus-Fahrzeugen, Mercedes, Bentley, Jaguar, Rolls-Royce, Jahrgänge 1969 bis 2006. Mein Aug’ war da im Vorfeld auf einen 69er Rolls-Royce Silver Shadow gefallen, 32k Kilometer, in der Schweiz zuletzt geprüft Ende Oktober, also zumindest einigermassen anständiger Zustand, wahrscheinlich kein Rost. Gut, die Motorhaube liess sich nicht öffnen, aber das hätte sich wohl richten lassen.






Gut, eigentlich will ich gar keinen Rolls-Royce Silver Shadow. Der passt zu mir wie ein Mercedes-OMG GLS 43. Aber die Vorstellung, so ganz gepflegt mit 82 km/h über französische Landstrassen in Richtung Kanalfähre zu gondeln, Led Zeppelin aus den scheppernden Boxen, ihn vor feinen Landgasthöfen über die Kiesvorfahrt zu lenken, gepflegt und ausführlich zu tafeln, diese Vorstellung ist schon gut. Danach vielleicht noch gediegen hoch nach Schottland, einmal Haggis und sechs Liter Whisky, bitte, doch, das könnte mir gefallen. Allein das Leder, auf dem man sitzt; die Rückbank könnte man sich auch in die gute Stube stellen. Und das echte Holz vor Augen. Der Duft, man kann es sich vorstellen, ein bisschen Old Spice, Staub, abgestandene Luft. Das riesige Lenkrad, mehr so für ungefähre Richtungsangaben; ich liebe rechtsgelenkte Fahrzeuge, man hat einfach den direkten Kontakt zu den Fussgängerinnen, wenn man mal nach dem Weg fragen muss. Der GM-Automat, in den drei Viertel der Kraft aus dem 6,2-Liter-V8 versandet. Irgendwie schon herrlich, oder? Die wahre Entschleunigung, die Wiederentdeckung der Langsamkeit.






Keine 8000 Franken kostete der Rolli dann bei dieser Versteigerung, inkl. Premium. Um das gleiche Geld gab es auch einen Daimler Double Six 6.0 von 1993, ebenfalls hübsch. Aber vielleicht fast ein bisschen zu modern, siehe oben. Bei knapp 36’000 Franken erfolgte der Zuschlag für einen Rolls-Royce Camargue, dieses ganz eigenartige Fahrzeug, Design von Pininfarina, einst das teuerste Auto der Welt. Und das erste mit zwei Temperatur-Zonen, acht Jahre lang sollen die Rolls-Royce-Ingenieure geforscht haben, bis sie das im Griff hatten, so einigermassen. Das interessiert heute auch niemanden mehr, aber hey, ein Camargue, nur 534 Stück waren gebaut worden in elf Jahren. Sowas sollte man eigentlich schon in seiner Garage haben. Zumal ein Audi Q2 in seiner nackten Basis-Ausführung schon mehr kostet. Aber den will ich ja beim besten Willen auch nicht haben.









Und was will ich jetzt damit sagen, schreiben? Keine Ahnung, ist auch nicht so wichtig.
Ich kann mir sie auch nicht im Fond eines Wagens vorstellen, Herr Ruch. Na gut die Artikel müssen ja auch getippt werden, dann schon. Oder stilgemäss einer Sekretärin diktiert?
Lieber Herr Ruch, trauen Sie sich!
Ich kenne Sie nicht persönlich und kann mir Ihre Lebensumstände nur recht wage vorstellen, aber wenn meine Vorstellung einigermaßen zutrifft, dann sind Sie nicht nicht der klassische Rolls Royce-Eigner.
Und gerade deshalb wäre ein klassischer Rolls Royce ziemlich passend, ich stelle ihn mir vor einem schönen, alten Holzhaus in Alleinlage am Waldesrand vor, well used but well loved, wenn er nicht benutzt wird, steht er in einer alten Scheune, neben dem Defender und einem kleinen Allgaier-Traktor.
Das paßt hervorragend zu so einem Fahrzeug, viel besser als die pseudotoskanische Villa mit Plastikfenstern im besseren Vorort oder die Tiefgarage einer Wohnanlage mit mittelgroßen Wohnungen in Meilen.
Einen Rolls Royce kann man nur fahren, wenn man die entsprechende Liegenschaft (ca. 600 qm Wohnfläche, bekieste Vorfahrt, Remise, alter Baumbestand, das Haus im Idealfall von der Straße nicht zu sehen), alternativ eine sehr große Altbauwohnung in einem Stadtpalais mit Concierge und Dienstbotenaufgang in einer Europäischen Großstadt (Paris, London, Turin, Lissabon, Berlin ist zu piefig) bewohnt.
Oder aber das Gegenteil – eine ruppige Fabriketage in einem Industriegebiet des 19. Jahrhunderts, ein Forsthaus in den Bergen, ein etwas provisorisches Penthouse auf einem Großblock des sozialen Wohnungsbaus in einer Trabantenstadt, auf keinen Fall eine bürgerlich-mittelständische Adresse!
Und entweder fährt man den Wagen im Maßanzug aus der Savile Row oder von Knize aus Wien, oder aber in Jeans, Wollpullover und Wanderschuhen.
In den späten siebziger Jahren beobachtete ich in meiner Heimatstadt Hamburg immer einen leicht angeranzten Silver Cloud I oder II, gesteuert von einem Mann, der aussah wie der Keyborder der Band Exception, Rick van den Linden, und auch so gekleidet war, auf dem Beifahrersitz saß eine ziemlich attraktive Frau um die 30 in Batikröcken, Flatterbluse und meistens ohne Schuhe, ich sah den Wagen und seine Insassen recht regelmäßig und fand die Zusammenstellung extrem cool!
Und:
Der Silver Shadow ist in der Tat extrem schön, aber der Camargue ist einfach genial, ein Fiat 130 Coupé für Besserverdiener, dazu die Instrumente mit Flugzeugcockpitanmutung, selbst das Radio hat eine Blende mit den abgeschrägten Ecken, unfaßbar schlicht und gerade deshalb wahnsinnig beeindruckend, nicht wirklich schön, aber sehr besonders, von einem Italiener gezeichnet und dennoch sehr Britisch, gerade dieser extrem unkonventionelle Rolls Royce paßt, wenn es eigentlich nicht paßt, einen solchen Wagen zu fahren.
Ich hätte ihn zu gerne, aber im bürgerlichen Berliner Westend wäre er ein seltsamer Fremdkörper, zu gewollt, zu ambitioniert, nicht cool.
Aber in meiner Vorstellung von Ihnen könnte ich ihn mir sehr gut vorstellen…
ich hätte da eine Frage: was wäre denn cool im Berliner Westend, weil mit Lambos, Maseratis oder Vipers braucht man ja auch nicht auftauchen?
In der Tat, Lambos gibt es ein paar, Maseratis mehrere. Eine Viper habe ich hier noch nie gesehen…
Das Berliner Westend ist ja mehr so eine soignierte Wohngegend, nicht so schick und nobel wie Dahlem oder Grunewald, nicht so neureich und Russisch wie das klassische Charlottenburg, solider Wohlstand ohne Exzesse, Offizierswitwen, pensionierte Diplomaten, in den Zeiten vor dem Gefreiten aus Braunau sehr viele jüdische, großbürgerliche Intellektuelle, es gibt eine große Anzahl von Baudenkmälern der klassischen Moderne aus dem früheren Besitz gerade dieser Bevölkerungsgruppe.
Automobilistisch ist das Straßenbild von dieser soignierten Bürgerlichkeit geprägt, viele Mercedes und BMW Kombis, ein paar Range Rover und mittlerweile unzählige der unvermeidlichen SUV’s. Und eine Reihe feiner Klassiker, die finde ich zum Beispiel ziemlich cool, mein zwanzig Jahre alter XJ paßt ganz gut, finde ich.
Und Porsches passen auch recht gut, schon sehr gute Autos ohne den Aufmerksamkeitswert der Sportwagen aus Maranello.
Bei Ghost Motors gibt es wundervolle Rechtslenker zu sehr schönen Preisen.
Wenn man erstmals in einem Shadow oder Spirit sitzt, vor allem hinten, ist man erst einmal überrascht über die Schlichtheit der Ausstattung.
Es gibt zwar Holz, Leder und Chrom, aber alles sehr dezent.
Fensterbrett, Armaturenbrett ……
Alles wirkt selbstverständlich, zurückhaltend.
Erst viel später (so ab Spirit III) wurde das Holz immer mehr, immer sinnloser verteilt und das Leder war nicht mehr glatt, schlicht und geradlinig abgesteppt, es gab aufwändige Steppungen und es war oft mehrfarbig.
Wie sagte Fritz B. Busch so schön: Genug ist besser als zu viel.
Lieber Rolf, Sie haben völlig Recht, der Silver Shadow und auch die frühen Spirits waren eigentlich sehr schlicht, nicht nur im Innern und mal vom Kühlergrill abgesehen.
Gerade der Shadow aus der Feder von John Blatchley war ein unglaublich eleganter, feiner und schlichter Entwurf, innen wie auch außen, ich liebe besonders die Interieurs der frühen Modelle mit dem schlanken Armaturenbrett, zwar ist der Rolls Royce-Kühlergrill wunderschön – zu diesem Thema empfieht sich die Lektüre von Erwin Panofsky Buch „Die ideologischen Vorläufer des Rolls Royce Kühlers“ – aber eigentlich paßt der schlichtere Bentley-Kühler viel besser zum Design, ein silberner Bentley T2 mit schwarzem Interieur und Radkappen wäre absolut perfekt!
Der Spirit war mir im Vergleich zum Shadow schon etwas zu groß, zu Amerikanisch, die riesigen Rücklichter und die Glasbaustein-Scheinwerfer waren zwar zeittypisch, aber, wie beim Jaguar XJ40, irgendwie unpassend, dennoch ein schöner Wagen, als Bentley Turbo-R allerdings feiner und schlichter, selbst mit den eigentlich etwas zu sportlichen Leichtmetallfelgen.
Und der Nachfolger? Hmmm, der Siver Seraph war mir dann zu retro, nicht klar genug gezeichnet, außerdem fand ich einen Rolls Royce mit BMW-Motor irgendwie schwierig… aber im Vergleich zu den aktuellen Modellen dennoch ein höchst eleganter Wagen!
Tatsächlich hatten wir einen T2 Rechtslenker in Dunkelgrün mit Veloursausstattung in beige in der Familie. Das kam daher, dass der Orthopäde meinem Onkel empfahl, nicht mehr über 100.000 km im Jahr mit seinen Sportwagen zurückzulegen.
Der T2 war ein preisgünstiger Versuch von ihm. Er lief übrigens nach Tacho knapp 200.
Danach folgten Mulsanne Turbo, Arnage und wieder Mulsanne (der neue schwülstige).
Die passende Villa mit über 1200 Quadratmetern auf 1 ha Grund mit Kiesauffahrt und Tiefgarage für Bentley, Daimler und Ferraris am Starnberger See ist vorhanden – nur zur Beruhigung. 😉
Der Bruder (leichter Konkurrenzkampf) in den USA erwarb einen Silver Spirit aus einer Auktion. Weiss, innen grau, extrem schlicht.
….. kleine Anekdote:
Mit dem Mulsanne an der Tankstelle wurde mein Onkel gefragt, ob das der neue Japaner sei? Lexus war gerade neu in Deutschland.
Er bejahte dies und bekam ein großes Lob, dies sei ein schöner Wagen.
Lieber Rolf, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen – Sie sollten sich unbedingt recht intensiv um Onkel und Tante kümmern, mir scheint da doch ein erhebliches Potential für eine feine Erbschaft zu bestehen… Kleiner Scherz, ich bitte um Pardon!
Aber Ihre Beschreibung von Wohnsitz und Fuhrpark klingt einfach so wundervoll passend und dabei so herrlich aus der Zeit gefallen, das perfekte Gegenbild zum Gesellschaftsmodell des Juste Milieus in unserem Land!
Und:
Ein Haucherl Neid ist meinerseits schon dabei, mein leider sehr früh verstorbener Onkel fuhr lediglich einen Opel Diplomat, für einen Solinger Stahlwarenfabrikanten Ende der sechziger Jahre ein angemessener Wagen, nach seinem frühen Tod hat meine Tante dann das nicht unbedeutende Vermögen mit einer Trakehnerzucht aufgebraucht.
Mein anderer Onkel fuhr zu der Zeit lediglich einen VW 1600 TL, von Kennern genannt „Traurige Lösung“.
Und dann gab es da noch eine sehr feine Tante – man hätte sich vorstellen können, daß sie sich ab und zu mit Ihrer Tante zum Tee getroffen haben könnte – sie fuhr zeitweilig ein ganz besonderes Auto, ein BMW 318i Baur Cabriolet, ein sehr eleganter Wagen für ihre Reisen an den Vierwaldstätter See, wo sie ein von ihrer ersten Lebensgefährtin geerbtes Haus mit Seegrundstück besaß.
Leider verstarb sie während der Corona-Pandemie und von ihrer letzten, wesentlich jüngeren Lebensgefährtin hat niemand mehr irgendetwas gesehen oder gehört, nachdem die Erbformalitäten abgewickelt waren…. Ich gehe von einer Fälschung des Testaments aus, Sie hatte mir immer einen der beiden Beckmanns versprochen!
Mein Gott, jetzt bin ich doch wieder ins Plaudern geraten, ich bitte die klugen Leserinnen und schönen Leser um Pardon!
Da wird für mich nichts „zu holen“ sein, das werden die Töchter bekommen, die mittlerweile auch schon in den 50ern sind.
Nichtsdestotrotz hat es meine automobile Kindheit und Jugend enorm bereichert und der Mulsanne Turbo war in den 1980ern für mich das passende Hochzeitsauto. Ein Sargbouquet auf der Motorhaube hatte er dafür nicht nötig.
Meine Mutter hatte sechs Geschwister, es gab also einige Onkels und Tanten und irgendwie waren alle ein bisschen autovernarrt, ich habe also lediglich einen Erbschaden, mit dem ich gut leben kann.
Einen 1600 TL als Variant in Weinrot gab es auch mal bei einem.
Nun, das mit dem Erbe war auch nicht so ganz ernst gemeint…
Aber es ist natürlich ganz großartig, wenn man solche Fahrzeuge in der näheren Familie hatte, bei uns beschränkte sich das in der Tat auf meinen Vater, der mir seine Liebe zu Autos vererbt hat, ebenso wie die für die Architektur und die Kunst sowie fürs Segeln. Nur den klugen Umgang mit Geld, den hat er wohl eher meinem großen Bruder vererbt…
Die Autos meines Vaters waren schon – insbesondere für die damalige Zeit – immer recht besonders und einige seiner Freunde fuhren auch ganz wunderbare Fahrzeuge.
Aber ansonsten war ich mit meiner Leidenschaft ziemlich alleine, auch meine Schulfreunde interessierten sich eher für andere Dinge, aber ich war schon immer anders als andere Kinder…
Aber beim Thema Hochzeitsauto, da kann ich mithalten!
Es war der silbergraue Daimler Double Six meines alten Herren, in dem die Braut und ihr Vater von meinem Vater in die Kirche chauffiert wurden, auf der Motorhaube befand sich kein Bouquet, dafür kleine, weiße Blumensträuße an den Außenspiegeln.
Gleichermaßen war mein silbergraues Käfer Cabrio geschmückt, mit dem ich mit dem Trauzeugen zur Kirche und nach der Trauung mit der Braut wieder weg fuhr.
Die beiden Autos nebeneinander vor der alten Kapelle am Rhein waren ein sehr schöner Anblick, selbst der Pfarrer bemerkte das…
Und ein kleines Apercu am Rande am Rande:
Nach Trauung und Empfang wollten meine Eltern im DD6 wieder ins Hotel fahren, nach wenigen hundert Metern blieb der Wagen mitten im Verkehr stehen und war nicht mehr dazu zu bewegen, die Fahrt fortzusetzen, der ADAC transportierte den Daimler in die nächste Jaguar-Werkstatt und meine Eltern mußten den Rest des Wochenendes mit einem Opel-Minivan Vorlieb nehmen, sie kamen deutlich verspätet zum Hochzeitsfest, was mein Vater damit entschuldigte, daß sein Auto, nachdem diese wunderschöne Braut nicht mehr mitfuhr, einfach nicht mehr weiterfahren wollte.
Es war dies übrigens das erste und einzige Mal, daß der Daimler den Dienst verweigerte und es lag nicht am Auto selber, sondern an der damals von der Versicherung geforderten, nachgerüsteten Wegfahrsperre, die irgendwann die enorme Hitze, die das Getriebe entwickelte, nicht mehr aushielt.
Beide Autos stehen übrigens bis heute in meiner Garage, und auch die Ehefrau ist bis heute dieselbe…
Sehr schöner Film über die Fertigung des Camargue und die Probefahrten in Sizilien:
Rolls Royce Camargue CineFilm2DVD Cine Film Transfer
Die Vorführung des Kofferraums „kann alles oder fast alles tragen“ in den „anni di piombo“ ist natürlich echter britischer Humor.