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Der Röhrl-Porsche 924 GTS

Herzklopfen

Es war als deutsch-deutscher Traum aufgegleist: Mercedes-Benz wird mit Walter Röhrl Rallye-Weltmeister. Mit der für ihn so typischen Akribie hatte Erich Waxenberger, der legendäre Stratege und Chef des Rallye-Programms der Sterne, alles geplant. 1980 bewährte sich der Mercedes-Benz 500 SL im Rallye-Trimm, für 1981 plante Waxenberger den ganz grossen Aufschlag, eben: den Sieg der Weltmeisterschaft. Die frisch gebackenen Fiat-Weltmeister Röhrl und Geistdörfer wurden gleich für fünf Jahre verpflichtet, dazu Ari Vatanen, der junge David Richards sollte ebenfalls zum Team gehören. Geplant waren nicht weniger als vier Fahrzeuge, die bei sämtlichen Rallies eingesetzt werden sollten. Waxenberger wollte den Titel – und er war sich sicher, dass er ihn bekommen würde.

Doch seinem Projekt wurde noch vor dem ersten Rollout der Benzinhahn abgedreht. In der entscheidenden Vorstandssitzung hatte Waxenberger die finanzielle Ausstattung für das gesamte Projekt gefordert. Plus das Entwicklungsbudget für einen Mittelmotor-getriebenen Allrad-Prototypen, der zukünftige Reglements erfüllen und jederzeit siegfähig sein würde (ja, Gruppe B). Doch Waxenberger hatte die Rechnung ohne die schwäbischen Erbsenzähler gemacht. Der Vorstand vertraute nicht auf sein Wort, denn Erfolg im Motorsport sei trotz aller eingesetzter Ressourcen nie planbar. Die Daumen senkten sich, Waxenberger schäumte. Er machte auf dem Absatz kehrt und verliess die Sitzung. Noch am gleichen Tag sollen drei bereits fertig aufgebaute Einsatzfahrzeuge verkauft worden sein. Waxenbergers persönlich eingesetztes Rallye-Begleitfahrzeug wurde verschrottet.

Das bedeutete aber auch: Walter Röhrl war über Nacht arbeitslos und ohne Einsatzfahrzeug für die Saison 1981. Für einen Fahrer mit Titelambitionen trotz des für damaligen Verhältnisse gigantischen Ausfallhonorars von 900‘000 DM keine sehr befriedigende Situation. Und so trat Porsche in das Leben des Langen.

Denn in Zuffenhausen war man der Situation in Untertürkheim durchaus gewahr, man lauerte auf die eigene Chance. Schliesslich dauerte es nach dem Durchsickern des Daimler-Vorstandsbeschlusses noch einige Woche, bis man Röhrl verpflichten konnte, denn: man hatte in Zuffenhausen schlicht noch kein Auto für den Weltmeister. Doch Roland Kussmaul, Rallye-Spezialist und Projektleiter der Rennabteilung bei Porsche, hatte einen Plan. Basis der Zusammenarbeit sollte der Porsche 924 Carrera GTS werden. Kussmaul setzte in der Folge viel persönlichen Einsatz und unzählige Nachtschichten in den schon vorhandenen 924 GTP, um Röhrl ein siegfähiges Gerät zur Verfügung zu stellen.

Nein, wir drehen hier das Rad der Zeit nicht noch einmal zurück, das haben wir schon gemacht in unserem Erfahrungsbericht zum grandiosen Porsche 924 GTS. So ein 924 GTS erschien Kussmaul als die ideale Basis. Und so bot man schliesslich auch Privatkunden ein Rallye-Paket an, das mit 145‘000 D-Mark Grundpreis noch einmal gehörig auf den per se schon horrenden Kaufpreis des Carrera GTS (Typ 937) aufschlug. Für das Geld bekam man aber nicht nur ein einsatztaugliches Rallye-Gerät, sondern auch einen nochmals auf 275 PS leistungsgesteigerten Motor, dessen Ausbaustufe für den normalen GTS nun auch als Clubsport-Umfang zu bekommen war.

Eines dieser Fahrzeug behielt Kussmaul zurück und bescherte ihm eine besonders liebevolle Sonderbehandlung. Trotzdem rechnete man sich wenig Chancen aus, es musste ja alles etwas schnell gehen. Die Maxime für die Saison mit Röhrl und Geistdörfer lautete folglich: Durchkommen! Im ersten der sieben Meisterschaftsläufe lief der 924 GTS tatsächlich noch nicht richtig rund, Röhrl konnte nur den zweiten Rang herausfahren. Der folgende Lauf, die Hessen-Rallye, wurde dann aber schon gewonnen. Es folgten Siege bei der Serengeti-Safari-Rallye, der Vorderpfalz-Rallye und der Baltic-Rallye. Die Premieren-Saison für den Porsche 924 Carrera GTS Rallye war mit Röhrl am Steuer nicht weniger als ein Durchmarsch. Doch nach nur einer Saison und 10‘371 Kilometer am Tacho sollte das Leben des goldenen Rallye-Helden schon wieder enden. Die Saison war beendet, der 924 GTS wurde weggestellt – und Röhrl zog es mit Opel wieder in die Weltmeisterschaft.

Vor ein paar Jahren nun wurde dieser Röhrl-Porsche wieder ausgepackt, in der Museum-Werkstatt vom Team um Kuno Werner mit viel Liebe und in enger Zusammenarbeit mit Roland Kussmaul restauriert – und Walter Röhrl zu seinem 74. Geburtstag vor die Haustür gestellt. Die Überraschung war auch geglückt, oder wie Röhrl sagte: «Ich war unheimlich verwundert, als plötzlich Roland mit diesem Auto angefahren kam.» Und auch wenn es nicht so klingt, hat sich der zweimalige Rallye-Weltmeister sehr über das Wiedersehen gefreut, denn es hat ihm die Tür zu Porsche geöffnet.

Auch ich war etwas verwundert, als ich kürzlich hinter dem Porsche-Museum stand. Ich hatte mit Kuno Werner eine Ausfahrt in einem der 50 gebauten Porsche 924 GTS ausgemacht. Der stand auch tatsächlich da. Aber neben ihm stand auch noch das goldene Röhrl-Auto – zum ersten Mal überhaupt kamen Basis und Renn-Fahrzeug zusammen. Das stellte mich dann vor etwas logistische Schwierigkeiten, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Vor allem aber bescherte es mir: Herzklopfen.

Zuerst, selbstverständlich, war da die Ausfahrt mit dem 924 GTS (siehe oben). Vor dem Röhrl-Auto hatte ich: Respekt. Und bat deshalb Kuno, das Fahrzeug durch den Vorstadt-Verkehr in ländliche Gefilde zu bewegen. Er ist tatsächlich ein Bock, der Röhrl-924-GTS, die Kupplung kommt weit oben und spitz, der Turbo kommt grob, zu Beginn verschluckt sich die Maschine gern. Alles knarrt und vibriert und lärmt, klar, «because racecar»; es riecht auch heftig nach Benzin. Irgendwann ist der Porsche dann warm genug, Kuno überlässt mir das Lenkrad, wir ziehen wieder durch diese schönen Biegungen im Schwäbischen. Nein, wild treiben wir es nicht, wir können und wollen hier jetzt nichts schreiben von Haftungsgrenzen und anderen Grenzbereichen, davon sind wir weit entfernt. Aber wir können uns gut vorstellen, dass der Walter Freud‘ hatte an diesem Wagen, der zwar leicht wirkt und gleichzeitig sehr bodenständig, der wunderbar ausbalanciert ist und vom Meister mit Garantie genau so bewegt werden konnte, wie er es am liebsten hatte: präzis und dann schnell.

Vielleicht hätte er auch noch Potenzial gehabt, der 924er. Aber es kam ja dann die Gruppe B, da hatte Porsche wieder andere Pläne. Und wieder einmal musste der Transaxle-Porsche in den Schatten seines berühmteren Bruders zurücktreten. Ich aber habe jetzt meinen Frieden gemacht mit dem Porsche 924, nie wieder werde ich ihn unterschätzen.

Es gab aber da noch mehr dieser Porsche 924 GTS, die im Rallye-Sport eingesetzt wurden. Das Fahrzeug unten, Chassis-Nummer WP0ZZZ93ZBS710021, einer von 15 Clubsport, wurde von Carlos Noce für sein «Sportwagen»-Team gekauft. Der GTS wurde 1982/83 zumeist von Mazzoni/Castagnara bewegt, für mehr als Achtungserfolge reichte es aber nicht. Aber er sieht halt gut – und ist über Private Sales bei RM Sotheby’s auch zu kaufen, 350’000 Euro sind gefragt.

Mehr schöne Geschichten haben wir in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. DaDone503 DaDone503

    Jetzt erst gelesen. Wie immer ein Liebhaberbericht von einem Autofreund.
    Unverfälscht, ehrlich, manchmal roh – aber immer lesenswert.
    Eine der besten Auto Blogs; nichjt zuletzt wegen der schönen Bilder.
    Bitte nicht aufhören – Servus.

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