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Auto China 2024

Die Umverteilung des Kuchens

Es war wahrlich ein Fest, diese Auto China 2024 in Peking. Ich bin ja nicht wirklich ein Freund von Auto-Messen, es hat mir da zu viele Menschen – und in Peking hatte es wahrlich viele, viele Menschen auf einer erfreulich kompakten Fläche. Allein schon mehr Influencerinnen (siehe Bilder) als insgesamt Besucher am Genfer Salon. Und das war eine Freud’ zu sehen, vor allem auch, weil es viele junge Menschen waren, die sich an den Exponaten erfreuten – also jene, die sich anscheinend so gar nicht mehr für das Automobil interessieren. Aber es gab tatsächlich auch viel zu sehen, 117 Weltpremieren sollen es gewesen sein – keine Angst, wir werden sie hier nicht einzeln beschreiben, etwa 120 davon werden den Weg nach Europa eh nicht finden. Und dem ist auch gut so, wenn auch aus ganz anderen Gründen, als die westliche (Auto-)Welt wohl gerne lesen würde.

Aber beginnen wir doch ganz woanders. In den ersten zwei April-Wochen wurden in China erstmals mehr «New Energy Vehicle» (NEV, also Fahrzeuge mit Stecker, reine Stromer und Plug-in-Hybride) als klassische Verbrenner verkauft, ziemlich genau 260’000 Stück, der Marktanteil lag bei 50,39 Prozent. Das ist zwar nur eine Momentaufnahme, auch die chinesischen Analysten gehen davon aus, dass die NEV 2024 noch nicht die Macht übernehmen werden. Aber sie müssen ihre Prognosen laufend anpassen, noch zu Jahresbeginn ging man von 2028 aus, unterdessen ist es eher 2026. Oder dann halt 2025. Im Gegensatz zu Europa, Amerika und Japan ist der Siegeszug der Stromer in China nicht mehr aufzuhalten.

Das hat verschiedene und gute Gründe. Zuerst einmal: Der Staat will das so – und er setzt das auch durch. Wenn die Parteiplüschetage sagt, dass alle Taxis in Peking elektrisch fahren müssen, dann fahren innert zweier Jahren alle Taxis rein elektrisch. Noch gibt es in China wenig Beschränkungen für Autos mit blauen Nummerschildern (das sind die reinen Verbrenner und milden Hybride), doch das wird kommen – und dann ist man halt besser gerüstet mit einem grünen Nummernschild (also einem NEV). Doch der Staat tut halt auch seinen Teil dafür, dass NEV begehrenswerter sind als ICE, es wird heftig in die Ladeinfrastruktur investiert, man pusht jetzt 500-kW-Schnellader, schon 2026 sollen 1000 kW Standard sein – und damit wäre dann das Thema Ladegeschwindigkeit vom Tisch. Über Reichweiten braucht man – zumindest in China – eh schon länger nicht mehr zu diskutieren. Dass ein E-Auto im Dauerstau von Peking oder Shanghai halt einfach auch mehr Sinn macht, gehört eigentlich nicht hierher, eigentlich geht es ja um Fahr-Zeuge. Wichtig ist aber: Der Staat hat eine Linie, einen Plan – und den zieht er verlässlich durch.

Dann: das Angebot. Es sind in China derzeit rund 450 verschiedene NEV auf dem Markt, Tendenz fast täglich steigend. Nicht nur bei den Stromern ist das Angebot längst nicht mehr überschaubar, derzeit kommen auch ganz viele PHEV frisch auf den Markt, vorzugsweise mit rein elektrischen Reichweiten von über 200 Kilometern; auch der Range Extender erlebt eine Wiedergeburt, auf sehr hohem technologischen Niveau. Dongfeng will in sehr absehbarer Zeit mit einem PHREV, also einem Plug-in-Hybriden mit Range Extender und gefühlt 20 verschiedenen Fahrmodi, auf den Markt kommen, mit dem professionelle Spritsparer bei ersten Versuchen über 2000 Kilometer weit gefahren sein wollen. Für was man das braucht, erschliesst sich mir jetzt auch nicht wirklich, andererseits gibt es in China schon Landstriche, da ist die nächste Tankstelle (sowohl für Benzin wie auch für Strom) einen strammen Tagesausflug weit entfernt.

Über den aktuellen Stand der Batterie- und Lade-Technologie haben wir schon mehrfach ausführlich geschrieben, zum Beispiel hier, man kann es als gegeben ansehen, dass die Chinesen dem Rest der Welt längst enteilt sind. Volkswagen scheint das zu merken, man will grosse Teile der Fahrzeugentwicklung nach China auslagern; Toyota hat sich seine zwei neuen E-Fahrzeuge von BYD entwickeln lassen, die Technik ist komplett chinesisch. Doch es geht halt noch viel mehr ans Eingemachte: Während sich die etablierten europäischen und amerikanischen Hersteller in Sachen Software reihenweise ins Bett von Google legen (und dadurch noch mehr eigene Kompetenz verlieren) oder an der eigenen Unfähigkeit verzweifeln, hauen die Chinesen ebenfalls reihenweise eigene fahrende Smartphones und Spielkonsolen mit eigener Software vom Band. Das ist in China extrem wichtig, die Kunden wollen Karaoke im Auto und Bezahl-Maschinen und Chat-Funktionen und rollende Kino-Säle und Büro-Anbindungen. Was ja nicht weiter wundert, wenn man eh nur im Stau steht. Oder ein bisschen unterhalten werden will auf den 1000 Kilometern bis zur nächsten Tankstelle. Wir können das nicht überprüfen, ob das auch alles funktioniert, aber der Kampf ist bretterhart in China, da kann man sich bei diesen Gimmicks keine Schwächen erlauben. Doch auch da sind die Chinesen halt allein schon vom Mindset viel weiter als unsereins, sie haben alle WeChat auf ihrem Smartphone – und WeChat kann alles, kaufen, verkaufen, navigieren, plaudern, streamen, Flüge und Hotels buchen, Buchhaltung, Ehepartner suchen. Wir haben diese eine App bei unserem Aufenthalt in China auch benutzt – und sind immer noch ein bisschen sprachlos.

So langsam müssen wir nun aber zum Punkt kommen, zur Umverteilung des Kuchens. Aus obigen Zeilen könnte theoretisch hervorgehen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die chinesischen Marken mit ganz einfach besseren Produkten Europa und die USA überrollen werden. Doch das ist gar nicht ihr Ziel, nice to have, denn gerade in Mitteleuropa sind die Margen ja absolut grossartig, ein bisschen Ruhm und Ehr’ könnte allenfalls auch noch abfallen, wenn man die bekannten Grössen wie Porsche oder Audi so richtig abledert. Doch man muss es klar sehen: Spätestens 2028 werden in China so viele Auto verkauft wie in Europa und den USA zusammen. Dort, im Reich der Mitte, spielt die Musik – alles andere sind nur noch Nebengeräusche. Wer in China gross sein wird, der wird wirklich gross sein, kleinteilige Märkte wie die Schweiz oder Grossbritannien werden dabei quasi stündlich uninteressanter, die müssen über kurz oder lang nehmen, was sie noch kriegen. Also ein paar Alfa oder Opel oder Volkswagen oder aufgefrischte Diesel-Benzen, die sich in China nicht verkaufen lassen.

Und jetzt kommt eben der Umkehrschluss: Für die etablierten Europäer sind in Europa nicht die chinesischen Fahrzeuge das Problem – sondern, dass sie in China schon in sehr absehbarer Zukunft keinen Fuss mehr auf den Boden kriegen werden. Jahrzehntelang haben VW, Mercedes, BMW, sogar GM in China so richtig, richtig gut Geld verdient, Containerschiffe voller Geld schwammen nach Wolfsburg. Stuttgart, München, sogar Detroit. Davon zahlte man easy die ganze Forschung und Entwicklung und auch noch reichlich in die Markenbildung ein, so richtig fett auf Image-Konto und für die Formel 1 und für die Platin-Fallschirme der Führungsnieten. Doch das fällt dann wohl schon übermorgen weg, die Europäer und Amerikaner und Japaner haben in China gegen die Chinesen keine Chance. Und dabei geht es gar nicht um Patriotismus, sondern schlicht und einfach um das bessere, für die lokalen Bedürfnisse passendere Produkt. Genau dieser Umbruch wird für so richtig grosse Verwerfungen sorgen, die fettefette Kirsche oben auf dem grossen chinesischen Kuchen fressen in Zukunft nämlich die Einheimischen selber. Und sagen Sie dann nicht, wir hätten es nicht vorausgesagt.

7 Kommentare

  1. Ingo Ingo

    Eine gute Analyse der Situation und wahrscheinlich richtig. Andererseits wir Dinosaurier die mechanische Autos, Uhren, handgefertigte Schuhe und Anzüge schätzen und das Mobilfunkgerät noch zum telefonieren nutzen sagt sich: sollen die doch den ganzen Entertainmentschrott für sich behalten und wir machen weiter mit dem wesentlichen. Aber wahrscheinlich habt ihr recht: die Zeche zahlen wir jetzt selbst und leben nicht mehr von den tollen Erträgen in Asien.
    Mal sehen…

    • Peter Ruch Peter Ruch

      Gerade die mechanischen Uhren sind doch ein gutes Beispiel, die waren ja auch schon so gut wie tot. Ich gehe davon aus, dass es immer genügend Liebhaber von schönen, mehr mechanischen Automobilen geben wird, dass sich die Produktion weiter lohnen wird. Aber es wird halt eine Nische werden (dafür sorgt ja die Politik) – in und mit der sich aber ganz gut leben lässt.

  2. sam sam

    Hallo Herr Ruch
    Wie immer ein toller Artikel, auf den Punkt danke.
    Mich würde ihre Einschätzung interessieren was Brand/Image auf dem chinesischen Markt betrifft. Die europäischen Volumenhersteller werden in China grösse Mühe haben, aber was ist mit Porsche, Aston Martin, Maserati u.ä., wo wir ja unterstellen könnten, dass sie aufgrund Image/Brand erfogreich sein können?

    • Peter Ruch Peter Ruch

      Das ist nun halt die Frage. Technologisch und Software-technisch hat – im E-Bereich – nicht einmal Porsche eine Chance, von Aston ganz zu schweigen. Das jüngere Publikum wird sich deshalb wohl mehr den neuen Marken zuwenden, die ja gerade im Design massiv in Europa eingekauft haben, da auch zeitgemässe Produkte anbieten können. Die Luft wird deshalb dünner auch für die Brands mit grossartiger Geschichte, denn das interessiert in China viel weniger, man hat ja auch keine Rennsport-Tradition, Le-Mans-Siege von 1959 sind so spannend wie ein umfallender Sack Reis (vor allem, weil in China diese Geschichten auch niemand erzählt). Aber es wird immer eine Kundschaft geben, die solche Sachen schätzt und ehrt, die lieber eine Patek trägt als eine Swatch, die Brioni von Boss unterscheiden will – ob das dann auch reicht, das ist schwierig zu beurteilen. Bisher stand so ein Panamera in China quasi allein, doch jetzt kommt ein Denza GT9 und fährt ihm um die Ohren, in jeder Hinsicht. Am Schluss geht es um die USP, ein 911 steht wie ein Monolith, den kann man weder kopieren noch besser machen – ein elektrischer Macan dagegen oder ein Grecale Folgore, das ist Dutzendware mit bereits jetzt veralteter Technik, weshalb sollte man den noch kaufen?

  3. maxi moll maxi moll

    Ne!

    Wenn ein Markt wie Europa mit 600 Millionen Menschen, meint, er sei zu
    klein und man müsse sich in China prostituieren und seine eigenen Skills
    und seine Seele, seinen Design, unsere Art der Vielfalt zu ver raten und zu
    vergessen, nur um irgend welche Kisten mit Blink Blink und Nonsense als
    letzten Schrei zu verkaufen, der ist verkauft.

    Es wird immer von SOFTWARE gesprochen?
    WELCHE ? HIRNTOT FERNGELENKT KI?

    Oder ist es der HITEC COMPUTER GEHIRN IM MENSCHEN DER DENKT UND LENKT?
    DEN 911 er, der ein Skalpell ist.
    Der Dumme und Einfältige, der I-klo äääwsome schreit, ja der der sitzt im Grabwagen von Täsle und Co. Und dem reverse Inegneering schrott aus China.

    Ps ich programmiere Quantencomputer und arbeite an dem was manche den Warp-antrieb nennen.
    in meiner Freizeit Autoschrauben..
    Und ich mag meinen 911.
    Der kann. 24 7 365 100 oder 1000 Jahre.

    Wer auf Sozialkredit, Diktatur, Lüge und Müll steht, der möge in China kaufen.
    Ich sag nur . DUMM GE LAU FEN.

    ääääääääääääääääääääääääääääääääwsome.. ( der Freundenschrei eines Schafes)

  4. Holger Holger

    Sehr schön beschrieben und gut erkannt. Ich lebe in Asien und kenne natürlich auch die Chinesische Mentalität. Genau so sehe ich es auch.
    Und vielleicht kommt dann noch Indien, noch mal so viele Menschen. Da ist Europa und USA ein Fliegenschiss…
    Aber das will ja keiner hören. Statt sich da anzupassen geht man auf Konfrontation und sucht den nächsten Konflikt. Danke USA

  5. Geggi Geggi

    Wie dumm und überheblich kann sein, dass man denkt, dass die Chinesen bis zum Sanktnimmerleinstag unsere Werkbank bleiben wird, die brav unser Plunder kauft?
    Was für europäische Elektroautos spricht?
    Renault macht es vor: Designed UND Made in Europa bzw. bald mal ziemlich kpl. in Frankreich inkl. Zellen.
    Richtig gute E-Autos, trotz Europaproduktion vernünftiger Preis.
    Auf meiner Liste steht in Zukunft sicher kein 100% Chinese wie Smart Mercedes oder Mini BMW, abrr sicher Megane oder Scenic.

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