Keinen Tesla zu kaufen, muss man sich leisten können
Nein, wir gehören nicht zur Tesla-Sekte. Doch wenn jemand fragt, welches E-Auto er denn in Betracht ziehen soll, nennen wir immer zuerst einen Tesla, bestes Verhältnis von Preis zu Leistung (seit dem letzten Preisabschlag erst recht), Bedienerfreundlichkeit, vor allem aber: Infrastruktur, Lade-Möglichlichkeiten und -Verhalten, Planbarkeit. Was die Alltagstauglichkeit angeht, da sind die amerikanischen Stromer ihrer Konkurrenz weiterhin um etwa zwei Flüge zum Mars enteilt. Ja, ein Porsche Taycan ist ganz ok, kostet aber vielviel Geld, der BMW i4 macht mehr Fahrspass als jeder Tesla, ein Renault Megane punktet beim Stromverbrauch. Aber eben, in der Summe gleiten die Tesla weiterhin auf einem ganz anderen E-Niveau.
Und man kann, muss davon ausgehen, dass die Amerikaner ihre E-Konkurrenz jetzt so richtig an die Wand fahren. Das ist sicher das Ziel des Preiskrieges, den sie jetzt begonnen haben, Abschläge von bis 10’000 Euro/Franken auf bestimmte Modelle, Nachlässe von bis zu 15 Prozent. Das ist schon heftig in einem Segment, in dem bislang wohl nur Tesla selber Geld verdient. Viel Geld verdient, 12,6 Milliarden Gewinn waren es im vergangenen Jahr – und das obwohl es neue Fabriken zu stemmen gab, Lieferschwierigkeiten bestanden, der Markt bei weitem nicht so ausgereizt wird wie angedacht. Wenn nun ein Model 3 schon für knapp über 40’000 Euro/Franken zu haben ist, dann werden Volumenhersteller wie der Volkswagen-Konzern oder Toyota damit ein Problem haben, denn ihre Produkte sind allesamt teurer, bieten aber weit weniger. Oder anders ausgedrückt: Man muss es sich als E-Käufer leisten können, keinen Tesla zu die engere Wahl zu ziehen.
Und das wird noch heftiger werden, bei Tesla bleibt noch viel Raum für weitere Aktionen; in China ist das Model 3 schon für umgerechnet weniger als 32’000 Dollar zu haben. Man kann also davon ausgehen, dass Elon Musk und sein hochbegabtes Team auch nach den jüngsten Rabatten weiterhin viel Geld verdienen an jedem Fahrzeug. Während gerade bei VW die Marge bei den Stromern sehr, sehr dünn sein soll, sofern sie denn überhaupt vorhanden ist. Dass die Amerikaner zudem intensiv an einem kleineren Modell arbeiten, dass dann 25’000 Dollar oder noch weniger kosten soll, ist bekannt. Und es wird ein weiterer Tiefschlag sein für die bekannten Hersteller: Stellantis-Chef Tavarez erklärte kürzlich in einem Gespräch, dass ein europäisches E-Auto für weniger als 25’000 Euro wohl kaum vor 2030 möglich sein werde. Man kann es sich in etwa vorstellen, was das im Kampf um Marktanteile bedeuten wird.
Doch bevor dieses kompaktere Fahrzeug und wohl auch der Cybertruck kommen, arbeitet Tesla an einer weiteren Evolution in der Herstellung seiner Fahrzeuge, das Projekt soll den Namen «Highland» tragen. Bereits jetzt sind die Herstellungskosten bei den Amerikanern auf einem in der Industrie vergleichsweise sehr tiefen Niveau, auch deshalb, weil sie weniger von Zulieferern abhängig sind als andere Produzenten. Doch nun wollen sie die Zahl der verbauten Teile noch weiter minimieren, die Komplexität des Interieurs vereinfachen, gerade für die günstigen Basis-Versionen weniger Optionen anbieten. Das zielt einzig und allein darauf, die Kosten weiter zu senken – und damit die eigene Marge weiter zu erhöhen. Die neue Gigafactory in Texas soll bereits für diesen neuen Herstellungsprozess ausgerüstet sein. Damit das klar ist: Musk streitet längst nicht mehr mit VW, Benz & Co. um die Vorherrschaft, er wappnet sich gegen die Chinesen, die gerade im Bereich der Produktion über ganz andere Möglichkeiten verfügen als die Europäer und Amerikaner.
Da kämpfen die bekannten Marken mit ganz anderen Problemen. Toyota hat sein ganz aktuelles E-Programm in Frage gestellt (und damit wohl auch gleich schon wieder verabschiedet), will eine komplett neue Strategie und damit auch Plattform entwickeln. Dafür soll anscheinend sogar eine Kooperation mit dem chinesischen Riesen BYD in Erwägung gezogen werden. Im Volkswagen-Konzern ist man sich der Problematik des aktuellen und schon wieder veralteten elektrischen Baukastens MEB bewusst, bringt noch in diesem Jahr MEB+, doch alle weiteren Anstrengungen für tieferreichende Verbesserungen und weiterführende Neuerungen scheinen sich massiv zu verzögern; die neue Oberklasse-Plattform PPE verschiebt sich immer weiter nach hinten, das Projekt «Trinity», geplant für 2026, landet wohl in den Schubladen. Denn eines ist klar: Hersteller, die ihre Fahrzeug nicht über einen Zentralrechner und mit eigener Software steuern können, stehen jetzt schon auf verlorenem Posten.
Denn wer weiss, was bis 2026, also in den nächsten drei Jahren alles noch passieren wird? Es braucht jetzt viel Tempo, eine extreme Flexibilität (im Geist, in der Produktion) – und ein ganz grosses Portemonnaie. Das alles haben derzeit wohl nur Tesla, Toyota, einige chinesische Hersteller und mit ein paar Abstrichen noch Hyundai/Kia. Den seit Jahrzehnten etablierten europäischen Herstellern steht ihre Geschichte im Weg, sie glauben, ihr mit teurem Marketing gepflegtes Image verteidigen zu wollen, weiterhin Heerscharen von klassischen Ingenieuren beschäftigen zu müssen, neue Automobile über einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren entwickeln zu können. Man lächelt dann in Stuttgart, Paris, Wolfsburg und in der Presse gern über Tesla sowie die Chinesen, lästert über ihr Design, die Verarbeitungsqualität, die nicht eingehaltenen Versprechen für Auto-Piloten und andere Nebenschauplätze. Dabei sind genau das Nichtigkeiten, das Spiel wird auf ganz anderen Feldern entschieden. Oder ist es wahrscheinlich schon. Denn es ist ja nicht so, dass man bei Tesla jetzt die Füsse auf den Tisch legt und sich auf seinen Lorbeeren ausruht. Und da sind ja noch die Chinesen, das sind auch keine Nasenbohrer.
Nicht zu vergessen die komplett überdimensionierten Garagenbetriebe der „Etablierten“. Was da für ein Brimborium veranstaltet wird. Braucht auch keiner.
Extrem gute Zusammenfassung, herzlichen Dank! In 2030 werden Tesla und zwei oder drei Chinesen den Markt beherrschen. Toyota, GM und ein paar andere heutige Größen wird es nicht mehr geben. Alle Anderen werden bestenfalls in Nischen überleben, zB Mercedes im Luxussegment.
Ich unterstreiche die gute Zusammenfassung, widerspreche dir aber bei Toyota: Wenn du mal im asiatischen Raum unterwegs bist und die Massen von Toyotas in jeder Grösse und Form siehst (Toyotas, die man in Europa gar nicht kennt), dazu noch die Erfahrung berücksichtigst, die Toyota über viele Jahre mit der Akku-Technologie in ihren Hybrids gesammelt haben, sie gar die Zusammenarbeiten BYD suchen, dann wird dir klar, dass Toyota noch produzieren wird, während die deutschen Marken nach China verkauft werden wie zB Grundig oder Volvo.
[…] Tesla oder: Ist das Spiel entschieden? […]
Erstaunlich, ein wie guter Volkswirtschaftler Carlos Tavares ist.
Und seine Aussagen passen 1:1 zu Peters Analyse.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/carlos-tavares-stellantis-chef-prognostiziert-darwinismus-in-der-autoindustrie-a-b7dee593-a290-4075-99f6-159d5f9b03c0