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Alfa Romeo 33 Stradale

Aber warum?

Wir wissen nun auch nicht so recht, was wir davon halten sollen. Doch es besteht in der Auto-Industrie anscheinend immer wieder das Bedürfnis, alte, grosse Namen wieder aufleben zu lassen. Ist das Phantasielosigkeit? Klar kann ein Ferrari auch «Daytona» heissen, auch wenn dann alle gleich an den 365 GTB/4 denken (der offiziell gar nie Daytona geheissen hat), man kann auch die Marke Bizzarrini wieder zum Leben erwecken nach mehr als 50 Jahren, oder ein komplett neues Auto DeTomaso nennen. Oder Mini, obwohl es eher Maxi ist. Oder Smart. Die Reihe ist fast endlos – und hat nun noch Zuwachs erhalten: Alfa Romeo 33 Stradale.

Immerhin hat man das Tipo weggelassen, so total in die Nesseln setzen wollte man sich dann auch nicht. Aber, jetzt einmal Hand aufs Herz: Wer ausser wahren Alfisti und Design-Fanatikern kennt ihn schon, den Alfa Romeo Tipo 33 Stradale? Auch Fans der Marke werden bei 33 eher an das Kompakt-Modell denken, das als Typ 905 von 1983 bis 1994 gebaut worden war und nicht ausschliesslich zum Ruhm der Marke beigetragen hatte. Und auch das wahre Ding, der Tipo 33 Stradale, von dem ab 1967 vielleicht acht, vielleicht auch bis zu zwölf Exemplare gebaut wurden, war ja jetzt nicht wirklich ein Erfolgsmodell, ganz im Gegenteil: sie rissen ein tiefes Loch in die Kasse von Alfa Romeo. Nicht einmal als Rennwagen waren die Tipo 33 wirklich erfolgreich, grosse Titel gab es erst nach einer kompletten Neukonstruktion mit einem klassischen Alu-Rohrrahmen, 1973, 1975. Die Fahrzeuge hiessen dann auch 33TT12 und 33SC12. Ein Witz, den man erklären muss, gilt kaum je als guter Witz. Und nein, wir schreiben hier auch die Geschichte nicht schöner, das überlassen wir gerne Stuttgart.

Gut, man kann versuchen, eine ewige Design-Ikone in den Mittelpunkt zu stellen. Doch auch hier ist wieder die Frage: Wer kennt schon Franco Scaglione, ausser Insidern? Es ist keiner der grossen Namen, nicht Pininfarina, nicht Bertone, nicht Giugiaro – Scaglione, geboren 1916, hat zwar einige wirklich grossartige Fahrzeuge entworfen, die B.A.T.-Alfa, die Giulietta Sprint, die Giulietta SS, den allerersten Lamborghini. Doch er zog sich 1981 frustriert aus dem Designer-Geschäft zurück, lebte unerkannt zurückgezogen in einem Dorf in der Toskana und verstarb 1993. Grosse Ehren wurden ihm, leider, Zeit seines Lebens nie zuteil – und seine Tochter Giovanna Eugenia wurde von Stellantis nicht einmal zur Weltpremiere des Alfa Romeo 33 Stradale eingeladen. Soviel zur Wertschätzung.

Aber beginnen wir doch noch einmal von vorne: Vor noch nicht einmal zwei Jahren lud Alfa Romeo einige gute Kundinnen und bekannte Sammler nach Monza ein, präsentierte ihnen das Projekt «33 Stradale» – und bat um Mitarbeit. Die Idee war, die genau 33 potenziellen (und finanziell potenten) Käufer von Anfang an in die Entwicklung des Fahrzeugs einzubinden. Die Basis war vorgegeben, das neue Fahrzeug sollte technisch auf der Plattform des Maserati MC20 stehen, also sowohl als Benziner wie auch als E-Sportwagen erhältlich sein, doch sonst war man offen für sämtliche Vorschläge. Man gründete die «Bottega», eine Art Club, deren Mitglieder sich aus diesen Kunden, Ingenieuren und Designern von Alfa, Interieur- und Material-Spezialisten aus ganz Italien und sicher ein paar Führungskräften von Stellantis zusammensetzte.

Alfa-Chef Imparato sagt, der Input sei extrem «zielführend» gewesen. Was genau die Käufer alles an Ideen einbrachten, das wird nicht kommuniziert, aber man sieht schon nette Details am Alfa Romeo 33 Stradale genannten Fahrzeug, die man wohl Input von aussen zurechnen darf. Das gilt ganz besonders für das Innenleben des Alfa Romeo, das in zwei Varianten kommt, «Tributo» ist mehr so klassisch, «Alfa Corse» dann sehr sportlich. Wir sehen aber auch Harpunen, die mit dem «Original» gar nichts zu tun haben, andere Kleinigkeiten, die wohl mehr aktuellen Moden als «Retro» geschuldet sind.

Technisch, es wurde schon erwähnt, basiert der 33 Stradale auf dem Maserati MC20. Es wird ihn also sowohl mit dem famosen 3-Liter-V6, genannt «Nettuno», wie auch in einer rein elektrischen Version geben, bei Maserati als «Folgore» bezeichnet. Hinter vorgehaltener Hand spricht Alfa Romeo davon, dass das «Nettuno»-Projekt eh bei Alfa Romeo seinen Anfang genommen habe, dass sich jetzt der Kreis wieder schliesse. Wir haben davon noch nie gehört, doch wiee auch immer: Beim Benziner sind es wohl 630 PS, die über ein 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe von ZF an die Hinterräder geschickt werden, beim Stromer kommen über 750 PS an alle Räder, dies dann mit ausgeklügeltem Torque Vectoring. Genaue Zahlen will Alfa Romeo nicht nennen, doch die grosse Mehrheit der 33 Kunden setzt auf den Benziner. Der weniger als 1500 Kilo wiegen soll, dies im Gegensatz zum über zwei Tonnen schweren Stromer. Beide Versionen sollen in weniger als drei Sekunden von 0 auf 100 km/h rennen, für die «Nettuno»-Version verspricht Alfa Romeo von 333 km/h.

Selbstverständlich wurde der Unterbau des Maserati MC20 nicht einfach so übernommen, selbstverständlich wurden so ziemlich alle Komponenten angefasst, neu kalibriert, das Fahrwerk, die Bremsen. Der Alfa ist geringfügig kürzer (4,64 anstatt 4,67 Meter), genau gleich breit (1,97 Meter), etwas höher (1,23 anstatt 1,22 Meter); der Radstand bleibt mit 2,7 Metern genau gleich. Gebaut werden die Fahrzeuge nach den individuellen Vorstellungen der neuen Besitzerinnen übrigens bei der vor ein paar Jahren wieder auferstanden Carrozzeria Touring Superleggera. Und für die Abstimmung des Fahrwerks zeichnet Formel-1-Pilot Valtteri Bottas verantwortlich. Es wird also sicher ein feiner Wagen werden, wir hatten den Maserati MC20 ja im vergangenen Jahr immerhin zu unserem «Auto des Jahres» erklärt.

Aber darum geht es beim besten Willen nicht, Supersportwagen gibt es wie Sand am Meer – und ein richtiges grobes Hypercar ist der Alfa Romeo 33 Stradale nicht. Es geht um dieses gewisse Extra, dieses eigentlich unerklärliche «Mehr», das aus einem feinen Wagen das ewige «Haben-Wollen» macht. Es kann dies die Geschichte sein, die Technik, das Design, am besten: alles. Viele dieser «ewigen» Fahrzeuge gibt es nicht – und wir fragen nun Roberto Giolito, einst Schöpfer des Cinquecento und des unterschätzten Multipla, heute oberster Hüter der Schätze der Vergangenheit der italienischen Marken des Stellantis-Konzerns. Unter seiner Obhut befindet sich auch der Alfa Romeo Tipo 33 Stradale aus dem Jahr 1967, der im Centro Storico von Alfa Romeo steht und sicher eines der wertvollsten Ausstellungsstücke ist. Noch für so manche Betrachterin ist der von Franco Scaglione gezeichnete Tipo 33 Stradale der schönste Sportwagen der Welt, ja, auch für «radical», selbstverständlich hat auch Giolito eine ganz besondere Beziehung zu diesem Fahrzeug, von dem nur gerade 18 Chassis entstanden und das Ende der 60er Jahre das teuerste italienische Automobil überhaupt war.

Wir stellen Roberto Giolito also die Gretchen-Frage: Und? Es folgt zuerst einmal der übliche Schwall italienischer Überschwänglichkeit, Giolito hat als braver Stellantis-Mitarbeiter die PR-Mitteilung natürlich auch intus, er spricht von der Chance, die dieses Projekt Stellantis bietet, von der grossartigen Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilung und den Kunden, die ihre Wünsche und Vorstellungen einbringen konnten. Das hatte kurz zuvor Alfa-Chef Jean-Philippe Imparato auch schon erzählen, also braucht es eine Unterbrechung, wir werden deutlicher, also, Herr Giolito: Was würde denn Franco Scaglione von der neuen Interpretation seines Meisterwerkes halten? Jetzt wird Giolito konkreter: «Hätte Scaglione damals die Möglichkeiten gehabt, die wir heute haben, dann hätte sein Design wohl jenem unseres Fahrzeugs sehr ähnlich gesehen. Aber er hatte damals keinen Windkanal, Abtrieb war noch nicht so sehr ein Thema, Frischluftzufuhr für den Motor auch nicht, Sicherheit sowieso nicht – und Funktionalität ein Fremdwort. Heute müssen wir viel mehr Komponenten berücksichtigen – Scaglione arbeitete mehr nach seinem Bauchgefühl, mit Emotionen.» Giolito, der mit seinem Ausstellungsstück auch an einigen dieser «Bottega»-Treffen dabei war, beschreibt die Stimmung dort als sehr «kreativ» und «effizient».

Doch wir kommen, beharrlich wie wir sind, doch noch einmal auf das Thema Design zurück. Giolito. «Der Tipo 33 Stradale von 1967 war ein sehr organisches Design, alle Formen standen in einer logischen Folge, die Rundungen führten zu einer wohl einmaligen Harmonie des Gesamt-Fahrzeugs. Dass der Tipo 33 als absolutes Meisterwerk gilt, ist verständlich, die Mischung zwischen kindlicher Fröhlichkeit und extremer Aggressivität lässt niemanden unberührt. Heute kann man das so nicht mehr machen, der Heckdiffusor, zum Beispiel, ist unabdingbar, sonst könnte das Fahrzeug seine Leistung gar nicht auf den Boden bringen. Aber ich glaube, wir konnten viele schöne Reminiszenzen einbringen, sie neu, sehr modern interpretieren, zum Beispiel die Lampen. Der neue 33 Stradale soll ja kein Retro-Auto sein, sondern ein extremer Sportwagen mit extremen Fahrleistungen». Der 33 Stradale soll auch nicht das letzte Werk sein, das innerhalb des Stellantis-Konzerns «fuoriserie» entstehen wird. Giolito verweist dabei auf «seinen» Abarth 1000 SP, der 2021 angeschoben wurde und von dem anscheinend fünf Exemplare entstanden. Und er spricht gern von der guten Zusammenarbeit innerhalb des Konzerns, für die jetzt mit dem Alfa Romeo 33 Stradale die Grundlage für weitere Projekte geschaffen wurde.

In die Schweiz kommen mindestens drei dieser Alfa Romeo 33 Stradale, nach Deutschland drei oder gar vier. Über Geld spricht man da nicht, aber die Vermutung, dass der Preis auch etwas mit einer 3 und sechs weiteren Stellen dahinter zu tun hat, ist wohl kaum von der Hand zu weisen. Es ist zu hoffen, dass man sie auch dann und wann auf der Strasse sieht, es wäre schade, wenn sie hinter die verschlossenen Türen von Sammlungen verschwinden würden. In zwei Jahren auf Auktionen kommen, elf Kilometer. Auch für Alfa Romeo wäre es wichtig, wenn man nach dem zwischen 2007 und 2010 gebauten 8C Competizione wieder einen feinen Werbeträger für das «Cuore Sportivo» hätte. Der Tonale ist es nicht.

Gut, dann also die Gegenfrage an uns selber: Was halten wir denn selber vom Alfa Romeo 33 Stradale? Wir empfinden den Bezug auf den «echten» Alfa Romeo Tipo 33 Stradale als doch ziemlich: bemüht. Die angedeutete Form einer Frontlampe macht noch keinen Frühling. Das Design des neuen Produkts mag von Sicherheitsbestimmungen und Abtrieb und Höchstgeschwindigkeit definiert sein, doch es ist halt genau deshalb: kein grosser Wurf. Ein feiner moderner Supersportwagen, aber keine Ikone für die Ewigkeit – da ist zu viel angepapptes Karbon, wilde Diffusoren, eine eher angestrengtes Suchen nach gewissen Ähnlichkeiten. Hätte Alfa das Projekt als 2023 bezeichnet oder Monza oder Schwarzwäldertorte, dann wären die Erwartungen deutlich geringer gewesen – jetzt lassen sie sich nicht erfüllen. Kommt dazu, dass ein Alfa ein Alfa ist, sein muss – und kein (elektrischer) Maserati.

Mehr schöne Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv. Die wahre Geschichte zum wahren Alfa Romeo Tipo 33 Stradale folgt dann noch – einen Erlebnisbericht von einem 33/2 Daytona haben wir schon, hier.

3 Kommentare

  1. goodby goodby

    Ihr BAUT KEINE AUTOS!

    Ihr berichtet nur darüber. IST DIESE BOTSCHAFT ANGEKOMMEN?
    Darum wird es KEIN ABO GEBEN und wenn
    Ihr müde werdet, hört auf.

    Ich würde aufhören. Leider ist Radical nun bei Autobild und
    ams das man eig volchswoochen kein auto gar kein sport taufen sollte.

    war mal eine schöne Zeit mit Euch. das ist vorbei. by 🙂

    • Peter Ruch Peter Ruch

      danke.

  2. dani frei dani frei

    Wo gibt es noch solch gut recherchierte Texte von leidenschaftlichen und authentischen Schreiberlingen?

    Haltet an euren Werten fest!

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