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radical zero: Wird Schnellladen jetzt wirklich schnell?

«Gamechanger»

Die Aussicht darauf, im strömenden Regen eine Dreiviertelstunde an einer Ladestation stehen zu müssen, hält noch viele potentielle Kunden davon ab, sich die Anschaffung eines Elektroautos überhaupt nur zu überlegen. Zwar gab es da in den vergangenen Jahren entscheidende Fortschritte, ein Porsche Taycan mit Performance-Batterie (83,7 kWh netto) kann – theoretisch – mit maximal 270 kW geladen werden, einmal «Tanken» von 10 auf 80 Prozent SoC (State of Charge) dauert 18 Minuten. Möglich macht das unter anderem das 800-Volt-Bordnetz, über das bisher nur wenige und vor allem teure E-Fahrzeuge verfügen.

Wir müssen das aber zuerst einmal anschaulich erklären, was das überhaupt bedeutet; zu viel Stammtischwissen macht die Runde. Die Leistung (W) wird errechnet, indem man Spannung (V) mal Strom (A) rechnet. Anders ausgedrückt: Die Spannung ist der Wasserdruck, der Strom die Grösse des Wasserhahns – mehr Wasser durch einen grösseren Hahn füllt die Badewanne schneller. Die aktuellen Schnelllader sind technisch auf 500 Ampere begrenzt, das ergibt dann bei den meisten E-Autos also 400 V x 500 A gleich 200’000 W (200 kW). Bei einem 800-V-Bordnetz ist die Rechnung genau gleich, also 800 V x 500 A gleich 400 kW. Das schafft aber derzeit noch kaum ein Schnelllader, bei maximal 350 kW ist fertig. Unter den aktuell angebotenen E-Fahrzeugen ist der Lucid Spitzenreiter, er soll bis 320 kW aufnehmen können.

Porsche will dem Mission X (Bild oben), so er denn tatsächlich gebaut werden wird, ein 900-V-Bordnetz mit an Bord geben. Das würde die theoretische «Aufnahmefähigkeit» dann auf 450 kW erhöhen (900 V x 500 A = 450 kW). Von den grossen Strom-Anbietern weiss man etwa von Fastned, dass sie ihre Ladesäulen in absehbarer Zukunft auf 500 kW auslegen wollen. Damit wäre dann auch die Grundlage gegeben, den Mission X auch wirklich schnell zu laden. Es würde bedeuten, in sehr grauer Theorie, dass man eine 100-kWh-Batterie in 13 Minuten vollständig laden könnte.

Nun macht das aber so niemand, mutige Fahrerinnen fahren den Akku auf 5 Prozent SoC runter, doch allgemein gilt als sinnvolles Ladeverhalten jenes von 10 auf 80 Prozent. Das wären dann 70 kWh geteilt durch 450 kW gleich etwa 9,5 Minuten. Da ist man dann noch nicht ganz auf Dieseltank-Niveau, aber die Annäherung kommt in grossen Schritten – auch wenn dies nun die Beschreibung eines Idealzustandes war. Denn selbstverständlich gibt es Einschränkungen, die meisten Ladungen verfügen über einen Peak (das wären die 450 kW), sinken dann ab 40 sowie 60 Prozent SoC etwas ab; beim oben genannten Porsche Taycan liegt der Durchschnitt bei 217 kW.

Noch schneller wird beim jetzigen Stand der Technik: schwierig. Schon das Ladekabel für den 500-kW-Anschluss wird ein dicker Brocken sein, eher gedacht für den stämmigen litauischen Lastwagenfahrer als für schicke Sportwagenwagenfahrerinnen. Es wäre einfacher, die Ampere bei den Schnellladern zu erhöhen, anscheinend wird mit 650 A experimentiert, doch auch da gibt es Grenzen. Aber wir können es ja nochmals durchrechnen: 900 V mal 650 A wären 585 kW. 70 Prozent Aufladung der 100-kWh-Batterie wären dann in knapp über sieben Minuten möglich. Schöne neue Welt.

Es ist dies ja aber nur die eine Seite der Medaille, wenn auch eine wichtige, gerade für Kaufentscheidungen. Andererseits: Schnellladen mit solchen Geschwindigkeiten ist der Lebensdauer des Akkus nicht dringend zuträglich. Und noch werkeln die meisten europäischen Hersteller mit einem 400-V-Bordnetz, nur schon die 800-V-Variante kostet anscheinend zu viel, braucht eine andere Verkabelung, stärkere Steckerverbindungen. Interessant ist dabei, dass die chinesischen Hersteller durchgehend auf 800 Volt setzen, auch bei ihren teilweise sehr günstigen Angeboten. Was in diesem Zusammenhang auch spannend ist: Ladegeschwindigkeit scheint für die Chinesen kein wichtiges Thema zu sein, nur die wenigsten Fahrzeugen kommen überhaupt auf dreistellige Ladeleistungen.

Die Entwicklungen sind aber gerade bei der Batterie-Technik rasant, die Leistungsdichte der Akkus steigt immer mehr an, was zur Folge hat, dass die Batterien kleiner werden können, also leichter, was dann indirekt wieder mehr Reichweite bringt. In China werden wohl noch in diesem Jahr die ersten Autos mit Semi-Feststoff-Batterien kommen, die schon mittelfristig ein «Gamechanger» sein könnten, denn sie brauchen nur noch halb so viel Platz wie bisherige Akkus. Wie es da um die Ladezeiten steht, das lässt sich noch zu wenig beurteilen – langsamer sind sie wohl kaum.

Auch Toyota, bei den E-Fahrzeugen derzeit nicht wirklich erfolgreich unterwegs, bringt das Thema «solid state» einmal mehr ins Spiel. Schon 2027, verkündeten die Japaner kürzlich, wollen sie Fahrzeuge mit einer Feststoff-Batterie auf den Markt bringen. 1200 Kilometer seien dann mit einer Ladung möglich, geladen werden könne der Akku in 10 Minuten. Gut, das hatte Toyota schon vor ein paar Jahren zum ersten Mal verkündet – aber vielleicht sind die Japaner jetzt näher dran. Die Chinesen sind es, davon darf man ausgehen.

Mehr Strom gibt es unter: zero. Gar keinen haben wir in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. Heinz Erhardy Heinz Erhardy

    Anderen Ansatz!

    Ihr vergesst immer die Menge an Fahrzeugen pro Land, Kontinent zb in Europa.
    Und Menge an Straßen, dass 60% der Menschen ja hipp urban leben und die
    schöne Werbung uns ständig zeigt, wie diese hippen bunten Menschen in ihren
    2300 Kilo SUV die >188cm Breit >160 cm Hoch mal 460 cm Länge, mit 700 Kilo
    Akkus, die 30 Haushalte versorgen könnten, 1 Woche lang, in 5 h leer ballern.

    Kann man das abstrahieren?
    Man hat also NICHT Fahrzeuggewicht halbiert, die Leistung halbiert und weiter
    optimiert, damit diese Masse an Fahrzeugen besser versorgt würde.
    Und der Kunde, der gar nichts spannt und die Steckdose sieht, der wird ein eingelullt.

    Der kapiert nicht, das ein 700 Kilo Auto mit 50 Kw das tut was eins mit 1400 Kilo und
    100kw macht.. nur bei ersterem versorgt man 2 Autos.
    ( und natürlich ist in den Köpfen der Menschen ein Auto aus Gusseisen..oder ein Täsle, der mit 200 Kilo Computern den Baum wählt)
    Und Knallraketen erzählen, das schwer sportlich sei und man bergabbbbbbb zurück
    gewinnt.. DIE ETH Zürich warte schon auf die.. Physiknobelpreisträger..

    Und nun das ganze weltweit.. GUTE NACHT 🙂

    Ps ich klebe nicht. Außer Solarfelder an die Wand, das Dach.
    Und in einem MG ..Roadster 1973 einen Neunen Williams 50 Kw E-motor..

    Guten Sommer..:)

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